Skip to main content

Empirischer und methodischer Bezugsrahmen

  • Chapter
  • 280 Accesses

Part of the book series: Studien zur Schul- und Bildungsforschung ((SZSBF,volume 17))

Zusammenfassung

Sucht man im Umfeld der Thematik „Schule und Schülerbiographie“ nach Bezugsstudien, dann wird man mit folgender Widersprüchlichkeit konfrontiert. Einerseits sind Schule und die sich darin vollziehenden Prozesse der Beeinflussung, des Lernens und Bildens zentrale Reflexionsfelder in der schulpädagogischen und der erziehungswissenschaftlichen Disziplin und wird etwa im Diskurs um Pädagogische Professionalität (vgl. Combe/Helsper 1996) auf die weitreichenden Einflüsse von Schule und Lehrern auf die Individuationsverläufe der Schüler sowie die daraus resultierenden antinomischen Anforderungen an das Lehrerhandeln verwiesen (vgl. Helsper 1996, Oevermann 1996a). Andererseits kennzeichnet die Forschungen zu diesen Themenfeld eine auffällige Einseitigkeit und damit einhergehend ein bedeutsamer blinder Fleck. Dieser bezieht sich zwar nicht auf Schülerstudien generell — hier gibt es durchaus ein weites Feld an Forschungsaktivitäten und -traditionen besonders im Bereich der Entwicklungspsychologie (vgl. Pekrun/Fend 1991, Fend 2000) —, jedoch schrumpft dieses Feld merklich, wenn man lebensgeschichtliche Fragestellungen biographietheoretisch angehen möchte und sich damit einem qualitativen Forschungsansatz verpflichtet fühlt. Hier ist eher von einem Mangel an methodisch fundierten Schülerbiographiestudien auszugehen (vgl. Krüger/Wensierski 1995, Tillmann 1995, Helsper/Stelmaszyk 1999, Helsper/Bertram 1999 und Reh/Schelle 2000).

This is a preview of subscription content, log in via an institution.

Buying options

Chapter
USD   29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD   44.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD   59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Learn about institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Hier ist selbstverständlich ein größerer Themenbereich angerissen, als im Weiteren systematisch verfolgt werden kann, geht es doch immer auch um soziale Differenzierung und die Reproduktion sozialer Ungleichheiten — also auch um das Zusammenspiel von Familie, Schule und Peers (vgl. Parsons 1987, Tyrell 1987, Oevermann 1996a, Fend 2000). Ich werde darauf im Schlusskapitel zurückkommen.

    Google Scholar 

  2. Damit steht diese Anlage dem „labeling-approach“ sehr nahe, weil auch hier die jeweils subjektiven Deutungen als realitätskonstituierend verstanden werden (vgl. z.B. Cicourel/Kitsuse 1975 und 1.1.5).

    Google Scholar 

  3. Konsequenterweise greift Nittel (1992) diese Dimensionen über die biographietheoretischen Konzepte von Schütze als schulische Handlungsschemata und schulische Verlaufskurve in seiner Schülerstudie auf (vgl. 1.1.4).

    Google Scholar 

  4. In der Bestimmung dieser polaren Bearbeitungsstrategien im Umgang mit Zurückweisung und verweigerter Anerkennung finden sich Anknüpfungspunkte zu 1-lonneths Theorie der Anerkennung und den l3estimmungen der Kernstruktur von Schule als Anerkennungsverhältnis (vgl. Honneth 1992, S. 224, Helsper 2001 a. S. 39ff., Böhme/Kramer 2001, S. 182).

    Google Scholar 

  5. Auch hier deuten sich bereits die zentralen biographischen Kategorien der Studie von Nittel keimhaft an: die Versagensverlaufskurve und die Angepasstenverlaufskurve mit den biographischen Folgekosten schulischen Erfolgs und schulischer Überanpassung (vgl. Nittel 1992 und 1.1.4).

    Google Scholar 

  6. Hier sei nur ani Rande angemerkt, dass die Autoren damit zwar auf die zentrale Strukturproblematik von Schule abzielen, wenn sie pädagogische Bemühungen gegen die Selektionsfunktion der Schule zu stärken versuchen. Allerdings wird diese Problematik nicht als Strukturproblematik markiert, sondern durch eine Expansion des Pädagogischen die Auflösung dieses Widerspruches behauptet. Hier ist jedoch gerade auch gegenüber der Hoff-nung der Chancengleichheit Vorsicht geboten und sicherlich von der Notwendigkeit grundlegender Transtormationsentscheidungen des Schulsystems auszugehen (vgl. Helsper 2000a, Kramer 2002 und IV.4.).

