Zusammenfassung
Der Begriff „Menschlichkeit“ nimmt innerhalb der Bildungslehre als derjenige Leitgedanke, der in systematischer Weise „das Pädagogische“ umgreift, eine zentrale Rolle ein; die Menschlichkeit bilde die „transzendentale Idee“ der Pädagogik (PaB 18). Die Notwendigkeit einer solchen Idee für die Pädagogik formuliert Theodor Ballauff im Anschluß an Kants „Kritik der reinen Vernunft“, in der Kant die Wissenschaft als einen systematischen Komplex bestimmt, der je schon eine Idee vom Ziel, vom Maß und von der Grenze der Wissenschaft enthält und der auf diese Weise die Zuordnung von Phänomenen und Problemen zum Bereich der Wissenschaft ermöglicht (KrV B860, vgl. dazu auch Ruhloff in Fischer/Ruhloff 1993, insbesondere 59 und 62). Ohne eine solche ,Zuordnungsvorschrift‘ ließe sich nicht angeben, welche Phänomene und Gegenstände überhaupt als pädagogisch zu bezeichnen sind. Es ist diese ermöglichende Funktion der Idee, der Ballauff sich zuwendet und auf die er den Begriff „transzendental“ bezieht.
„Der Mensch ist die Ideologie der Entmenschlichung.“
Adorno
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Literatur
Vgl. darüber hinaus: „Das Problem des Lebendigen“ (1949), „Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. Zu dem gleichnamigen Werk von Arnold Gehlen” (1953), „Die Biologie und ihre Geschichte“ (1956),,.Moderne anthropologische Konzeptionen und ihre Kritik” (1982).
Die Darlegungen aus der,Bildungslehre` eignen sich besonders, da dort am stärksten der Zusammenhang von Pädagogik und Menschlichkeit Beachtung findet.
Diese Unterteilung soll einen kurzen und knappen inhaltlichen Aufriß der Anthropologiekritik ermöglichen, der sich auf das Nötige beschränkt. Eine ausführliche Darstellung der Anthropologiekritik findet sich bei Helmut Heim (Heim 1993, 65ff.).
Vgl. auch die Stufentheorie, die Ballauff analog kritisiert (UA 17).
Vgl. A. Portmann 1956, 23ff. (zitiert bei Ballauff: UA 19).
Senecas Übersetzung der aristotelischen Definition „noon logon echon“ aus der „Politik” (vgl. 1253 a).
Als wichtige Analysen dieser Thematik bei Heidegger sind die Studie von lgnatow (1979) und der Aufsatz Fahrenbachs zum Problem der philosophischen Anthropologie (1970) zu nennen, die für die vorliegende Darstellung besonders wegweisend gewesen sind.
Vgl. die erhellende Charakterisierung der heideggerschen Philosophie durch Levinas (SpA 57)
Vgl. SZ 50. Auch hier ist wieder eine starke Übereinstimmung zu Ballauff zu sehen, der von der Vorausgesetztheit einer Anthropologie in der Anthropologie spricht.
Weitere Seinsweisen, deren Analyse noch aussteht, werden von Heidegger in „Sein und Zeit“ genannt: das Sein des Tieres, die Seinsweise des Mythos und der Sprache (vgl. hierzu Thurnher 1986, 37).
Vgl. SZ 45. An dieser Stelle wird deutlich, welcher methodische Anspruch an „Sein und Zeit“ besteht. Der Text darf sich nicht als eine losgelöste Abhandlung begreifen, sondern muß die Tatsache, daß die eigene Unternehmung Teil der Untersuchung ist, einbehalten. Dies trägt nicht zuletzt dazu bei, daß die von Heidegger angesetzte Destruktion der Tradition auch immer droht, „Sein und Zeit” zu erfassen und am Ende von „Sein und Zeit“ die Frage nach der Angemessenheit des begangenen Denkweges bestehen bleibt.
In „Sein und Zeit“ klingt diese Argumentationsweise Heideggers bereits an, da die Verfehlung der anthropologischen Theorien durch ihre Ausrichtung an der traditionellen Anthropologie erklärt wird.
Entsprechend dieser Deutung läßt sich leicht nachvollziehen, wie an die Anthropologiekritik von „Sein und Zeit“ angeknüpft wird: Dort ist gezeigt worden, daß die anthropologischen Theorien über ihre eigene anthropologische Betätigung nicht reflektieren und sie sich immer schon von einer bestimmten (nämlich dingontologischen) Vorstellung leiten lassen (das Setzen wie in animal rationale ist „die Art der Metaphysik”; HB 13).
Dieses Fazit widerspricht einer separistischen Einstellung bezüglich der Philosophie Heideggers gegenüber den Humanwissenschaften. Meines Erachtens legt gerade „Sein und Zeit“ nahe, daß aus dem Denken Heideggers Folgen für die Humanwissenschaften ableitbar sind.
Diese dominante Vereinseitigung hat ihrerseits nach Meyer-Drawe eine „Abstraktion der menschlichen Wirklichkeit“, eine Hierarchisierung der Seinsbezüge und die Verdeckung von deren Vielseitigkeit zur Folge (vgl. Meyer-Drawe 1980, 69f.).
Vgl. ebd. Es ist interessant, daß Schaller das Unzureichende der heideggerschen Philosophie betont, um zu einem pädagogischen Ansatz zu gelangen und trotz seiner Bezugnahme auf Meyer-Drawe nicht Stellung dazu nimmt, daß Meyer-Drawe vor dem Hintergrund der heideggerschen Philosophie die Unzulänglichkeiten von Ballauffs Konzept herausstellt.
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Thompson, C. (2003). Die Kritik an der Anthropologie. In: Selbständigkeit im Denken. Schriftenreihe der Kommission ‚Bildungs- und Erziehungsphilosophie‘ der DGfE. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11351-5_2
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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