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Theorie im Härtetest — exemplarische Anwendungen

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Soziologie des Fremden
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Zusammenfassung

In diesem Kapitel soll die Frage der Bewußtseinsräume der Subjekte und der Dimensionalität der ihnen innewohnenden Logik im Hinblick auf den Fremden aus dem Kontext der jeweiligen gesellschaftlichen Differenzierungsform erklärt werden. Dabei wird gezeigt, daß in bestimmten Fällen die Differenzierungsform eines Individuums und einer Gruppe von Individuen von der Differenzierungsform der umgebenden Gesellschaft abweichen kann. Als Anwendungsbeispiel wird hier die Odyssee1 gewählt, ein Text, der ungefähr zweieinhalbtausend Jahre älter ist als die Soziologie und doch verblüffende Anschauungsmöglichkeiten für die hier entwickelte Theorie eröffnet.2 Darüber hinaus kann anhand des epischen Textes von Homer3 gezeigt werden, daß die Differenzierungsform unter bestimmten Bedingungen umschlagen kann, z.B. von einer stratifizierten in eine segmentäre Differenzierung. Die dann entstehende Segmentierung wird als sekundäre Segmentierung bezeichnet und damit von einer primären Segmentierung (wie sie etwa in Jäger- und Sammlergesellschaften oder bei noch nicht von Stratifizierung überformten agrarischen Gemeinschaften oder Gesellschaften vorgefunden werden kann) abgegrenzt.

„O mir, in welcher Sterblichen Land bin ich wieder gekommen? Sind es frevelhafte und wilde und gar nicht gerechte oder den Fremden freundliche, gottesfürchtige Leute?“

Homer 1998, S. 93f.

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Literatur

  1. In bezug auf die Entstehungszeit von Ilias und Odyssee wird etwa das 7. bis 9. Jahrhundert v.u.Z. vermutet, wobei die Odyssee als etwas jünger eingeschätzt wird als die Ilias. Die auf die mykenische Zeit (in der eine hochentwickelte Klassenstruktur herrschte, mit „fortgeschrittener Arbeitsteilung, Sklaverei, staatsartigem Herrschaftsapparat, Schrift, regelmäßigen Austauschbeziehungen mit den fortgeschrittenen vorderasiatischen und ägyptischen Hochkulturen“) folgende Phase wurde nach den auf Keramikfunden vorherrschenden Mustern als geometrische, aber auch als homerische oder epische Periode bezeichnet, und ist insbesondere „im 11. und 10. Jahrhundert… durch ein starkes Absinken der materiellen Kultur gekennzeichnet”. Die Phase, der die beiden Epen entstammen, wird als „Ende einer Epoche des allmählichen Wiederaufstiegs nach dem [sic!] durch die dorische Wanderung ausgelösten Katastrophen, die die mykenische Zeit… beenden“ bezeichnet (Müller 1977, S. 291). Diese Epoche endet mit dem Verschwinden des geometrischen Stils. In der Literaturgeschichte bezeichnet dieser Bruch den Übergang zwischen epischer und lyrischer Gattung. Starke Datierungszweifel bestehen fort; vor allem werden die Ereignisse um Troja näher an Homer heran gerückt.

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  2. Die Odyssee ist gut erforscht. Die diesbezügliche Literatur kann nur streiflichtartig re-flektiert werden. Hier geht es insbesondere darum, die in der vorliegenden Schrift entwickelten soziologischen Konzepte an dieser weit entfernten Quelle zu erproben.

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  3. Nach Müller (vgl. 1977 ) wurde in der Ilias und der Odyssee — den Publikumserwartungen und Sängertraditionen entsprechend — ein „heroisches“ Zeitalter dargestellt. Eine Reihe von Elementen verweise auf ältere Zeiten, insbesondere die späte mykenische Epoche. Andere Züge, insbesondere in der Odyssee, seien jüngeren Datums. Die Ausmaße des Königshofes des Odysseus seien nur mit solchen von Höfen der mykenischen Periode vergleichbar. Der einheitliche Charakter der Epen sei auf die handwerkliche Sängertradition zurückzufiihren. Tatsächlich handele es sich jedoch um eine komplizierte Verschränkung von Elementen, die in unterschiedlichen historischen Phasen entstanden seien, und deren Trennung schwierig oder unmöglich sei. Es wird davon ausgegangen, daß die Epen „an Adelshöfen der nach dem Eindringen der Dorer jonisch [sic!] besiedelten Ägäisküste Kleinasiens von Sängern gesungen, oder… zu einem Saiteninstrument melodisch rezitiert, und auf eine uns unbekannte Weise schriftlich fixiert” (S. 292) wurden. „Die Welt wird in diesen Epen für eine adelsähnliche Herrenschicht und von deren Standpunkt aus dargestellt“ (S. 292). Bei den erhaltenen Epen handele es sich nur um einen schmalen Ausschnitt aus einer Vielfalt von Heldenepen, die über zahlreiche Generationen hinweg von hauptberuflich tätigen und umherziehenden Sängern überliefert wurden, „und zwar einerseits in steter Weiterbildung, andrerseits in getreulicher Bewahrung” (S. 292). Dies werde an der Formelhaftigkeit der epischen Kunstsprache mit einem festliegenden Bestand an Wendungen deutlich. Die sichere Überlieferung sei auch durch die Einpassung in das hexametrische Versmaß ermöglicht worden. „Die Alltagsferne und relative Starrheit der epischen Sprache konnte so in eigentümlicher Weise vergangene Verhältnisse am Leben erhalten“ (S. 293 ). Das enorme Gedächtnis der Sänger in schriftlosen Gesellschaften sei belegbar. Jedoch seien auch Grundvorstellungen aus der Zeit, in der die Sänger jeweils lebten, in die Epen eingedrungen. — Jedoch erscheint eine schriftliche Formulierung der Epen durch Homer (vgl. die sog. Homerische Frage) wegen der Einheitlichkeit des Sprachstils nicht unwahrscheinlich.

