Zusammenfassung
Umweltkontroversen verweisen immer auf den Doppelcharakter unseres Naturverhältnisses. Wir sind einerseits, als biologische Gattung, ein von natürlichen Umweltbedingungen abhängiger, gesundheitlich sehr verletzlicher Teil des biophyischen Systems ‚Erde‘, eingebettet in natürliche, stofflich-energetische Kreisläufe. Menschen haben diese Umweltbedingungen immer in einer für sie nützlichen Art und Weise zu beeinflussen versucht. Menschliche Naturnutzung wirkt allerdings auf die jeweiligen Umweltbedingungen wieder zurück, zumeist mit nicht-intendierten Folgeproblemen, die nicht selten — unter den heutigen, hochindustrialisierten Bedingungen freilich in einer qualitativ neuen, globalen Dimension — zu ökologischen Selbstgefährdungen geführt haben. Die jeweilige Art des gesellschaftlichen Naturbezugs ist andererseits immer von kulturellen Vorstellungen geleitet. Natur gewinnt für uns überhaupt nur in symbolisch vermittelten Form Relevanz. Das gilt für die Natur als Gegenstand von Furcht, Verehrung oder ästhetischer Erbauung ebenso wie für die Natur, die nach gesellschaftlichen Ordnungsmodellen gestaltet (barocke Gartenanlagen, englische Gärten, Industrielandschaften), nach Kriterien handwerklichen Erfahrungswissens kolonisiert (Ackerbau) oder nach naturwissenschaftlich-technischen Vorgaben genutzt, umgestaltet und reproduziert wird. Naturbilder sind darüber hinaus eng mit Gesellschaftsbildern und kollektiven Identitäten verknüpft. Gesellschaftliche Naturverhältnisse1 haben so immer eine materielle und eine symbolische Dimension. Es ist dieser Doppelcharakter, der Auseinandersetzungen über Umweltprobleme entsprechend ‚doppelbödig‘ macht, Fragen des Umgangs mit ‚Natur‘ oder der Gefährdung unserer ‚natürlichen‘ Reproduktionsbedingungen eine hohe symbolische Aufladung verleiht.
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Brand, KW. (1998). Soziologie und Natur — eine schwierige Beziehung Zur Einführung. In: Brand, KW. (eds) Soziologie und Natur. Reihe „Soziologie und Ökologie“, vol 2. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11442-0_1
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