Zusammenfassung
„Innere Sicherheit“ in der DDR war die Aufgabe des ungleichen Paares Volkspolizei und Staatssicherheit. Allein schon die Existenz einer der „öffentlichen“ Polizei formal gleichrangigen, tatsächlich aber weitaus mächtigeren Geheimpolizei im Range eines Ministeriums, die zugleich Nachrichtendienst und quasi- staatsanwaltschaftliches Untersuchungsorgan war, ist eine Besonderheit, die der Polizeitradition des „bürgerlichen“ Deutschland fremd ist. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) war nicht nur ein Universalorgan zur Bekämpfung von politischer „Kriminalität“ und Dissidenz, sondern zugleich ein Konglomerat höchst unterschiedlicher staatlicher Aufgaben, von der Sicherung der Regierungstelefonleitungen über den Personenschutz für Politiker und AntiTerror-Einheiten bis hin zu einer militärischen Verfügungstruppe in Divisionsstärke. Getragen war dieser arbeitsteilige Apparat von der gemeinsamen Aufgabe, als „Schild und Schwert der Partei“ die „staatliche Sicherheit und den Schutz der Deutschen Demokratischen Republik“ nach den Maßgaben der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zu gewährleisten.1 Mit zuletzt rund 91.000 hauptamtlichen Mitarbeitern und etwa 173.000 inoffiziellen Zuträgern handelte es sich zweifellos um die größte derartige Institution in der deutschen Geschichte, bezogen auf die Bevölkerungszahl vermutlich sogar um eine der größten der Welt.2
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Gieseke, J. (2000). Das Ministerium für Staatssicherheit — ein Kapitel deutscher Polizeigeschichte?. In: Lange, HJ. (eds) Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in Deutschland. Studien zur Inneren Sicherheit, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11467-3_7
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