Zusammenfassung
Es ist eine bewiesene Tugend sozialwissenschaftlicher wie philosophischer Argumentation, bestimmte Einsichten an ihrem Ursprungsort aufzusuchen: historisch und biographisch. Nicht um die Angst vor den eigenen Gedanken in Fußnoten und Anmerkungen zu verstecken, geht es dabei, sondern um ein methodisches und ein inhaltliches Prinzip: für den Bereich der „verstehenden“ Sozial- und Kulturwissenschaften (im Sinne Max Webers) gilt, daß die Analyse der Genesis grundlegender Erkenntnisse über historisch-gesellschaftliche Tatbestände und Entwicklungen deren gestaltende und fortwirkende Kräfte häufig viel klarer zeigt, als dies in den Spätphasen „entwickelter“ („spätkapitalistischer“, „komplexer“, „postindustrieller“ etc.) Gesellschaften möglich ist.
Zum Gedenken an sein 100. Todesjahr (1977)
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Referenzen
Roman Schnur, Ein Prophet der verwalteten Welt. A. A. Cournots Prognose des posthistorischen Zeitalters, in: Wort und Wahrheit, 6. Jg., 1961, S. 743–754. Schnur hat diesen Aufsatz, erweitert um einen Vorspann und kleinere bibliographische Nachträge, nochmals abdrucken lassen in: Dimensionen des Rechts. Gedächtnisschrift für René Marcic, Berlin 1974, Bd. 2, S. 1127–1144.
Säkulare Ereignisse bleiben damit weiterhin im deutschen Sprachraum der Anlaß für die wenigen Hinweise auf Leben und Werk Cournots: 1938 erinnerte Elisabeth Liefmann-Keil „im Gedenken an das Erscheinen der ‚Untersuchungen über die mathematischen Grundlagen der Theorie des Reichtums‘ vor 100 Jahren“ an „die wissenschaftliche Methode und das Gesamtwerk Cournots“, in: Archiv für mathematische Wirtschafts- und Sozialforschung, 4. Jg. 1938, S. 238–251.
Vgl. hierzu die grundlegende Auseinandersetzung von Helmut Reichardt, Augustin A. Cournot. Sein Beitrag zur exakten Wirtschaftswissenschaft, Tübingen 1954.
Vgl. Helmut Reichardt, Art. „Cournot, Augustin Antoine“, Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 2, 1959, S. 536–538; Henri Guitton, Art. „Cournot, Antoine Augustin“, International Encylopaedia of the Social Sciences, vol. 3, 1968, p. 427–430; G. Vapercau, Dictionnaire universel des contemporains, Paris 31865, S. 436f. (letzteren Hinweis verdanke ich Gerhard Seither, Landau /Pfalz); La Grande Encyclopédie, tome 13, S. 120 (Art. „Cournot, Antoine-Auguste“). Auffallend ist die jeweils unterschiedliche Schreibweise der Vornamen.
„Je descends d’une famille de cultivateurs, fixée de temps immémorial dans un village de l’ancien bailliage de Dôle en Franche-Comté“, heißt es in den Souvenirs (S. 5).
1842 hatte Cournot die philosophischen Briefe Leonhard Eulers (1707–1783) „an eine deutsche Prinzessin“ ins Französische übersetzt und herausgegeben.
Zitiert bei Elisabeth Liefmann-Keil, Leibniz und Cournot, in: Zeitschrift für Nationalökonomie, Bd. 9, 1939, S. 505–540 (533).
Der Übersetzter Merritt H. Moore sagt in seiner Einführung: „This translation makes one of A. A. Cournot’s philosophical works available in English for the first time ... his philosophical writings are known by only relatively few persons, yet these few have a high regard for their merit“.
Auf den Seiten 293–543, die Cournot gewidmet sind, rinden sich unter anderem folgende Abhandlungen: Henri Poincaré, Cournot et les principes du calcul infinitésimal, S. 293–306; Gabriel Tarde, L’accident et le rationnel en histoire d’après Cournot, S. 349–376; François Mentré, Les racines historiques du probalisme rationnel des Cournot, S. 485–508 (dort heißt es S. 506 sehr bezeichnend über eine Grundposition von Cournot: „Pour lui, le hasard a une réalité objective indépendante de nos conaissance“).
Friedrich Jonas, Geschichte der Soziologie, Bd. II: Sozialismus, Positivismus, Historismus, Reinbek 1968, S. 148.
Vorwort zur Neuausgabe des Traité de l’enchaînement... von 1911 (zitiert bei Roman Schnur, a. a. O., S. 754).
Vgl. Raymond Ruyer, L’Humanité de l’avenir d’après Cournot, Paris 1930, S. 118f.
Maxime Leroy, Histoire des idées sociales en France, Paris 51994.