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  4. Die Bezeichnungen prograd und retrograd und die substantivische Bezeichnung des retrograden Prozesses als Diaphtorese erscheinen mir neutraler und geben weniger Anlaß zu mißweisenden Assoziationen als die Bezeichnungen progressiv und regressiv.

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  5. Zur Verwendung der Quelle: Die hier untersuchten Teile aus Homers Odyssee waren bis zu ihrer Übersetzung in die deutsche Sprache vielfältigen Wandlungen unterworfen. In diesem Kontext wird der Text nicht als historischer Bericht verwendet, sondern als Erzählung, in der sich als empirischem Beispiel eines Kulturkontaktes Zusammenhänge zwischen Differenzierungsformen (einschließlich der Frage der Konkretheit bzw. Abstraktheit der Gesellschaftsformation), unterschiedlicher Wertigkeit der Logik, des Verallgemeinerten Anderen (Me) und Perspektiven auf den Fremden aufzeigen lassen. Ob und inwieweit es sich bei den in der Odyssee gezeigten Akteuren um historische Gestalten handelt, ist für die Analyse ohne Belang. Jedoch werden in der Odyssee Akteure, Handlungen, soziale Beobachtungen und Zusammenhänge in einer Weise erörtert, die dem Publikum Einblicke in die sozialen Strukturen der Zeit Homers und davor ermöglichen.

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  6. Zur Differenzierung zwischen segmentären und stratifizierten Gesellschaftsformationen vgl. Luhmann 1998.

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  7. Zur Verwendung des Begriffes Hochkultur vgl. Tenbruck 1986.

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  8. Hier wie bei anderen Stellen in der Odyssee fällt auf, daß es keine sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Völker gibt. Dies erklärt Dihle als Ausdruck der kulturellen Einheitlichkeit der Lebens-und Ausdrucksformen in der in der Odyssee dargestellten Welt. Soziale Unterschiede bestünden lediglich zwischen Menschenvölkern und,Wundervölkern` (beispielsweise Lotophagen, Kyklopen, Phäaken). Jedoch würden auch gegenüber letzteren keine sprachlichen Unterschiede in der Odyssee deutlich (vgl. Dihle 1994, S. 15). Es ist korrekt, daß in der Odyssee Sprachdifferenzen zwischen Völkern kaum thematisiert werden. In bezug auf die Schichtzugehörigkeit werden Kommunikationsstile und Sprachkompetenz jedoch thematisiert. Die Deutung erscheint insgesamt, angesichts der in diesem Kapitel herausgearbeiteten sozialen Unterschiede zwischen Völkern und Individuen, die in der Odyssee deutlich werden, als zu schematisch.

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  9. Müller bemerkt zur Einstufung des Volkes durch die herrschende Schicht: „Die tiefe Kluft, die die Masse der freien Bauern von den,Hervorragenden` trennt, wird am deutlichsten in der Namenlosigkeit, die sie im Hintergrund der epischen Erzählung verschwinden läßt, oder auch in den eindeutigen Benennungen, mit denen sie, immer als Masse, belegt werden (,Minderwertige`;,die weder im Kriege noch im Rate zählen’, usw.)“. Die,Minderwertigen` unterscheiden sich von den,Edlen` insbesondere in der „Größe des Grundeigentums, in der Zahl der ausgebeuteten unfreien Arbeiter und daher im Umfang des Oikos” (Müller 1977, S. 300). Der Einschätzung Müllers, das Volk werde von den,Hervorragenden` als namenlos behandelt, ist nicht zuzustimmen. Vielmehr kann hier von einer Reziprozität ausgegangen werden, entsprechend der ein unterschiedlicher sozialer Status bzw. eine unterschiedliche Schichtzugehörigkeit von der

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  10. Wie weiter unten dargestellt wird, ist dies in der Interaktion von Polyphem und Odysseus anders. Polyphem erkennt die Relevanzstrukturen der Personen stratifizierter Gesellschaften nicht, da sein „Me“ zu eng gefaßt ist. Er muß versuchen, sie aus seiner Perspektive, derjenigen einer segmentären Gesellschaft, herauszufinden und scheitert daran, sofern er nicht die Fremden entsprechend einer einwertigen Logik vernichten kann.

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  11. Die hauswirtschaftliche Grundstruktur wird in der Odyssee typischerweise nur aus der Perspektive „jener,Besten“` sichtbar, „die die weitaus größten Grundbesitzer waren. Hauptsächlich über die Oikoi dieser basileis (etwa: Könige) und vor allem über ihr,schönes Leben’ in Gelage, Spiel und Krieg, also oberhalb der materiellen und immateriellen Produktion, berichten die epischen Sänger” (Müller 1977, S. 300).