    Google Scholar 

  7. So richtig und plausibel diese Bestimmungen von Nittel zur Schullaufbahn sind, muss mit Blick auf den eigenen Entwurf angemerkt werden, dass die Vermittlung dieser verschiedenen Einflüsse nicht geleistet wird (vgl. dazu Ill.).

    Google Scholar 

  8. So wichtig diese Ausdifferenzierung von schulischen Bezügen und die Relativierung der biographischen Bedeutung von Schule auch ist, es darf damit die biographische Relevanz von Schule nicht negiert werden (vgl. dazu etwa noch einmal Hurrelmann/Wolf 1986 und Nittel 1992 bzw. 1.1.1 bis 1.1.4).

    Google Scholar 

  9. Dies zeigt sich besonders in der Analyseeinstellung der Objektiven Hermeneutik in Form einer ‚künstlichen Naivität’, die auch eine deutliche Nähe zum ethnographischen Programm einer „Befremdung der eigenen Kultur“ aufweist (Hirschauer/Amann 1997).

    Google Scholar 

  10. Vgl. für eine kontinuierliche distanzierte Kritik Reithertz (1991, 1994, 1995, 1997) und insgesamt Garz/Kraimer 1994.

    Google Scholar 

  11. Vgl. Oevermanns Strukturmodell von Lebenspraxis und von Sozialer Zeit (1995, dazu auch 1991, S. 297).

    Google Scholar 

  12. Hier liegt m.E. auch die Ursache für scheinbar verschiedene Interpretationen eines Textes, an einer verschiedenen (Fall-)Bestimmung der untersuchten Lebenspraxis selbst. Nach Oevermann wäre diese Fallbestimmung zu Beginn der Sequenzanalyse fundamental bedeutsam, etwa als Persönlichkeitsstruktur der Interaktionsteilnehmer oder als die Fallstruktur des lnteraktionssystems (vgl. Oevermann 1981, S. 24 und unten).

    Google Scholar 

  13. In Beobachtungsprotokollen ist die beobachtete Handlungspraxis nur noch gefiltert zugänglich, da sowohl in der Tätigkeit des Beobachtens als auch des Protokollierens die eingelassene Selektivität des Forschers nicht mehr zu hintergehen ist (vgl. dazu auch Bohnsack u.a. 1995, S. 434).

    Google Scholar 

  14. Dieses Prinzip hat besonders für die Forschungsrichtungen Relevanz, die sich nicht primär auf Interaktionen beziehen, sondern z.B. das Subjekt zum Kernpunkt der Analyse machen. Hier wird — wie in der Biographieforschung — nun der lnteraktionskontext und seine Relevanz für den biographischen Text zu verhandeln sein (vgl. Reh 2000, Böhme 2000b und 1.3.4).

    Google Scholar 

  15. Entgegen der Rezeption in einigen Methodenbänden ist nur von einem Verfahren der Objektiven Hermeneutik auszugehen, als einer sequenzanalytischen Nachzeichnung (turnby-turn) einer Fallstrukturgesetzlichkeit mit der Haltung künstlicher Naivität (also unter Ausschluss jeglichen äußeren Kontextwissens) zur Vermeidung eines subsumtiven abkürzungshaften Schließens (vgl. Garz 1997).

    Google Scholar 

  16. Darin lagert nun zugleich auch eine erhebliche Schwierigkeit, weil die Ausführlichkeitsforderung der Rekonstruktion der Darstellungslogik kontrastierend entgegensteht und die gültige Nachvollziehbarkeit objektiv hermeneutischer Fallrekonstruktionen kaum realisiert werden kann (vgl. dazu auch Nagler/Reichertz 1986 und Reichertz 1995, S. 404).