Ebd., S. 123. Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden vgl. auch R. Ruyer, a. a. O., S. 31ff.
Ebd., S. 122–125: „Frédéric Cournot prophète social“.
Alain Rouraine, La société post-industrielle. Naissance d’une société, Paris 1969.
In der Bestsellerschrift von Daniel Bell, Die nachindustrielle Gesellschaft, Frankfurt/New York 1975 (orig. amerik. 1973), heißt es auf S. 250: „Cournot... deutete das Aufkommen der technologischen Zivilisation im Sinne einer allgemeinen Tendenz der Geschichte vom Vitalen zum Rationalen“.
Elisabeth Liefmann-Keil, Die wissenschaftliche Methode und das Gesamtwerk Cournots, a. a. O., S. 240.
Vgl. hierzu an erster Stelle die Abhandlung von Elisabeth Liefmann-Keil, Leibniz und Cournot, a. a. O., S. 505–540.
Elisabeth Liefmann-Keil, Die wissenschaftliche Methode..., a. a. O., S. 215.
Traité de l’enchaînement..., § 546.
Considérations..., ed. F. Mentré, Paris 1934, tome I, S. 2.
Jean Fourastié kommt in seiner berühmten Arbeit: Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts, Köln 21969 (orig. frz. 1949, Édition définitive 1963) auf der Grundlage der Entwicklung von Arbeitsproduktivität und Beschäftigungsstrukturen zu folgender Einteilung der Menschheitsgeschichte: bis zum Beginn der Industriellen Revolution=„primäre Zivilisation“; 1800–2000=-„Übergangsphase“; nach dem zweiten Jahrtausend=„tertiäre Zivilisation“ als neue Phase der Stabilisierung.
„Wir legen den Regierungsformen zuviel Wichtigkeit bei“, sagt Saint-Simon, Œuvres des Saint-Simon et d’Enfantin, Paris 1865–1878, vol. 19, S. 81.
Vgl. Arnold Gehlen, Über kulturelle Kristallisation, in: ders., Studien zur Anthropologie und Soziologie, Neuwied und Berlin 1963, S. 311–328 (dort S. 323 Aufnahme des Begriffs „Posthistoire“).
Traité de l’enchaînement..., § 533 (S. 331).
Ebd., § 541 (S. 342).
Ebd., § 470.
Raymond Ruyer, a. a. O., S. 79.
Roman Schnur, a. a. O., S. 753.
So meint Saint-Simon bereits am Beginn des industriellen Zeitalters feststellen zu können: „Nous voyons que nous sommes arrivés à la dernière période de la transition“ (La physiologie sociale, ed. Gurvitch, Paris 1963, S. 82).
Traité de l’enchaînement..., § 543.
Friedrich Jonas, a. a. O., S. 155f.
Ebd. An dieser Stelle sei vor Überforderung der Begriffe matérialisme, vitalisme, rationalisme gewarnt. So lassen sich auch die von Durkheim eingeführten Begriffe der mechanischen und der organischen Solidarität nicht bruchlos auf das Cournotsche Werk transponieren, wie das Jonas (S. 156) mit der Feststellung unternimmt: „Die menschlichen Gesellschaften sind zunächst Organismen und dann Mechanismen“.
Vgl. Kap. XII des Essai sur les fondaments de nos connaissances... (1851), das „über den Gegensatz von Wissenschaft und Philosophie und über die Philosophie der Wissenschaften“ handelt.
Considérations..., tome II, S. 172.
Bei Walt W. Rostow, Stadien des wirtschaftlichen Wachstums, Göttingen 21967 (orig. engl. 1960) stellt sich am Ende der Phasen des industriellen Wachstumsprozesses das von ihm sog. „Zeitalter des Massenkonsums“ ein.
Considérations..., tome II, S. 207.
Ebd., S. 208.
Roman Schnur, a. a. O., S. 751.
So z.B. in den Considérations..., tome II, S. 211 ff. Vgl. hierzu auch die Interpretation von Schnur, a. a. O., S. 752f., der unter anderem davon ausgeht, daß Cournot „gegenüber den arbeitenden Klassen wenig Wärme des Gefühls zeigt“ (S. 752).
Vgl. Raymond Ruyer, a. a. O., S. 92.
Ausgenommen die Arbeiten von Elisabeth Liefmann-Keil und Helmut Reichardt, die Aspekte des Gesamtwerks und dessen einheitliche Grundauffassungen herausstellten.
Elisabeth Liefmann-Keil, Leibniz und Cournot, a. a. O., S. 523.
Ebd., S. 538.
A. A. Cournot, Souvenirs, a. a. O., S. 251.
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Schäfers, B. (1996). Augustin Antoine Cournot und die Einheit sich spezialisierender Wissenschaften. In: Soziologie und Gesellschaftsentwicklung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11440-6_3
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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