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  12. Familie ist im Sinne von Haushalt zu verstehen. Nach Luhmann kann „die Bedeutung der Haushalte für stratifizierte Gesellschaften“ kaum überschätzt werden. „Die Haushalte, nicht die Individuen, sind die Einheiten, auf die sich die Stratifikation bezieht. Sie müssen deshalb als geordnet vorausgesetzt werden — sowohl in der Verwandtschaftsordnung der Familie im engeren Sinne als auch in ihren Beziehungen zum Personal” (Luhmann 1998, S. 697).Die Haushaltungseinheit (Reproduktionseinheit) in der homerischen Zeit, die zugleich die zentrale Grundlage der Lebenserhaltung, aber auch der gesellschaftlichen Verbindungen darstellt, ist der Oikos, bzw. die Hauswirtschaft. Dem Oikos steht der Hausherr vor, ihm sind seine Frau, seine Kinder, die Schwiegertöchter sowie Gefolgsleute, freie und unfreie Arbeiter und auf Kriegszügen gefangene Frauen und Konkubinen untergeordnet. Nicht zum Oikos gehören Freie, die weder Mitglieder des Gemeinwesens noch des Heeres sind, da sie im allgemeinen nicht über Grundbesitz verfügen. Sie sind teilweise auf Tätigkeiten spezialisiert (wie Wahrsager, Schmiede, Ärzte, Sänger). Andere helfen lediglich bei der Feldarbeit und sind von Bettlern und Vagabunden kaum eindeutig scheidbar. Austausch zwischen den autark wirtschaftenden Oiken erfolgt in der Regel durch Geschenke, Raub oder Krieg. Händler sind nie griechischer Herkunft (vgl. Müller 1977, S. 299). Lediglich der Gruppe der Händler gesteht Müller „so etwas wie Autono-mie, Bewußtsein eigener Identität im Gegenüber zu einer fremden Umwelt“ zu (Müller 1977, S. 326 ).

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  13. Müller verweist darauf, daß in der homerischen Zeit hochqualifizierte Lohnarbeiter, Handwerker und Künstler wie Schmiede, Edelmetallhandwerker, Lederarbeiter, Töpfer, Zimmerleute, Schiff-und Wagenbauer, aber auch Ärzte, Wahrsager, Sanger, Herolde, Fährleute und Gaukler im Vergleich mit Theten und Sklaven begünstigt waren (vgl. Müller 1977, S. 305). Dem als begabt hervorgehobenen Sänger Demódokus wird geradezu mit Hochachtung begegnet.

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  14. Mauss beschreibt in bezug auf den nordamerikanischen Potlatsch eine Form des Gabentausches, bei der nicht einmal der Anschein erweckt werden soll, als sei eine Rückgabe von Bedeutung. Diese „aristokratische Form des Handels“ ist „durchdrungen von Etikette und Großmut; und wenn er in einer anderen Gesinnung betrieben wird, nämlich im Hinblick auf sofortigen Gewinn, begegnet man ihm mit betonter Verachtung” (Mauss 1990, S. 87). Eine ähnliche Verachtung gegenüber gewinnorientierten Formen des Handels zeigt sich in der Polemik des Eury’ alos gegenüber Odysseus.

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  15. Zu Verteidigern der Handarbeit wie Anaxagoras und Entwicklungen in Richtung auf eine Verbindung von Hand- und Kopfarbeit seit dem 4. Jh. vgl. Moscovici ( 1990, S. 456ff.).Max Weber hat herausgearbeitet, daß sich, abgesehen von einer Frühphase der Polis (mit Ansätzen zur Entwicklung gewerblicher Verbände), in der Antike, anders als im okzidentalen Mittelalter, keine machtvollen Zünfte herausgebildet haben, die „das Entstehen einer Handwerkerschicht von Leibzins an ihre Herren zahlenden Sklaven als Konkurrenten des freien Gewerbes“ (Weber 1976, S. 798) verhindert hätten. Vermögensakkumulationen bedeuteten eine Vermehrung des Besitzes an Sklaven und ebenso führten Kriege durch Gefangennahmen zur Überfüllung des Sklavenmarktes. Neben der Produktion durch Sklaven in Oiken wurde auch ein großer Teil der städtischen Produktion durch selbständig erwerbende Sklaven erbracht. Das Nebeneinanderbestehen der Produktion von freien Bürgern und Sklaven (z.B. in gemischten Akkordgruppen) drückte sozial auf die Arbeit. Eine Arbeit, die sowohl von Sklaven als auch von freien Handwerkern und Metöken ausgeführt wurde, konnte sich in der griechischen Gesellschaft wohl kaum eines hohen sozialen Ansehens erfreut haben. Die Sklavenkonkurrenz war auch ökonomisch fühlbar, was bedeutet, daß es bei der Vermarktung von Produkten, die gleichermaßen von Freien und Sklaven hergestellt wurden, zu Niedrigpreisen gekommen sein wird, wodurch die Entfaltung des Handwerks behindert wurde. Die Démoi, die die Grundlage der Stadtverfassung bildeten, bezeichnen die Sonderstellung der demokratischen Polis des Altertums, da es sich bei ihnen um eine formale örtliche Einteilung handelt, in der ländliche Bezirke dominierten, vergleicht man sie mit älteren Ansätzen zunftförmiger Einteilung von Städten, aber auch mit mittelalterlichen Städten. Weber betont überdies die fehlende politische Bedeutung der Handwerker in der frühdemokratischen antiken Stadt (vgl. Weber 1976, S. 798ff.).Moscovici weist darauf hin, daß in einem Teil der griechischen und römischen Gesellschaft und in einem Teil des griechischen und römischen Denkens die Handwerkerarbeit verachtet wird, als körperliche Arbeit, die ohne Einsatz des Verstandes und ohne Wissen ausgeführt werden kann. „Im Vergleich zur quasi religiösen Tugend des Ackerbaus gelten die geschickte Anwendung der Hand und die den Sinnen auferlegte Disziplin als inferior, sind weniger mit der Erkenntnis der himmlischen Zeichen, der Gesetze und Notwendigkeiten des Krieges befaßt” (Moscovici 1990, S. 455).15 Serge Moscovici zeigt auf, daß in der Phase nach der Reform des Kleisthenes das mühsame Kräftegleichgewicht in Athen zerstört wird.,Die Stadt wird zum Mittelpunkt für Handwerk und Handwerker. Die Händler setzen sich durch und prosperieren. Ihr Einfluß wächst, und das Geld dringt in die Adern ein“…,Mit dem Geld wird das Eigentum mobil.… Die bodenbesitzende Aristokratie sieht ihre Vormachtstellung in Frage gestellt, und zwar nicht nur durch den Bauern, sondern auch durch den Handwerker und insbesondere durch den reichen Händler. Die Beziehungen zwischen den Klassen wandeln sich” (Moscovici 1990, S. 469 ). Hieraus kann geschlossen werden, daß sich spätestens in dieser Phase Verschiebungen in der Bewertung von Oikenwirtschaft, Handwerk und Handel anzubahnen scheinen, auf die hier jedoch nicht weiter eingegangen werden kann.