    Google Scholar 

  17. Ob in der Sequenzanalyse mit der Selektivität einer Lebenspraxis die Reproduktion einer Fallstruktur oder deren Transformation nachgezeichnet ist, ist anhand eines Protokolls ausdrücklich nicht zu entscheiden. Hierzu bedarf es der Kontrastierung von Rekonstruktionen aus verschiedenen Phasen des zeitlichen Verlaufs einer Lebenspraxis (Oevermann 1991, S. 296, 1996b, S. 13, kritisch dazu Reichertz 1991, S. 227 und 1995, S. 408).

    Google Scholar 

  18. Eine ähnliche Bestimmung findet sich auch im narrationsstrukturellen Ansatz von Schütze, der ja nicht nur mit der formalen Textanalyse und der strukturell-inhaltlichen Beschreibung quasi zwei Interpretationsgänge entwickelt (vgl. dazu kritisch Reh 2000, S. 16), sondern auch in der eigentlichen Interpretation der strukturellen Beschreibung formale und inhaltliche Aspekte aufeinander bezieht (vgl. z.B. Schütze 1983, S. 286).

    Google Scholar 

  19. Gleichwohl ist damit nicht zwingend verbunden, dass ein Interpret nicht über die entsprechenden Urteile der Angemessenheit als einsozialisiertes Kulturmitglied verfügt. Allerdings lassen sich Trübungen der Angemessenheit hier nicht direkt ausgleichen, sondern erst durch das kritische Gegenlesen anderer Interpreten als solche kennzeichnen.

    Google Scholar 

  20. D.h. auch, prinzipiell unterscheidet sich das Verfahren der Objektiven Hermeneutik nicht von dem der Alltagsdeutung (vgl. z.B. Oevermann u.a. 1979, S. 391).

    Google Scholar 

  21. In dieser Bestimmung zeigen sich deutliche Analogien zum Programm der „grounded theory“ von Glaser und Strauss (vgl. Lamnek 1993a, S. I l4ff. und 124ff., Wiedemann 1995, S. 441). Gegenstandsnahe Theoriebildung wird hier durch materiale fallnahe Rekonstruktionen und deren Kontrastierung angestrebt. Auch bei Oevermann findet sich die Vorstellung einer Sättigung für die Zwecke der Modellrekonstruktion und die Vorstellung einer engen Bindung zwischen Datenanalyse und Theoriebildung in der Form der Fallrekonstruktionen (Oevermann 1983, S. 234).

    Google Scholar 

  22. Nicht zufällig finden sich beide Ansätze hier in dieser Arbeit, gelten sie doch als die Analyseverfahren innerhalb der qualitativen Methodologie, die am weitesten expliziert sind und sich vielfach empirisch bewährt haben (vgl. z.B. Garz 1995, S. 27, Krüger/Wensierski 1995, S. 212, Krüger 2000, S. 334 und Kraimer 2000).

    Google Scholar 

  23. So lässt sich bei Schütze implizit eine analoge Bestimmung von Lebenspraxis ableiten, wenn er neben den autobiographischen Prozessabläufen auch beziehungsgeschichtliche und kollektivhistorische Prozessabläufe differenziert. Hier kann gerade auch für die Analyse von Interaktionssystemen eine Kopplung der Ansätze von Oevermann und Schütze sinnvoll sein, weil dann die latente Sinnstruktur der Beziehung mit den Erfahrungsqualitäten des Beziehungssystems gegenüber der Umwelt und innerhalb desselben vermittelt werden kann. Schütze selbst hat aber neben autobiographischen Prozessen lediglich die Prozessstruktur sehr hoher Aggregierung in den Blick genommen (vgl. Schützes Überlegungen zur kollektiven Verlaufskurve 1987, 1988, 1989, 1995).

    Google Scholar 

  24. Hier lassen sich durchaus Parallelen zwischen beiden Ansätzen finden, wenngleich Oevermann seine Ebenendifferenz deutlich abstrakter entworfen und die Ebenentrennung zumeist genutzt hat, um auf das für die Soziologie vermeintlich relevantere Feld der objektiven Sinnstrukturen zu insistieren (z.B. Oevermann u.a. 1979, S. 368f.). Eine systematische Einbindung der Ebene der intentionalen Repräsentanz findet sich bei ihm erst im Entwurf einer klinischen Soziologie, weil sich darin der Ansatzpunkt einer Interventionspraxis formulieren lässt (vgl. Oevermann 1996e, S. 11). Schütze unterscheidet nun in seiner Konzeption zwischen Deutung bzw. Interpretation einerseits und der latenten Erfahrungsqualität andererseits, die sich in Prozessstrukturen manifestiert. Damit verweist Schütze m.E. auf eine Zwischenebene (die latente Erfahrungsqualität), die zwischen bewusstseinsfähiger Deutung und handlungsgenerierender Tiefenstruktur anzusiedeln ist und die bei Oevermann allenfalls residual in den Interpretationen vorkommt (vgl. auch 1.3.4).

