Zusammenfassung
Im Zentrum der hier vorzustellenden Studie stehen das Handeln und das Verhalten der Einwohner von Gemeinden in unmittelbarer Nähe eines Braunkohletagebaus im Hinblick auf deren alltägliche Auseinandersetzung mit dem Einflüssen des Bergbaus. Zu den gravierendsten zählt die Devastierung von Ortschaften, in deren Vorfeld die Einwohner an andere Wohnstandorte umgesiedelt wurden. Die vielschichtige Problematik bergbaubedingter Umsiedlungen infolge der Ausdehnung von Tagebauen fand auch in der wissenschaftlichen Diskussion der 90er Jahre Beachtung (vgl. Decker et al. 1990, Berkner 1994, Kabisch, Berkner 1995, Dickmann 1996 u. a.). Demgegenüber blieben die negativen Auswirkungen der Braunkohleförderung im Großtagebau auf die Zukunftschancen der in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen Orte und auf die Lebensbedingungen der Bewohner weitgehend unbeachtet. Diese Problematik stellt eine Spezifik ostdeutscher Bergbaureviere dar. Sie resultiert zum einen aus der in der DDR üblichen Praxis der sog. Unterschutzstellung von künftig bergbaulich zu beanspruchenden Räumen (,,Bergbauschutz“). Diese war mit einer drastischen Beschränkung von zentralen Investitionen und Neubau in den Siedlungen und insofern mit dem staatlich verordneten Niedergang der Gemeinden verbunden. Zum anderen war sie das Ergebnis der sich vergrößernden Schere zwischen ausgekohlter Tagebaufläche und ihrer Wiedernutzbarmachung. Aufgrund der erheblichen Sanierungsdefizite grenzten die Tagebaurandgemeinden über einen lang andauernden und ungewissen Zeitraum an eine unwirtliche und unzugängliche Landschaft, die den Wohnwert stark reduzierte. Politische Verantwortungsträger wie der Landrat des Landkreises Leipziger Land wiesen im Zusammenhang mit einer komplexen Landschaftsplanung schon frühzeitig auf die dringend notwendige Beachtung dieses Aspektes der Siedlungsentwicklung hin (vgl. Dieck 1993, S. 30). Gerade im Mitteldeutschen Bergbaurevier erfordert die Koexistenz von Tagebauen und Siedlungen besondere Aufmerksamkeit. Hier ist die Siedlungsdichte trotz der großflächigen Tagebauausdehnung hoch. Trotzdem erfolgten die wissenschaftliche Begleitung dieser spezifischen Problemlagen und die Auseinandersetzung damit nur sehr begrenzt bzw. nur im Zusammenhang mit weitergehenden Fragestellungen zu möglichen regionalen Entwicklungspfaden. Die vorzustellende Studie versucht, einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke zu leisten.
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Kabisch, S., Linke, S. (2000). Einleitung. In: Revitalisierung von Gemeinden in der Bergbaufolgelandschaft. Forschung Soziologie , vol 97. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11305-8_1
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