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  16. Erst dadurch, daß Odysseus sich entgegen seiner ursprünglichen Absicht doch am Wettkampf beteiligt, kann er seine verletzte Ehre wiederherstellen. Vielen Stellen der Odyssee kann entnommen werden, „daß der festliche Wettkampf eine der Gelegenheiten ist, bei denen die Großen durch Aussetzung prächtiger Kampfpreise ihren Rang zu demonstrieren suchen, in deutlicher Parallele zu den Potlatschfesten der Nordwestindianer“ (Müller 1977, S. 319).

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  17. Der Tanzplatz sei bei Homer ein besonderer Hinweis auf ein schönes Leben. Die „Bewegung der Tanzenden“ wird „mit der Bewegung des Töpfers, der den Lauf seiner Scheibe prüft” verglichen (Müller 1977, S. 298).

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  18. In dieser Darstellung zeichnet sich bereits der von Aristoteles herausgearbeitete Unterschied zwischen einem schönen und einem bloßen Leben ab. Der Oikos war, abhängig von seiner Größe, weitgehend auf die Bedürfnisbefriedigung des Hausherrn und seiner unmittelbaren Angehörigen sowie der Standesgenossen ausgerichtet, also auf ein schönes Leben. Dazu gehörten „Muße und Mittel für Jagd, Gelage, Spiel, Tanz und Wettkampf“ Der Fremde in der Odyssee 19 Müller interpretiert aus der Odyssee, das Gastgeschenk enthalte die Verpflichtung zum Gegengeschenk (vgl. Müller 1977, S. 308). Dem ist insofern zuzustimmen, als Odysseus Alkinoos oder seine Angehörigen, wenn er in Ithaka wäre und diese dort als Gäste verweilen würden, durchaus mit einem Gegengeschenk erfreuen würde. Jedoch geht am Hof des Alikinoos niemand erkennbar von der Möglichkeit eines Gegenbesuches aus. Daher kann bei der hier geleisteten Gabe auch nicht von einer erwartbaren materiellen Gegengabe ausgegangen werden. Es sei denn, die Anwesenheit des Gastes, sein Lob der Tänzer und die Erzählung über seine Seefahrten würden als Geschenk gewertet. Immer wieder wird betont, daß der Gast erfreut werden solle.

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  19. Was in der Odyssee nicht erkennbar wird, sind Formen des Warentauschs, bei denen von einem „Verhältnis gegenseitiger Fremdheit unter den Austauschenden“ ausgegangen werden kann, „also die Abwesenheit eines beide Seiten verbindenden gesellschaftlichen Zusammenhangs, der sich im verpflichtenden,,zeremoniellen` Charakter von beiderseits anerkannten Normen zeigt” (Müller 1977, S. 318). Der Warentausch beginne am Rande der Gemeinwesen, nicht jedoch in ihrem Inneren.

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  20. Nach Müller sind,Kleinodien` wie metallene Dreifüße, Becken, Waffen, Pferde und Sklavinnen sowie unverarbeitetes Metall typische Geschenke in den beiden Epen (vgl. Müller 1977, S. 307). Odysseus erhält nach Beendigung seiner Erzählung als weitere Geschenke von jedem (der phäakischen Ratsherren) noch einen großen Dreifuß und ein Becken. Alkinoos, der den Befehl zur Abgabe dieser Geschenke erteilt hat, fordert „Entgelt durch Sammlung in der Gemeinde. Schwer ist’s nämlich fiür einen, so unentgeltlich zu schenken“ (Homer 1998, S. 209). Neben Naturgeld (Vieh) war Gerätegeld (kultisch betonte Dreifiiße, Becken und Kessel) und Axtgold in Form von Pelekys und des Hemipelekon (Doppel-und einschneidige Beile) typische Geldformen in der homerischen Zeit (vgl. Müller 1977, S. 321). Das Entgelt, welches Alkinoos sammeln lassen will, erscheint hier als eine einmalige Abgabe der Könige. Geschenke waren wirkmächtig. Zugleich umfaßt der Begriff Geschenk in der homerischen Zeit noch eine Vielzahl von Handlungen, die später begrifflich unterschieden wurden. In bezug auf die Gabe und Vergabe von,Ehrengeschenken` gab es einen verbindlichen, entsprechend der Stratifizierung der Gesellschaft ständischen, Kodex. Der Geschenkaustausch umfaßte auch die Bestätigung und Erweiterung von Herrschaftsbeziehungen (vgl. Müller 1977, S. 307).

