Zusammenfassung
Politische Partizipationsnonnen sind ein konstitutives Element demokratisch verfaßter Gesellschaften. Idealiter soll das System politischer Willensbildung in der Lage sein, gesellschaftliche Interessen zu repräsentieren und konsensfähige, kollektiv bindende Entscheidungen zu treffen. Erwartet wird von den Individuen, daß sie die Institutionen des ausdifferenzierten politischen Systems als legitimen gesellschaftlichen Cht von Politik anerkennen und in der Folge die dort vorgesehenen Partizipationschancen wahrnehmen.
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Referenzen
Die Frage nach den angemessen Begriffen für die Analyse der zugrundeliegenden Phänomene ist in der politischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung kontrovers. Die einschlägige Debatte kann hier nicht aufgearbeitet werden. Daß im folgenden von Fremdenfeindlichkeit die Rede ist, ist vor allem darin begründet, daß dieser eher diffuse Terminus es erlaubt „die vielfältigen und objektunspezifischen Manifestationen von Vorteilen als verzweigte Einheit“ (Institut für Sozialforschung 1994, 14) zu benennen und damit analytisch offener ist als wissenschaftliche Rassismusbegriffe einerseits, der politisch-rechtliche Rechtsextremismusbegriff andererseits; vgl. zum Begriff Rassismus Kalpaka & Räthzel 1990 sowie Claussen 1994.
Statistisch und analytisch ebenso bedeutsam wie sozialstrukturelle sind in bezug auf fremdenfeindliche Gewalt geschlechtsspezifische Unterschiede. Diese sind hier jedoch kein zentraler Gesichtspunkt der Analyse; vgl. dazu u. a. Silier 1994.
Dies heißt jedoch selbstverständlich nicht, daß ausschließlich bei formal gering Gebildeten Affinitäten zu fremdenfeindlichen Orientierungen vorzufinden sind. Evident ist zunächst nur ein Unterschied der Formen, in denen fremdenfeindliche Positionen bezogen werden. Während die Wahl rechtsextremer Parteien einschließlich der Republikaner und die Anwendung direkter Gewalt sichtbare Formen sind, die öffentliche und wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sind andere Formen der Fremdenfeindlichkeit solcher Aufmerksamkeit eher entzogen; vgl. dazu Grimm & Ronneberger 1994.
Dieses methodische Vorgehen rechtfertigt sich dadurch, daß hier, auf der Grundlage der zunächst erstellten sequentiellen Fallanalysen, fallvergleichend einer spezifische Fragestellung verfolgt wird. Es wäre zudem forschungspraktisch schlicht nicht zu leisten, einen umfassenden Vergleich von ca. 40 detaillierten Einzelfallanaylsen zu verfassen. Ein solcher wäre auch schon aufgrund seines Umfangs kaum noch rezipierbar.
Dieser Zeitpunkt der Datenerhebung ist für die Interpretation außerordentlich relevant. Denn im November 1991 war der Themenkomplex Asyl- und Ausländerpolitik durch die Asyldebatte der politischen Parteien einerseits, durch die Eskalation der Gewalt andererseits, zu einem Focus politischer Debatten geworden, die nicht nur im Bundestag, den Parteien und den Massenmedien, sondern auch an Stammtischen geführt wurde. Damit war eine Themenkonjunktur etabliert, der sich auch diejenigen kaum mehr entziehen konnten, die in „normalen“ Zeiten politische Themen nicht oder kaum zur Kenntnis nehmen (vgl. Nunner-Winkler 1991).
Dies stellen auch Kudera u.a. (1975) in einer Befragung von Industriearbeitern fest.
