Zusammenfassung
In Anbetracht der Komplexität des Problemfeldes sollte man sich nicht darauf beschränken zu prüfen, inwieweit lediglich die Variablen der Identifikation mit einer Gruppe zu negativer Stereotypisierung und einem Ingroupbias fuhren. Vielmehr ist zu vermuten, dass neben der Identifikation und Salienz der Bindung noch weitere Faktoren eine zentrale Rolle spielen. Sherif et al. schreiben hierzu: — „Judgements and perceptions are not merely intellectual and discrete psychological events. All Judgements and perceptions take place within their appropriate frame of reference. They are jointly determined by functionally related internal and external factors operating at a given time. These interrelated factors — external and internal — constitute the frame of reference of the ensuing reaction“ (1961: 11). Deshalb ist zu untersuchen, inwieweit zusätzlich andere Faktoren die genannten Verhaltensweisen beeinflussen. Der erste Grund hierfür ist, dass man wissen will, wie stark die Wirkung einer Gruppenidentifikation und deren Salienz im Vergleich zu anderen Variablen ist. Zweitens ist zu prüfen, inwieweit sich die Wirkung verändert, wenn andere Variablen in die Analyse einbezogen werden. Es wäre durchaus denkbar, dass sie abnimmt oder dass gar kein Effekt mehr vorliegt, wenn andere Faktoren in die Analysen einbezogen werden. Gegenstand dieses Kapitels wird es deshalb sein, weitere Variablen zu diskutieren, die das Intergruppenverhältnis zwischen zwei oder mehreren Gruppen beeinflussen könnten.
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Nach Bourdieu (1982: 135f.) bilden die in der Sprache zum Ausdruck kommenden ideologischen Inhalte ein zentrales Element, um diese zu erfassen und zu verfestigen (vgl. Bourdieu 1982: 135f). Daraus geht hervor, dass Sprache als zweifaches Symbol fungiert: einerseits ist sie wie beschrieben ein Kennzeichen von Zugehörigkeit, andererseits aber auch von Macht. Beide Komponenten sind dann miteinander verwoben, wenn die Gruppensprache zur Etablierung oder Aufrechterhaltung von intergruppaler Differenzierung, Aufwertung und Abwertung und schließlich Diskriminierung beiträgt (Gugenberger 1995). Wohlgemerkt kommt es nicht darauf an, ob die Inhalte der Sprache in ihrer Logik und Konsequenz auch von den Akteuren erfasst werden. Entscheidend ist vielmehr, dass sie in der Alltagskommunikation reproduzierbar und damit kommunizierbar sind.
Hier kommt es weniger darauf an, was unter dem Sächsischen zu verstehen ist, sondern vielmehr darauf, dass es Vorstellungen innerhalb und außerhalb der Eigengruppe gibt, die von einer sächsischen Sprache ausgehen. Entscheidend ist also auch hier, dass es Überzeugungsmuster bei Akteuren gibt, die soziale Realität in dieser Form definieren.
Indikation „EH“ bezieht sich auf die Wirkung der Identifikation und Salienz als exogene Variable auf Faktoren des theoretischen Modells. Diese abgeleiteten Hypothesen gehen von einer additiven Wirkung der Identifikation mit den Sachsen und der Salienz, Sachse zu sein aus. In den späteren Analysen wird ebenfalls geprüft, ob auch ein Interaktionseffekt vorliegt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind die Interaktionshypothesen bei den exogenen Variablen, außer bei der wahrgenommen Diskriminierung (vgl. IH21), folgend nicht mit aufgeführt.
Vgl. zur unterschiedlichen Operationalisierung positiver und negativer Stereotype Kapitel VI Abschnitt 2.2.2.
Weiterhin könnte es durch die unterschiedlichen Dimensionen, auf denen nach der Einschätzung der Eigengruppe (Sachsen) und der Fremdgruppe (Ausländer) gefragt wird, sein, dass ein expliziter Vergleich bezüglich der sozialen Identität gar nicht möglich ist. Fragt man beispielsweise, ob Sachsen hilfsbereit sind und Ausländer die Arbeitsplätze gefährden, hat man zwei generell unterschiedliche Dimensionen, die direkt kaum zu vergleichen sind. Ein Vergleich wäre somit für Befragte einfacher, wenn für beide Gruppen die gleiche Dimension (z.B. Arbeitsmoral) eingeschätzt werden müsste. Die Thematik „Arbeitsmoral“ bezieht sich auf Sachsen wie auf Ausländer und man muss beide Gruppen direkt miteinander vergleichen.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass Fishbein und Ajzen in ihrer Konzeption generell vernachlässigen, dass die jeweiligen Gruppen, von denen Akteure Erwartungen wahrnehmen, nicht genau benannt werden. Damit können sie kaum zwischen wichtigen und eher unwichtigen Verhaltenserwartungen unterscheiden (Terry & Hogg 1996: 779.). Dies ist eine Erklärung dafür „ that the direct effects of subjective norms are relatively weak, even when conceptualized to reflect more broadly defined normative forces on behavior“ (ebd.:). Dies verwundert insofern, als Ajzen und Fishbein die normativen Erwartungen implizit als einen Prozess sozialer Beeinflussung verstehen, wobei Akteure ihr Verhalten an den Erwartungen anderer umso mehr ausrichten, je wichtiger die anderen für sie sind.