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  21. Bei den Phratrien handelt es sich neben den Geschlechterverbänden und Phylen um eine ältere personale Organisationsform. An deren Stelle oder neben sie traten später Demoî und Tribus als Einteilungen der Stadtgebiete. Deren „Körperschaften und ihre Repräsentanten” hielten in der griechischen Antike „allein die politische Gewalt in Händen“. Dies bedeutete „die Zersprengung des Einflusses der Geschlechter”, da deren Besitz überwiegend Streubesitz war und daher nur noch „in den einzelnen Demoî mit seinen einzelnen Partikeln zur Wirkung“ kommen konnte und er war zudem in jedem einzelnen

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  22. Jedoch wird im Text kein tauschförmiger Zweck dieser Seereisen angesprochen. Dies ist bis auf wenige Ausnahmen mit Müllers Befund kompatibel, „daß keine Form des Tausches, ob Geschenktausch oder Warenhandel, erwähnt wird“ (Müller 1998, S. 298).

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  23. Müller weist darauf hin, daß in der geometrischen Epoche, aus der die Epen stammen, keine Höfe von solchen Ausmaßen und solchem Reichtum erkennbar sind, wie dies in bezug auf den Hof des Phäakenkönigs beschrieben wird. Er vermutet daher Reminiszenzen an die mächtigen mykenischen Palastwirtschaften (vgl. Müller 1977, S. 302 ).

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  24. Die Frage nach dem erduldeten Leid ist ein Thema, welches sich auch in der sich um die Figur des Parzival rankenden Erzählung findet. Parzival versäumt es bei seinem ersten Besuch in der Gralsburg, die entscheidende Frage nach dem Leiden des Anfortas zu stellen (vgl. Laurin 1999, S. 88 ).

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  25. Es findet sich in der Odyssee kein Hinweis auf eine auf gesellschaftsexternen Tausch bezogene Produktion. Vielmehr werden Güter für den Eigenbedarf produziert (vgl. Müller 1977, S. 299 ).

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  26. Hier ist Müller zu widersprechen, der behauptet, die „feste Eingebundenheit in die Hierarchie des selbstgenügsamen Oikos mit ihren festen Normen“ verhindere und mache überflüssig, „was wir mit persönlicher Identität, Rationalität, vernünftigem Handeln, Einhaltung losgelöster Normen, Moral usw. verbinden”. Auch fir die „Häupter der großen Häuser“ geht er vom „Fehlen einer Autonomie des Ich” aus (Müller 1977, S. 304). Sowohl auf Odysseus wie auf Eumaios trifft diese Einschätzung, wie hier gezeigt wird, jedoch nicht zu.

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  27. Schiffsbau und Schiffahrt errangen einen festen Platz im kulturellen Expansionsdrang: der Seemann besucht ferne Gegenden, überwindet dabei Gefahren und kündet von beidem; seiner Kühnheit gesellt sich die Umsicht des Schiffsbauers bei, die dies Unternehmen technisch möglich macht; seine Hervorbringung, das Schiff, soll Behausung und Siegesgefährt in einem sein“ (Thum 1990, S. 5). Thurn deutet die Tätigkeit von Schiffsbauern und Seefahrern als Fortsetzung der Tätigkeit von „Gärtnern und Hirten jenseits der Stammlande…: sie erweitern die bekannte Erdzone, indem sie entlegene Gefilde erschließen und womöglich der Heimat anfügen; als,Kolonisten` erobern oder gründen sie Siedlungen, derart die Kopfzahl ihrer Reiche mehrend. Der Bedeutung solcher Tätigkeiten entsprechend nimmt sich die nautische Metaphorik im Kulturgeschehen aus: sie ist altüberliefert, weitverzweigt und tiefgründig. Das Schiff dient als Symbol der Lebensreise,…, der Rettung aus Natur-Gefahren,… Die Schiffsreise ist Paradigma auch geistiger Abenteuer, intellektuellen Vorstoßens zu neuen Ufern, der Selbsterprobung und der Selbstfindung” (Thun 1990, S. 5). Gerade auch diese zuletzt genannten Vorhaben werden deutlich, wenn Odysseus die Beweggründe für das Aussenden seiner Gefährten zu den Lotos-Essern oder für seinen Besuch bei den Kyklopen nennt.

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  28. Doch sind Gärtner und Hirte, Schmied und Handwerker, Schiffsbauer und Seefahrer, Erfinder von Fluggeräten und Flieger nicht nur Urgestalten im Grenzbereich von Natur und Kultur, um die sich die historisch grundlegenden Mythen und Sinnbilder ranken, sondern sie verkörpern vor allem auch kulturelle Tätigkeiten, sind dementsprechend Ausgangspunkte von Bewegungsmetaphern. Pflanzen und Ernten, Zähmen und Züchten, Nutzung von Material und Herstellung von Gerät, das Überwinden von Entfernungen zu Land, zu Wasser und in der Luft: dies sind kulturträchtige Ur-Bewegungen des Menschen, daher auch ältester Quellgrund für Metaphern der Kulturprozesse “ (Thurn 1990, S. 8 ).

