Zusammenfassung
Türk und Stolz stellen zwar die kapitalistische Organisation ins Zentrum ihrer Überlegungen, diese wird aber in ihren historischen Kontext gestellt, der die Wurzeln und Vorläufer moderner Organisationen beleuchtet. So findet sich der Topos der Ordnung als Grundlage disziplinierender Organisationen in frühen Einrichtungen wie Armen- und Zuchthäusern, Militär oder Gefängnissen, bezieht sich aber noch auf den zentralistischen Staat und läßt keine freien Vereinigungen zu, die den Weg zum privaten Unternehmen bereiten (Türk 1993,305; vgl. Foucault 1989). Gerade Foucault macht deutlich, daß sich „Ordnung“ mit Organisation zum Zweck der Disziplin verband, ohne daß eine gewinnorientierte Haltung Voraussetzung war. Aber erst mit der weiteren Durchsetzung kapitalistischen Wirtschaftens konnte sich Disziplin allgemein etablieren, indem sie eine neue ökonomische Basis bekam: die der Investition in die Arbeitskraft (Treiber & Steinert 1980,96). Als materielle Grundlage der Disziplin diente indessen schon immer die Existenz sozialer Arrangements, in erster Linie „totaler Institutionen“ (Goffman 1973). Diese Vorläufer moderner Organisationen zeigen auch, daß „Organisation“ dem „Markt“ logisch und historisch vorausgeht. „Erst Zurichtung, Disziplinierung, gewaltsame Kasernierung, reelle Subsumtion, Mehrwertproduktion (Krankenhaus, Zuchthaus, Irrenanstalt, Manufaktur, Fabrik, Militär, Staatsverwaltung...), dann erst der Ruf nach „freier Marktwirtschaft“, formaler Rechtsstaatlichkeit, Liberalisierung der gesellschaftlichen Verkehrsformen etc.“ (Stolz & Türk 1992, 167). Unter „Mehrprodukt“ fällt dabei — über Marx’ Verständnis des Mehrproduktes hinausgehend — auch die Herstellung bindender Entscheidungen, Einübung militärischer Schlagkraft oder Lernarbeit. Das bedeutet, daß sich Herrschaft durch Organisation nicht auf den Bereich betrieblicher Warenproduktion beschränkt, sondern auf die Totalität der subsumierten Lebensbereiche bezogen ist, so daß organisational vermittelte Exploitation produktiver Lebenstätigkeit ebensogut durch öffentliche Verwaltung, Verbandsbildung, Schule oder Gefängnis stattfindet (Stolz & Türk 1992,142). Zur Kapitalakkumulation wird dabei nicht direkt, sondern in Zuarbeiterfunktion verholfen. Entscheidend ist die Sicherstellung der Disziplinierung der kooperierenden Subjekte — eine These, die Foucaults Diktum der Vergleichbarkeit aller Organisationen folgt, die darauf beruht, daß sich Bio-Macht diversifizierte und auf ganz verschiedene Organisationen ausbreitete.
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Rastetter, D. (1994). Von der Unterdrückung zur Verwertung der Sexualität. In: Sexualität und Herrschaft in Organisationen. Beiträge zur psychologischen Forschung, vol 33. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11355-3_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11355-3_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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