Hinsichtlich der Frage, ab welchem Zeitpunkt normative Erwartungen der Bezugsgruppe gegenüber internalisierten Normen und deren intrinsischen Nutzen bzw. Kosten eine eher marginale Rolle spielen, schweigt sich die Gruppenforschung bisher aber aus.
Aus dissonanztheoretischer Perspektive ergibt sich ein weiterer interessanter Aspekt. Besteht ein „Consumer Ethnocentrism“, dann verursacht das Kaufen ‚gruppeneigener‘ Güter einen kognitiven Nutzen (Konsonanz) für den Akteur. Er fragt das nach, was er selbst positiv auf dem Hintergrund seiner ethnozentrischen Einstellung bewertet. Selbst hohe materielle Kosten können dadurch in den Hintergrund treten.
Allerdings ist die angenommene kausale Richtung keineswegs unumstritten. So wird in der sozialpsychologischen Forschung einerseits davon ausgegangen, dass die Identifikation mit einer Gruppe steigt, wenn eine Bedrohung bzw. Diskriminierung der Mitglieder dieser Gruppe wahrgenommen wird. Andererseits zeigen die Ferienlagerstudien von Sherif et al. und die
Untersuchungen von Tajfel, dass eine Identifikation ebenso die Bedingung für die Aktivierung von Bedrohungsgefühlen und Diskriminierungswahrnehmung sein können. D.h. die Wahrnehmung einer „Eigengruppe“ durch die Person ist Bedingung der Möglichkeit eines Diskriminierungsgefühls der Person.
In diesem Zusammenhang wird auf die wichtige Unterscheidung zwischen generalisierten und bereichspezifischen Kontrollerwartungen hingewiesen (vgl. Krampen & Martini 1987). Solche bereichspezifischen Erwartungen werden insbesondere in Bezug auf politische Machtlosigkeit diskutiert (Krebs & Schmidt 1993).
Zu den Ursachen sei an dieser Stelle auf die Darstellung bei Mayring (1986: 3ff.) verwiesen.
Damit sei keineswegs behauptet, dass die Politik alle Probleme wirklich produktiv im Interesse aller lösen kann. Oftmals fuhren auch alternative Handlungsformen wie Protest etc. zu innovativen Impulsen.
In der Studie wurden noch weitere Unzufriedenheitsvariablen erhoben. Eine genauere Beschreibung erfolgt in Kapitel VI Abschnitt 2.2.3.
Zur Idee des Handlungsraums vgl. Becker, Eigenbrodt & May 1983: 451 ff.
Friedrichs & Jagodzinski (1999: 20) unterscheiden in diesem Zusammenhang Aspekte der Integration auf der Mikroebene (Freundschaftsnetzwerke & Familie) und der Mesoebene (Arbeitskollegen).
Die Bedingungen hierfür sind natürlich mehrdimensional. So hängt z.B. die Glaubwürdigkeit einer Quelle von der Kompetenz, Vertrauenswürdigkeit, Status/Macht und Dynamik ab (vgl. Fischer & Wiswede 1997: 300). Bei allen Variablen handelt es sich um wahrgenommene bzw. zugeschriebene Faktoren. Weiterhin müssen die Informationen an positive Voreinstellungen bei den Akteuren anschließen können (dissonante Informationen werden oftmals vernachlässigt). Innerhalb von Gruppen wirkt zusätzlich die vorhandene Gruppenkonformität auf die genannten Aspekte. Abweichungen oder gar Zweifel an bestimmten Informationen werden saktioniert.
In weitergehenden Forschungen entwickelten Katz & Lazarsfeld (1955) das Meinungsführerkonzept. Es geht davon aus, dass Informationen in Gruppen nicht direkt von der Quelle zu den Mitgliedern fließt, sondern durch die Meinungsführer in diesen Gruppen vermittelt wird. Es existiert somit ein zweistufiger Kommunikationsprozess, wobei die Gruppenmitglieder in erster Linie dem Einfluss der Meinungsführer unterliegen, während sie von den Medien lediglich indirekt erreicht werden.
Hierher gehört auch Sherifs (1935) klassische Untersuchung zum „autokinetischen Effekt“.
Laumann (1973) bezeichnet solche Beziehungen als ‚interlocking networks‘, „one in which at least two friends are good friends with one another and have common interaction with ego“ (ebd.: 113). Weiter schreibt er „Interlocking networks serve as more effective social anchors for an individual’s attitudes leading to more well crystallized attitudes on various issues characteristic of given social positions“ (ebd.: 126).
Die Frage des Einflusses der Integration in der Nachbarschaft und der Beziehungen zu Arbeitskollegen ist in der sozialwissenschaftlichen Literatur bisher kaum behandelt worden.
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Skrobanek, J. (2004). Weitere Determinanten des Intergruppenverhältnisses. In: Regionale Identifikation, negative Stereotypisierung und Eigengruppenbevorzugung. Forschung Soziologie, vol 198. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11281-5_5
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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