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  29. Allen Einsichten in fortbestehende Naturbindungen, in den Zwang zum Mängelausgleich sowie in seine körperliche, seelische und geistige Unvollkommenheit zum Trotz galt er sich und seinesgleichen immer wieder als der Schrankenüberwinder, der Welteroberer, der Alleskönner“ (Thurn 1990, S. 2 ). Lars Clausen hat ein innovatives Konzept zur Soziologie der Arbeit — als produktiver und destruktiver Arbeit — entwickelt, welches von Thurn rezipiert wurde (vgl. Clausen 1988 ).

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  30. Müller glaubt, daß diejenigen, die über keinen Oikos verfügt hätten und keinem Hause zugehörig waren, in der homerischen Welt als grundsätzlich vogelfrei galten und rechtlos waren. Er meint dies damit belegen zu können, daß die Freier dem sich als Bettler ausgebenden Odysseus androhten, ihn in die Fremde zu verkaufen (vgl. Müller 1977, S. 304 ). Es handelt sich hierbei um eine gravierende Fehlinterpretation. Denn gerade diese Drohung weist die Freier als gesetzlos und fremdenfeindlich, also als — wie Polyphem in bezug auf den Fremden — entsprechend einer einwertigen Logik denkend aus. Dieses einwertige Denken und Handeln reflektiert sich auch in der Tötungsabsicht gegenüber Telemachos, einer schwerwiegenden Verfehlung in bezug auf das griechische Gastrecht. Unter anderem ist es dieses gesetzlose Handeln, welches Odysseus die Legitimation verleiht, die Freier zu töten.

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  31. Popitz hat mehrere Beispiele zur Machtbildung in sekundär segmentären Gruppen herausgearbeitet, die zu einer Stratifizierung der Gruppen führen können (vgl. Popitz 1992).

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  32. Odysseus hat seinen Namen genau genommen keineswegs vollständig verschwiegen, denn „Niemand“, im griechischen Original „oudeis” oder „udeis“, ist ein Wortspiel zu „Odysseus”. Jedoch ist Polyphem, dessen Sprache noch der Konkretheit verhaftet ist, möglicherweise nicht in der Lage, mit Sprache zu spielen. So kann Odysseus auf die Frage nach seinem Namen formal die Wahrheit sagen, wohl wissend — oder hoffend —, daß Polyphem sie anders verstehen wird als er. Horkheimer und Adorno (vgl. 1969, S. 68) erkennen darin die Geburt des formalen, nominalistischen Denkens, welches den Erfolg des späteren abendländischen Formalismus und damit die Grundlage der technischen Zivilisation vor-prägt. Diesen gedanklichen Ansatz setzen Holling und Kempin fort.

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  33. Müller gerät in Widersprüche, wenn er einerseits den Geschenktausch mit den Göttern anspricht, bei dem die Gaben verbrannt werden und die Zerstörung der Opfergaben damit erklärt, daß sie darauf abziele, eine notwendig zu vergeltende Schenkung zu sein, andererseits jedoch behauptet, daß es an einem individuellen Ich-Bewußtsein fehle und meint, „die Bewirkung aller,individuellen` Handlungen durch,göttliche Kräfte nachgewiesen“ zu haben. Es fehle an der „Trennung von körperlichem und seelischem Bereich” (Müller 1977, S. 310). Gerade die Opferung an die Götter zielt ja auf ihre Beeinflussung, die jedoch manchmal vergeblich sein kann, und wird hier überdies von dem in den beiden Epen mit dem stärksten Ich-Bewußtsein ausgestatteten Individuum, dem listenreichen Odysseus, vollbracht. Odysseus ist ja sogar — wie in der Begegnung mit Polyphem deutlich wird — in der Lage, soviel Ich-Bewußtsein aufzubringen, sich als Niemand zu bezeichnen, und damit um der Sache willen hinter sein Ich zurückzutreten, um sich später, trotz der damit verbundenen Gefahren, als Odysseus erkennen zu geben. Der Auffassung von Müller ist jedoch insofern zuzustimmen, daß in der Odyssee noch eine,magische Beseeltheit’ erkennbar wird, und zwar insbesondere bei Menschen wie Dingen, die als,göttlich` bezeichnet werden (vgl. Müller 1977, S. 311 ).

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  34. Franz Borkenau (vgl. 1984) hat die Bedeutung von Individualität und Subjektivität fir die Entwicklung von Gesellschaften herausgearbeitet. Dieser Aspekt kann hier jedoch nicht weiter vertieft werden.

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  35. Wobei hier jedoch anzumerken ist, daß die jenseitige Welt der Götter im Olymp den Griechen immer noch greifbar nahe erscheint und direkte Interaktionen mit Göttern stattfinden, in denen letztere auch sichtbar werden. Der Raum zwischen Diesseits und Jenseits ist noch ein solcher, in dem Übergänge erfolgen können, er ist noch überschreitbar, sowohl durch geschlechtliche Vereinigungen von Göttern und Menschen als auch durch Götter, die Menschen in menschlicher Gestalt erscheinen. Die jenseitige Welt ist der diesseitigen noch nicht vollständig entzogen. Dies gilt gleichermaßen für das räumlich den Menschen entrückte Schattenreich, den Hades „dort wo die Toten ohne Bewußtsein weilen, die Bilder entschlafener Menschen“ (Homer 1998, 11. Gesang, Verse 475f., S. 187). Das Schattenreich ist betretbar und mit den Seelen der Toten ist noch Kommunikation möglich. Dennoch sind die zentralen Orte der jenseitigen und diesseitigen Welt voneinander segregiert und Götter und Menschen gehören im Kosmos der Griechen unterschiedlichen räumlichen und sozialen Sphären an. Zu den den Olymp bewohnenden und mit Menschen kommunizierenden und auf sie einwirkenden Gottheiten gesellen sich jedoch in der Götterwelt des Odysseus noch die Naturgottheiten, z.B. „Nymphen, welche die steilen Häupter der Berge und die Quellen der Flüsse und grasigen Wiesen bewohnen” (Homer 1998, 6. Gesang, Verse 123f., S. 94).