    Google Scholar 

  25. Vom Ansatz her lagert in diesem Vorgehen durchaus eine Praxis aufschließende und heilende Kraft, insofern man die Selbstdeutungen einer Lebenspraxis nicht von vornherein als Verkennungen ausblendet, sondern ihnen faktisch zugesteht, dass sie — wenn auch nur ansatzweise und ausschnitthaft — eine gültige Repräsentanz der Fallstruktur selbst sind. Dies macht Oevermann m.E. eher theoretisch geltend, verliert dies aber in der sequenzanalytischen Einstellung schnell aus den Blick. Schütze scheint dagegen deutlicher dieses Potential in seinen Analysen einzubeziehen, was wiederum aus der Fokussierung auf die Aggregierungsebene des handelnden Subjektes resultiert. In einem Vermittlungsversuch beider Ansätze sind diese verschiedenen Gegenstandsbereiche zu berücksichtigen.

    Google Scholar 

  26. Es scheint mir dabei auch kein Zufall, dass Oevermann selbst in Bezug auf Biographien merkwürdig abstinent geblieben ist, da mit der Objektiven Hermeneutik die Frage nach dem passenden Text als Ausdrucksgestalt der Lebenspraxis (Lebensablaut) nicht zu beantworten ist. Oevermann selbst fasst Interviews zuallererst als Interaktionstexte und damit als Ausdruckgestalt der Interaktionspraxis,Interview` (vgl. dazu Oevermann 1081, S. 46, Oevermann u.a. 1980, Oevermann 1988).

    Google Scholar 

  27. Mit diesen Annahmen lässt sich nun zugleich aber die stärkste Restriktion in der Anwendung dieses Verfahrens kennzeichnen: Denn die Bereitschaft des,Sich-einlassens` auf den Strom der Erfahrungen, wird gerade im Gegenstandsbereich der gesamten Lebensgeschichte — auch wenn keine traumatischen Erfahrungen vorliegen — eher selten uneingeschränkt vorliegen, hieße das doch auch, sich wieder auf die früher durchlaufenen Selbstkrisen zu besinnen. So wird man eher mit verschiedenen Abwehrmechanismen rechen müssen, von denen wiederum das knappe Erzählgerüst ohne hohen Detaillierungsgrad eine typische Darstellungsform ist.

    Google Scholar 

  28. Damit scheinen mir auch die Vorwürfe am Schütze-Ansatz vorbeizugehen, die an der ‚Homologiethese‘ kritisieren, dass faktische Ereignisverläufe auch im narrativen Interview konstruiert seien. Denn um die ‚objektive‘ Ereignisgeschichte ist es Schütze nie gegangen, sondern um die biographietheoretisch interessierende Frage der Struktur und der Prozessverläufe von lebensgeschichtlicher Erfahrung.

    Google Scholar 

  29. Somit lässt sich auch für Schütze eine erkenntniskonstitutiver Zirkel nachweisen, wenn etwa die wissenschaftliche Analyse nur im Grad der Reflexivität von der praktischen Orientierung unterschieden wird und im narrativen Interview als Darstellungsprinzipien diejenigen Ordnungsprinzipien aktiviert und genutzt werden, die ohnehin das biographische Handeln strukturieren (vgl. Schütze 1984, S. 83 und 112).

    Google Scholar 

  30. Damit werden gerade nicht die Konstruktionsleistungen in der biographischen Erzählung negiert, jedoch mit den kognitiven Figuren auf grundlegende Konstruktionsprinzipien rekurriert und deren homologe Wirksamkeit für die biographische Erfahrung und die lebensgeschichtliche Darstellung behauptet (vgl. auch Schütze 1984, S. 110).