Im Unterschied zu der Erstverschriftung der Interviews, die den Interpretationen zugrundelag, wird im folgenden im Interesse der besseren Lesbarkeit eine die dialektsprachlichen Formulierungen der Schriftsprache annähernde Form der Transkription gewählt. Auch der Sachverhalt, daß die Auszubildenden durchgängig im Dialekt sprechen, während nahezu alle Studenten sich aber der Hochsprache bedienen, indiziert eine Form der sozialen Zuordnung und Unterscheidung. Die Beherrschung der Umgangssprache gilt in der Region, der die Auszubildenden entstammen, als Ausweis von Bildung und Modernität, da hier eine Konstruktion regionaler, soziale Differenzen übergreifender Identität durch Dialektsprachgebrauch nicht mehr gängig ist.
Als methodische Kritik der Einstellungsforschug lesenswert ist nach wie vor die Arbeit von Berger 1972.
Selbstverständlich wurde den Auszubildenden zu Beginn der Feldforschungsphase auch mitgeteilt, daß es sich um ein Forschungsprojekt handelt, das an politischen und beruflichen Orientierungen Jugendlicher interessiert ist.
Dieses Problem hat Holzkamp (1994) in bezug auf Konzepte einer antirassistischen politischen Bildung analysiert.
Dies gilt auch in Arrangements der schulischen und außerschulischen Bildung. Wer sich auf die Regeln des Unterrichts eiuläßt, unterwirft sich deshalb der Bewertung seiner Kompetenz durch den Lehrer und wird solche Unterwerfung möglicherweise genau aus diesem Grund zu vermeiden versuchen..
Daß Gewerkschaften für Auszubildende kein politisches Sozialisationsmilieu mehr sind, vermuten auch Held, Horn und Markavis (1994) aufgrund des Sachverhalts, daß sich jugendliche Gewerkschaftsmitglieder in einer Repräsentativbefragung als signifikant nationalistischer erweisen als Nicht-Mitglieder.
Zum Konzept der imaginären Gemeinschaft’s. Giesen 1991, 198ff. sowie Bommes & Scherrl991.
Die Universität Karlsruhe, an der wir unsere Befragung durchgeführt haben sieht keine verpflichtenden gesellschaftswissenschaftlichen Studienanteile, sondern lediglich ein fakultatives Studium Generale vor.
Vergleichbar mit dem Asyldiskurs handelt es sich hier um eine politisch inszenierte und massenmedial transportierte Debatte, die Wahrnehmungen und Argumente bereitstellt, die individuell aufgegriffen werden können. Auch hier wäre eine wissenssoziologische Analyse erforderlich, die den sozialen Konstruktionsprozeß des Problems aufdeckt.
Mitarbeiter der ursprünglich ehrenamtlichen Initiative waren und sind ausschließlich Gymnasiasten, Studenten und Hochschulabsolventen.
Dies verweist zurück auf eine lange Tradition der Kritik des Politikbegriffs in den außerparlamentarischen sozialen Bewegungen, die in der Bundesrepublik mit dem Postulat feministischer Fraktionen der 68er-Bewegung „Das Private ist politisch!“ populär wurde.
Mechanismen solcher Selbstausgrenzung sind sowohl bei Willis (1977) als auch bei Bourdieu (1984) beschrieben.
Ihre Bewerbung bei einem Unternehmens eines Elektrokonzerns wurde mit dem Argument abgelehnt, daß sie als Mädchen für diesen Beruf nicht geeignet sei.
Daß die Wahlforschung und Studien zur fremdenfeindlichen Gewalt dies gleichwohl nahelegen, wurde bereits dargestellt.
Siehe dazu v.a. Hennig 1991.
Fremdenfeindlichkeit wird im folgenden als ein Begriff gebraucht, der Praktiken, Begründungen und Rechtfertigungen der Ungleichbehandlung von nach Staatsangehörigkeit, Kultur oder Rasse unterschiedenen Menschengruppen bezeichnet, die mit der Zuschreibung negativer Eigenschaften an diese Gruppen einhergehen.
Auch Held, Horn und Markavis (1994) weisen darauf hin, daß das formale Bildungsniveau ein relevantes Unterscheidungskriterium bezüglich der Ausprägung nationalistischer bzw. rassistischer Orientierungen bei den Auszubildenden ist. Zudem verschränken sich Aspekte des Bildungsniveaus mit unterschiedlichen Berufskulturen, die es problematisch machen, z. B. von Auszubildenden im Buchhandel und solchen in der Automobilinstrie als einer homogehenen sozialen Gruppe zu sprechen.
Diese wird hier deutlich von psychologischen bzw. sozialpsychologischen Konzepten unterschieden, wie sie z. B. von Kalpaka & Räthzel (1989) in Anschluß an die kritische Psychologie Holzkamps sowie von Leiprecht (1991) und von Bielefeld (1991) vorgelegt wurden.
Zur Begründung dieser Annahme siehe die Ausführungen im Kapitel 1 und Dewe & Scherr 1990 sowie als klassische Studie Willis 1977. Die inzwischen gängige Kritik der klassentheoretischen Ansatzes des CCCS übersieht meines Erachtens, daß die Gültigkeit einer Interpretationsperspektive, die kulturelle Formen auf soziale Lebensbedingungen bezieht, nicht davon abhängt, daß diese mit klassentheoretischen Begriffen beschrieben werden.
Dies führt dazu, daß viele der am Fließband Arbeitenden im Handwerk ausgebildete Fachkräfte sind, die wegen der höheren Löhne in diesen Betrieb wechselten.
Dies hat sich seit der Befragung erheblich geändert; der Automobilkonzern hat einen massiven Arbeitsplatzabbau angekündigt und zum Teil bereits realisiert.
Ein umfangreicher Versuch subjektive Gründe von Fremdenfeindlichkeit bei abhängig beschäftigten Jugendliche zu untersuchen, liegt bei Leiprecht (1990; vgl. Leiprecht 1992) vor. Ohne diesen Ansatz hier ausführlich diskutieren zu können, der zu durchaus ähnlichen Interpretation der Argumentationsmuster Jugendlicher gelangt, ist auf einige Differenz zum hier beanspruchten Vorgehen hinzuweisen: Im Unterschied zur vorliegenden Untersuchung lehnt sich Leiprecht eng an das Programm der Kritischen Psychologie und neuere Theorien des Rassismus an. Dies begründet eine Interpretationsperspektive, die zentral an der „subjektiven Funktionalität“ von Rassismus und Ethnozentrismus interessiert ist. Angenommen wird dort eine doppelte Funktionalität rassistischer bzw. ethnozentristischer Orientierungen, nämlich einerseits für die Stabilisierung gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse und andererseits für das aktive Sich-Einpassen von Individuen in gesellschaftliche Lebensverhältnisse, in denen ihre Möglichkeiten selbstbestimmten Handelns eng begrenzt sind. Solche Funktionalität wird hier dagegen nach beiden Seiten hin nicht unterstellt. Vielmehr fragen wir nach den Möglichkeiten, die fremdenfeindliche Denkweisen für die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenssituation beinhalten, ohne zu postulieren, daß diese — aus der Außenperspektive der sozialwissenschaftlichen Interpreten — kurzfristig funktional oder langfristig selbstschädigend sind. Wir unterstellen lediglich, daß es sich um Formen der subjektiv-sinnhaften Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenssituation handelt, deren Aufgreifen für die Auszubildenden in einer bestimmen gesellschaftsgeschichtlichen Situation und in der durch den Forschungszusammenhang erzeugten Interaktionssituation attraktiv ist.
Die rechtlichen und wissenschaftlich gebräuchlichen Unterscheidungen von politischen Flüchtlingen, Arbeitsmigranten, Bürgerkriegsflüchtlingen usw. werden von den Auszubildenden nicht konsequent durchgehalten.
Auf die differenzierten rechtlichen Abstufungen des Arbeits- und Aufenthaltsrechts ist hier nicht einzugehen.
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Scherr, A. (1995). Politische Handlungskompetenzen der Auszubildenden und Studenten. In: Soziale Identitäten Jugendlicher. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11403-1_3
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-1379-8
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