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  36. Die bei den Lotophagen vorfindbare Einwertigkeit ihrer Logik könnte auch der Struktur von bestimmten sozialen Gruppen, wie z.B. Sekten zugrundeliegen, die ebenfalls zum Ziele haben, das in sie eingetretene oder zum Eintritt überredete Individuum seiner

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  37. Eine systematische Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus kann an dieser Stelle nicht geleistet werden und muß späteren Arbeiten vorbehalten bleiben. Insbesondere geht es hier nicht um eine Ursachenanalyse der Entwicklung zum und im Nationalsozialismus — solch ein Unternehmen würde den hier gesetzten Rahmen sprengen —, sondern darum, wie die sekundäre Stratifizierung und Segmentierung wirkt und welchen Widerständen sie begegnet.

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  38. Zur Vernichtung fremder Objekte vgl. auch Stagl 1997, S. 103.

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  39. Besonders in einer Ausgabe der Geologischen Rundschau (vgl. 1942), wird versucht, das,richtige Gegengift’ einzusetzen, indem eine ausführliche Darstellung historischer, sehr heterogener Persönlichkeiten in der Geologie erfolgt und das Wissen um diese Vielfalt der Begründer des Faches auch aufzeigt, daß eine „Uni-Formierung des Geistes“ (Prahl 1995) auch in Gegenwart und Zukunft nicht erwünscht ist.

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  40. Das „Zusammenspiel von Selbst-Gleichschaltung aus der Hochschule heraus und Gleichschaltung von oben“ (Prahl 1995, S. 31) kennzeichnet die eigentümliche Widerstandslosigkeit der gleichgeschalteten funktionalen Bereiche.

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  41. Diese Einschätzung wird durch die Ausführungen von Cloos in dem ersten nach Ende des zweiten Weltkriegs erschienen Band unterstrichen: „Es entsprang auch nicht nur dem ursprünglichen Plan und Geiste unserer Vereinigung, wenn die Unterschiede und Gegensätze zwischen,In: und Ausland` so gut wie irgend möglich unkenntlich blieben: Es war die einfache und selbstverständliche Haltung einer Wissenschaft, die mit überzeitlichen und beinahe unbegrenzten Gegenständen zu tun hat und unter deren Dienern es nicht an solchen fehlte, die durch sachliche und unbestechliche Arbeit an dem, was sie verstehen, den sichersten Halt und den wirksamsten Widerstand gegen die Tendenzen der Zerstörung zu leisten glaubten“ (Cloos 1948, S. 3).

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  42. Diverse Gedenkveranstaltungen, so zum 25. Todestag 1976 (Krefeld und Salzburg) und zum 100. Geburtstag 1985 ( Bonn und Magdeburg) symbolisierten seine Bedeutung.

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  43. Auch hierauf bezieht sich Cloos in dem von ihm 1948 verfaßten Vorwort: „Freilich: wir sind uns voll und dankbar bewußt, daß es nicht gelungen wäre, durchzuhalten, wenn nicht einige wahrhaft gute Freunde in den von dem mitteleuropäischen Unglück nicht

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  44. Zu dieser 1942 publizierten, eindeutig formulierten Stellungnahme an die in-und ausländischen Geologen bietet Cloos 1948 folgende Deutung an, die das Selbstverständnis des Vorgehens ausdrückt: „Es war uns auch nur natürlich, daß aus den Reihen unserer ehrlichen Mitarbeiter und Mitglieder kein einziger ausgeschlossen wurde aus Gründen, die nichts mit Wissenschaft zu tun hatten, ja deren Lehren aufs schärfste widersprachen. Wo wir nicht offen zu ihnen halten konnten, ohne den Fortbestand unserer Arbeit unmittelbar abzuschneiden, haben wir dafür gesorgt, daß der innere und sachliche Zusammenhang bewahrt blieb“ (Cloos 1948, S. 3). Hier zeigt sich das Insistieren auf Aufrechterhaltung funktionaler Differenzierung, darauf, die Auswahl der Mitglieder weiterhin lediglich auf fachliche Kriterien zu richten. Die Form der Inklusion entspricht also (vgl. Luhmann 1998) derjenigen funktional ausdifferenzierter Systeme und Teilsysteme.

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  45. Zur Absicherung meines Befundes habe ich die Textstelle: „Der Felsklotz…“ Herrn Dr. rer. nat. Peter Raase (Mineraloge), (Mineralogische Abteilung, Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) vorgetragen, der die Ausdrucksweise ebenfalls nicht der geologischen Terminologie gemäß fand. Er vermutete, der Aufsatz sei an ein Laienpublikum gerichtet gewesen. — Die Geologische Rundschau war jedoch bereits zur Zeit der Schriftführerschaft und Mitherausgeberschaft von Hans Cloos (ab 1931) eine renommierte Fachzeitschrift. Es wäre zumindest zu erwarten gewesen, daß sich Cloos von diesen Formulierungen in einer Fußnote distanziert hätte, wenn sie nicht — entsprechend meiner These — etwas ganz anderes ausdrücken sollten, zumal er zwei geologisch angereicherte, präzise in der Fachsprache gehaltene Fußnoten zu dem Artikel verfaßt hat, in denen auf einschlägige, weiterführende Literatur verwiesen wird.