    Google Scholar 

  31. Entscheidend ist aber, dass für Schütze selbst im Fall einer ‚defekten‘ autobiographischen Stegreiferzählung neben dem äußeren auch der innere Aspekt zum Ausdruck kommen und man auch im Falle einer undramatischen ereignisraffenden Lebensdarstellung Erfahrungsqualitäten rekonstruieren kann (vgl. Schütze 1984, S. 89). Allerdings sind diese Rekonstruktionen schwieriger und riskanter.

    Google Scholar 

  32. Es scheint mir, dass nur auf dieser Linie direkte Einflüsse der Interviewsituation und des Stimulus auf die Gesamtgestalt der lebensgeschichtlichen Darstellung zu verorten sind. Damit wäre die Wirkung dort überschätzt, wo etwa mit Bezug auf die Objektive Hermeneutik eine dominante Strukturierung der biographischen Erzählung durch den Stimulus behauptet wird (vgl. dazu auch Böhme 2000b).

    Google Scholar 

  33. Zwar fehlen meines Wissens plausibilisierende Fallbezüge bei Schütze in Bezug auf die Konzeption der Steigkurve, jedoch könnte dem teilweise die Phase des Karriereaufstieges des Soldaten Georg Fulda entsprechen, auch wenn der Selbstlauf dieses Aufstiegs mit Wandlungsprozessen verbunden ist (vgl. Schütze 1989, S. 61).

    Google Scholar 

  34. Es ist offensichtlich, dass auch Schütze hier mit einer Kategorie des Latenten argumentiert, so dass sich die Frage nach dem Verhältnis zum Latenten in der Objektiven Hermeneutik zwingend stellt. M.E. bezeichnen Schütze und Oevermann jedoch verschiedenes. Trifft diese Kennzeichnung zu, dann wäre die Differenzierung des jeweils Bezeichneten die notwendige Folge. Das Latente bei Oevermann bezieht sich methodologisch auf die Ebene der Generierungsregeln der Bildungsgeschichte eines Falles. Das Latente bei Schütze meint zwar auch ein praxiserzeugendes Prinzip, aber in einer Doppeltheit der konzeptionellen Fassung, die zugleich auch die Verarbeitung von Praxis zum Ausdruck bringt. Die Differenz wäre dann in der praxiserzeugenden Tiefenstruktur einerseits und der Erfahrungsstruktur andererseits zu suchen. Beide Ebenen sind aber deutlich von der Ebene bewusstseinsfähiger Intentionalität der Praxis zu trennen. Dabei scheint mir mit dem Erfahrungsbegriff eine latente Zwischenebene zwischen Fallstruktur und subjektiver Repräsentanz in den Blick zu geraten. Am ehesten scheinen mir beide Konzepte über konkrete Figuren des,Latenten` vermittelbar. Hier können Schützes Prozessstrukturen — etwa das Konzept der Verlaufskurve (Schütze 1981, 1983 und 1995) — einen ähnlichen Stellenwert beanspruchen wie Oevermanns Konzept der charismatischen Ablaufgestalt (1995). Beide Konzepte beschreiben in dieser Perspektive Ablaufgestalten der Krisenbearbeitung von Lebenspraxen, wobei die Verlaufskurve — die nicht für die Aggregierungsebene des Subjektes reserviert sein muss (vgl. für die Institution Schule Helsper u.a. 2001, Kramer 2001a und b) — wohl als Variante der Reproduktion einer problematischen Fallstruktur in Oevermannscher Sprache reformuliert werden kann.

    Google Scholar 

  35. Diese erzähltheoretisch begründete Kennzeichnung, mit der tendenziell der Einfluss der Forschung und des Forschers auf die erhobenen Daten negiert wird, ist Schütze oft (und zurecht) zum Vorwurf gemacht wurden (vgl. z.B. Bude 1985, dazu auch FischerRosenthal/Rosenthal 1997). Man muss aber mit der Annahme der Selbststrukturierung der Darstellung im narrativen Interview nicht zwingend die Einflüsse der Erhebungssituation negieren, sondern es kommt m.E. darauf an, in der Auswertung der Daten selbst die Einflüsse nach-und zuzuweisen (vgl. 1.3.4 und 11.1.2). An anderen Stellen hat Schütze durchaus auf die verschiedenen Motivationsquellen für den Interviewtext hingewiesen (z.B. Schütze 1978, S. 11).

