Zusammenfassung
„Interessenkonflikte unter den Menschen werden ... prinzipiell durch die Anwendung von Gewalt entschieden“, schrieb Sigmund Freud im Jahre 1932 an Albert Einstein (Freud 1974: 276). Der Schutz des Menschen gegen die Natur, die Regelung der Beziehungen der Menschen untereinander und die Ablösung von Sozialbeziehungen, die auf bloßer physischer oder technischer Gewalt beruhen, seien, formulierte Sigmund Freud in „Das Unbehagen in der Kultur“ 1929, die wesentlichen Kulturleistungen des Menschen (Freud 1974: 220): „Die Ersetzung der Macht des Einzelnen durch die der Gemeinschaft ist der entscheidende Schritt“ (Freud 1974: 225).
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Literatur
Als Staat definiert Weber einen „politischen Anstaltsbetrieb ... wenn und soweit sein Verwaltungsstab erfolgreich das Monopol legitimen physischen Zwanges für die Durchführung der Ordnungen in Anspruch nimmt“ (Weber 1972: 29).
Der Begriff des policing ist nicht übersetzbar. Versuche, ihn einzudeutschen („polizieren“ Lüdtke 1992: 26) verletzen mehr das Sprachgefühl, als dass sie zur Verdeutlichung des Gemeinten beitragen. Je nach Zusammenhang ist damit, neben der Beschreibung der klassischen Aufgaben der Polizei und der Ordnungsverwaltung, die institutionelle Kontrolle der Regeln und Vorschriften und, bei Missachtung oder Fehlverhalten, die Verhängung von Sanktionen und der Einsatz verschiedener Zwangsmittel gemeint. Jones/Newburn (1998: 18f.) definieren policing als “those organised forms of order maintenance, peace keeping, rule of law enforcement, crime investigation and prevention and other forms of investigation and associated information-brokering — which may involve a conscious exercise of coercion power — undertaken by individuals or organisations, where such activities are viewed by them and/or others as a central or key defining part of their purpose.”
über Gewalt als soziales Handeln sagt Weber freilich wenig. Andere Gewalt, die nicht Bestandteil des Gewaltanspruchs des Staates ist, wie zum Beispiel personale, soziale oder kulturelle Gewalt, lag außerhalb der Betrachtung (vgl. Trotha 1997: 12).
So hatte es der spätere preußische Reformer Freiherr Karl August von Hardenberg (1750–1822), als er im Jahre 1790 Minister des preußischen Staates Ansbach-Bayreuth mit etwa 400.000 Einwohner wurde, damit zu tun, dass dieses kleine Lande von mehr als zwanzig Jurisdiktionen aus Fürstentümern, Herzogtümern, Reichsstädten, Kirchengütern und verschiedenen Gerichtsbarkeiten von Reichsrittern durchbrochen wurde (Bendix 1980, Bd.II: 269).
In der Mark Brandenburg existierten am Ende des 18. Jahrhunderts fast 600 Patrimonialgerichte, die sowohl in Zivilsachen als auch bei minder schweren kriminellen Delikten Recht sprachen. Vorsitzender war ein vom örtlichen Gutsbesitzer bezahlter „Gesamtrichter“ oder Rechtskundiger aus einer nahen Stadt (Carsten 1988: 59).
Historisch waren Riots, ungesetzliche Zusammenrottung, Schlägereien und Raufhändel Gegenstand des Common law, nicht der Strafgesetzgebung. Vor dem Gesetz von 1715 galten solche Handlungen nur als Vergehen.
Hier ging es um die Rechte der katholischen Minderheit. Eine anti-katholische Bewegung unter dem protestantischen Politiker Lord George Gordon geriet außer Kontrolle und führte zu heftigen Auseinandersetzungen in London mit etwa 300 Toten.
Die mehr als 10.000 Soldaten und Milizangehörigen konnten während der Gordon Riots unter anderem auch deswegen wenig ausrichten, weil die zivilen Behörden nicht in der Lage waren, den Einsatz zu leiten und zu koordinieren, sodass die Unruhen trotz massiver Militärintervention erst nach etwa zwei Wochen ein Ende fanden (Palmer 1988: 75ff.).
Yeoman war im mittelalterlichen England ursprünglich der Freie mit erblichem Lehnsbesitz, später jeder Freibauer, dann auch der Pächter. Während der Kriege gegen Frankreich stellten die Yeomen eine freiwillige Reitertruppe. Im 19. Jahrhundert wurde die Yeomanry in eine Territorialmiliz umgewandelt.
James Madison hat in den Diskussionen der Federal Convention 1887 die Gefahren gesehen, die vor allem von der Sklaverei (“the most oppressive dominion ever exercised by man over man”), aber auch von anderen Formen der Unterdrückung für das politische Gemeinwesen ausgingen (zit. nach: Burt 1995: 40).
Errichteten diese Gemeinschaften eine Art Tugenddiktatur, wie in Massachusetts oder in New Hampshire, dann blieb nur das „Exil“ in einen anderen Staat, wie zum Beispiel das religiös tolerante Connecticut, oder, wie im Falle von Rhode Island, die Gründung eines eigenen staatlichen Gebildes (Konbitz/Rossiter 1958: 9).
Vigilante-Gruppen werden als „organized, extra legal movements“ bezeichnet, deren Mitglieder das Recht in ihre eigenen Hände nehmen (Brown 1979a: 153).
Die erste solche Gruppe war 1767 die South Carolina Regulators in Piedmont, South Carolina, die sich als Antwort auf das Fehlen jeder Gesetzlichkeit in der Frontier Region gebildet hatte. über 300 solcher Gruppen sind bekannt (Brown 1979a).
Ein Beispiel ist das Illinois Regulator Movement 1841, das sich gegen Outlaw-Gangs zur Wehr setzte (Brown 1979a).
Der berühmteste private Sicherheitsdienst war die von Allan Pinkerton (1819–1884) im Jahre 1850 gegründete erste Detektei, die Pinkerton’s National Detective Agency. Pinkertons Dienst entwickelte sich zu einer einflussreichen privaten Sicherheitseinrichtung, die für private Firmen und die Regierung arbeitete. In den folgenden Jahrzehnten gewann er auch einen erheblichen politischen Einfluss. So organisierte er im Amerikanischen Bürgerkrieg den Geheimdienst der US-Armee. Notorisch bekannt war seine Agentur als eine Art Kampfgruppe bei sozialen Auseinandersetzungen, die 1877 während eines großen Eisenbahnerstreiks und bei anderen Gelegenheiten Streikbrecher bereit stellte. Seine Erfahrungen hielt Pinkerton in „Strikers, Communists and Tramps“ (1878) und „Thirty Years a Detective“ (1884) fest.
Dies bedeutet nicht, dass Staaten völlig auf die Unterstützung privater „Subunternehmer“ verzichtet hätten, nur wurden diese entweder von staatlichen Agenturen direkt beschäftigt — wie die französische Légion étrangère — oder, mit mehr oder weniger stillschweigendem Einverständnis staatlicher Stellen, als Söldner angeheuert. Als solche arbeiten sie entweder im Rahmen eines staatlichen Verbandes, oder auf der Grundlage einer Art Lizenz zur Gewaltausübung zu einem bestimmten politischen Zweck. Ins Extrem gesteigert wird dieses Prinzip bei den staatlich geduldeten oder oft auch heimlich finanzierten und gesteuerten „Todesschwadronen“, die viele Staaten in Südamerika unsicher machen.
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Glaeßner, GJ. (2003). Öffentliche Sicherheit und staatliches Gewaltmonopol. In: Sicherheit in Freiheit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11360-7_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11360-7_4
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