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  46. Ob Cloos bei der Verwendung des Begriffes „Felsklotz“ auf die von Odysseus dem Polyphem zuteil werdende Bezeichnung „Klotz” (und damit über die Vernichtungslogik des Polyphem auf die menschenverachtende Vernichtungspolitik von Hitler und des ihm umgebenden Partei-und Staatsapparates) angespielt hat, ist voraussichtlich nicht mehr nachprüfbar. Es erscheint jedoch angesichts seiner Charakterisierung von I. und E. Sei-. bold als Intellektuellen nicht gänzlich ausgeschlossen, daß er sich solcher literarischer Metaphern bedient hat. halten den wir gehen. Die Zukunftsrechnung ist eine Gleichung mit Millionen Unbekannten, die zu lösen wir erst garnicht versuchen sollen. Statt über die Zukunft zu meditieren sollen wir für sie handeln, indem wir für sie bereitstellen, was aus Gegenwart und Vergangenheit als Fundament und Keim verwendbar ist. Denn,jede Entwicklung, auch die rascheste, setzt das Anknüpfen an Gegebenes voraus’. Das Bleibende im Wechsel der Dinge müssen wir als Wideranknüpfungspunkte herausschälen, daran gilt es anzusetzen. Auf der Suche nach Wiederanknüpfungspunkten schaun wir zurück in die Vergangenheit unsrer Wissenschaft. Dabei ist es freilich nicht so sehr der historische Werdegang der Geologie, den wir systematisch studieren. Dazu haben wir jetzt keine Geduld, dazu auch fehlt uns die Kontinuität der Entwicklung. Zu vieles ist abgebrochen und zerschlagen. Vielmehr suchen wir die Anknüpfungspunkte bei historischen Einzelbeispielen, denen wir nachgehen wie uns grade der Zufall mit ihnen zusammenführt….Bei den Quellen für unsre Betrachtungen beschränken wir uns keineswegs auf Werke über die Geschichte der Geologie und auf die Veröffentlichungen der Forscher, planlos blättern wir in Handschriften, die uns mit den Menschen selbst, mit ihrem Leben und Sterben in unmittelbare Berührung bringen, hier und da haftet der Blick und auf gut Glück folgen wir ohne Verpflichtung zu erschöpfender Vollständigkeit den Gedanken, die zufällig da oder dort angeregt werden.Solche Handschriften von und über Geologen und geologische Probleme sind wichtige Quellen der Geologie. Viele sind weit verstreut und können nicht ausgewertet werden, ja nicht wenige sind ständig gefährdet in falsche Hände zu kommen und verlorenzugehen“ (Cloos 1942c, S. 85 — 87, Zeichensetzung wie imOriginal — EMG).

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  47. Eine am 20. 3.2000 durchgefihrte Recherche im Karlsruher Universitätsverbund für den gesamten deutschsprachigen Raum [Bundesrepublik Deutschland, Österreich und Schweiz] ergab keinerlei Hinweise (ergebnislos recherchiert wurden die Sachworte Geologie/Nationalsozialismus; Paläontologie/Nationalsozialismus; Fossil/Hitler).

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  48. Ich dokumentiere dieses Beispiel so ausführlich, weil man nur selten Zeitzeugen findet, die den Umschlag zwischen Polykontexturalität und Zwei-oder Einwertigkeit in bezug auf das Wissenschaftssystem so genau, eindrucksvoll und in fast poetischer Sprache darstellen.

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  49. Für eine Verbundkontextur genügen nach Günther zwei entsprechend einer zweiwertigen Logik operierende Subjekte, die ein Objekt zum gemeinsamen Gegenstand ihres Gesprächs machen. Wird jedoch die gemeinsame Beziehung thematisiert, können drei Subjekte erforderlich werden, wenn die Beziehung selbst zum Objekt der Thematisierung wird. Da die Beziehung sich im Laufe ihrer Thematisierung ändert, changiert die Thematisierung zwischen einer Phase, in der sie sich im Gespräch selbst zum Objekt wird und einer solchen, in der sie sich transformiert und sich hierdurch nicht selbst zum Objekt werden kann. Diesen Prozeß formal-logisch exakt zu fassen, bedürfte es einer komplexen Anwendung der transklassischen Günther-Logik.

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  50. Dies jedoch nachzuweisen, bedürfte es einer größeren empirischen Studie, in der versucht werden müßte, noch entsprechende Zeitzeugen oder Kinder derselben zu finden, denen über diese Fragen berichtet worden ist. Jedoch bestünde auch, da dieser Weg angesichts des Zeitraums, der seit der Herausgabe dieser Zeitschriften vergangen ist, wenig ertragreich sein könnte, die Möglichkeit, dies zumindest teilweise aus der Geologischen Rundschau selbst und aus anderen noch verfügbaren Schriften zu erschließen, z.B. aus der Zitation (auf wen wird in welchen Zusammenhängen verwiesen), aus Portraits geologischer Institute, aus der Vorstellung von zeitgenössischen oder früher lebenden geologischen Persönlichkeiten und aus den Nekrologen.

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Geenen, E.M. (2002). Theorie im Härtetest — exemplarische Anwendungen. In: Soziologie des Fremden. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11436-9_5

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