    Google Scholar 

  36. Diese Variante der Auswertung, bei der die geschlossene Gestalt eines biographischen Textes aufgebrochen wird und im bereinigten Erzähltext gerade entscheidende Einbettungen der Erzählpassagen wegfallen, ist an Schütze viel kritisiert wurden (vgl. z.B. Reh 2000). Soweit ich das sehe, wird der Ansatz in dieser harten Form jedoch selten angewandt. Statt dessen findet sich in der formalen Textanalyse neben der Segmentierung auch die Kennzeichnung verschiedener Textsorten, ohne aber damit den Text schon zu säubern. Die strukturelle Beschreibung bezieht sich dann gerade auf die sequentielle Folge von Textpassagen im Interview, gleich welcher Textgattung sie zugehören — wohl aber mit dem Hinweis auf den Stellenwert und die Verortung der Aussagen etwa als Ausdruck materialer Erfahrungsqualität in Erzählpassagen oder als eigentheoretische Leistung und interpretierende Deutung in Beschreibungen und Argumentationen (vgl. 11.1.2).

    Google Scholar 

  37. Es sind genau diese Bedenken, die mich trotz der eindrucksvollen Schülerstudie von Nittel dazu bewogen haben, für meinen Gegenstandsbereich das biographieanalytische Verfahren von Schütze mit dem Ansatz der Objektiven Hermeneutik zu koppeln.

    Google Scholar 

  38. Vieles der Kritik mag daraus resultieren, dass beide Ansätze sehr umfassend konzeptionell angelegt und gegen sozialwissenschaftliche Gewohnheiten gerichtet waren, so dass deren kritische Diskussion zugleich Abwehr und Anerkennung — im Sinne einer Weiterführung und systematischen Kritik — impliziert.

    Google Scholar 

  39. Im Unterschied zu Helsper u.a. 1998a und Helsper 2001b gehe ich hiermit bereits bei der Bestimmung des Realen von einer einzelschulspezitischen Konkretion aus. Während dort das institutionelle Strukturproblem im Symbolischen platziert wird (vgl. ebd.), wird es hier in das Reale selbst integriert. Diese verschiedene Platzierung scheint mir auf die Problematik zu verweisen, wie das Spannungsfeld selbst prozesshaft zu dynamisieren ist (vgl. unten und IV.I).

    Google Scholar 

  40. Diese Praxisformen können analytisch nach zwei Seiten spezifiziert werden. Auf der einen Seite sind damit gleich-und höheraggregierte Praxisformen bezeichnet, etwa die Wechselwirkungen von Schule und Bildungssystem zu Institutionen der Jugendhilfe und zum Wirtschafts-bzw. Berufssystem. Auf der anderen Seite beziehe ich mich auf geringer aggregierte Praxisformen, wie diese etwa als familiale und lebensgeschichtliche Kontexte zur Schule positioniert sind. Die Wechselwirkungen und die davon ausgehenden Transformationsmöglichkeiten werden dabei selbstverständlich sehr unterschiedlich ausgeformt sein. Entscheidend ist aber, dass im jeweiligen Wechselverhältnis selbst wiederum ein Abgleich auf den drei Ebenen des Realen, Symbolischen und Imaginären anzunehmen ist.

    Google Scholar 

  41. Mit diesem ersten Dreischritt der Institutionsanalyse war auf einer grundlegenden Ebene die ‚Tiefenstruktur‘ (latente Sinnstruktur, Strukturproblem und imaginärer Lösungsentwurt) der Institution erschlossen.

    Google Scholar 

  42. Mit diesem Dreischritt war als zweiter Schwerpunkt die Struktur der schulischen Partizipationsverhältnisse bestimmt.

    Google Scholar 

  43. Eine ähnliche Bestimmung findet sich bei Fischer-Rosenthal/Rosenthal (1997) in der Unterscheidung des Biographischen von seiner narrativen Repräsentation.

    Google Scholar 

  44. Ähnliche Bestimmungen finden sich etwa im Konzept der ‚Identität als Projekt‘ und dem Konzept des ‚narrativen Selbst‘. „Erzählend organisiert das Subjekt die Vielgestaltigkeit seines Erlebens in einen geschlossenen Verweisungszusammenhang. Die narrativen Strukturen sind indes keine Eigenschöpfung des Individuums, sondern im sozialen Kontext verankert und von ihm beeinflusst, so dass ihre Genese und ihre Veränderung in einem komplexen sozialen Prozess stattfindet. Insofern präformieren sie die Art und Weise, in der eine Person sich erzählen kann, und damit auch ihr Verständnis von sich selbst.“ (Kraus 2000, S. 159f.).

    Google Scholar 

  45. Eine andere Ausdrucksgestalt, die verschiedentlich erprobt wurde, ist die Collage (vgl. Cohen 1989, dazu auch Koller 1993, S. 36).

    Google Scholar 

  46. Die Auswahl der Textstelle der Eröffnung ergibt sich aus den strukturtheoretischen Bestimmungen von Oevermann, der den Sequenzstellen der Eröffnung und Beschließung eine besondere Ergiebigkeit für die hermeneutische Rekonstruktion zuweist (vgl. 1.3.1 und Oevermann 1988, S. 248). Auch bei Schütze werden Eröffnungspassagen hervorgehoben: Erzählpräambeln und Vorkoda-bzw. Zwischenkoda-Phasen sind besonders aussagekräftig in Bezug auf die Gesamtgestalt der Lebensgeschichte (vgl. Schütze 1984, S. 102). Deshalb kommt bereits in den ersten Sequenzen die zentrale Lebensthematik oder eben das zentrale biographische Strukturproblem zum Ausdruck.

    Google Scholar 

  47. Wenn der biographische Text als ‚gültige Ausdruckgestalt‘ der lnterviewsituation und der »Biographie« gefasst wird, so ist damit nicht gemeint, dass diese umfassend darin zum Ausdruck kommen. Ich gehe aber davon aus, dass — gerade unter dem hohen Selektionsdruck der Eröffnung — die zentralen Strukturmomente der Interviewsituation und der biographischen Ordnung rekonstruiert werden können. Zudem vertrete ich die These, dass die strukturierende Kraft der Interviewsituation gegenüber den textmotivierenden Bezügen der »Biographie« im fortschreitenden Verlauf der biographischen Präsentation in den Hintergrund tritt.

    Google Scholar 

  48. Die Bestimmung eines Aspektes der Biographie als dominante Selbstproblematik knüpft hier an das Konzept der Selbstkrisen an, wie es in der Essener Jugendstudie (vgl. Bietau u.a. 1981, 1983 und 1.1.3) theoretisch und empirisch umgesetzt wurde. Allerdings beziehe ich die Selbstproblematik weniger direkt auf die Selbstkrisen des Individuationsprozesses, wie dies etwa bei Flelsper (1989a) diskutiert wird. Ich entwerfe die Selbstproblematiken als die Krisenproblematik der »Biographie«, die unter dem Selektionsdruck der Eröffnung einer biographischen Präsentation unterschwellig zum Ausdruck kommt. Dabei kann diese Selbstproblematik durchaus sehr aktuelle Bezüge haben. Sie verweist aber in allen Fällen auf ganz grundlegende Spannungsmomente der Individuation und kann in einigen Fällen in den frühkindlichen Erfahrungsraum der Familie zurückverfolgt werden. Insofern teile ich die Annahme, dass die aktuell dominanten Selbstproblematiken auf frühere Vorformen bezogen sind, ohne dass ich aber diese Beziehung selbst empirisch in den Fällen nachweisen kann.

    Google Scholar 

  49. Dieser Problematik entkommt man auch nicht, wenn man wie Flick die hohe Bedeutung von divergenten Befunden für die Theorieentwicklung betont (Flick 2000, S. 318), denn damit wird die Erklärung konvergierender Ergebnisse trotz differenter Forschungszugänge lediglich entthematisiert.

    Google Scholar 

  50. Vgl. z.B. die Ebenentrennung in eine Analyse des subjektiv gemeinten Sinns, eine Deskription sozialen Handelns und die Rekonstruktion deutungs- und handlungsgenerierender Tiefenstrukturen etwa bei Lüders/Reichertz 1986, S. 92ff., Garz/Kraimer 1991, S. 9, Lamnek 1993a, S. 32ff.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2002 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Kramer, RT. (2002). Empirischer und methodischer Bezugsrahmen. In: Schulkultur und Schülerbiographien. Studien zur Schul- und Bildungsforschung, vol 17. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11340-9_2

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11340-9_2

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-3455-7

  • Online ISBN: 978-3-663-11340-9

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics