Zusammenfassung
Die Personalstruktur und das subjektive Rollenverständnis der politischen Führungsschicht gehören vermutlich zu den Elementen eines parlamentarischen Regierungssystems, die am wenigsten formalisierbar sind, ja unter dem Gesichtspunkt der Repräsentativität für die Wahlbevölkerung gar nicht über formale Auswahlkriterien gesteuert werden sollen. Dennoch spielen sich regelmäßig bestimmte, für nationale Führungsschichten typische Merkmalskombinationen im Laufe der Zeit ein, die alles andere als zufallsbedingt sind. Daß die deutsche politische Elite im Gegensatz zur politischen Führungsschicht in Großbritannien oder in den U.S.A. eher vom Beamtentum als von einer eigenständigen politischen Schicht geprägt ist, hat systematische Gründe: der seit 1848 hohe Beamtenanteil in den Parlamenten (Boldt 1979; Klatt 1980) reflektiert letztlich den Umstand, daß in der deutschen geschichtlichen Entwicklung die Bürokratie älter ist als die Demokratie. Heute wird er dadurch begünstigt, daß das Beamtentum nicht nur weiterhin nicht parteipolitisch neutralisiert, sondern im Wahlkampf auch privilegiert ist. Diese Bedingungen reichen jedoch kaum aus, die besondere Attraktivität der Befassung mit öffentlichen Angelegenheiten im politischen System zu verstehen; Beamte könnten sich ja schließlich auch in der Verwaltung den öffentlichen Angelegenheiten, allerdings weniger gestaltend, widmen. Nicht zuletzt wenn man in den Kategorien der dichotomen Typologie von Beamten und Politikern denkt, die Max Weber entwickelt hat, ist nicht einsichtig, weshalb es Menschen aus den Büros in die öffentliche Arena zieht, warum sie sich vom Medium der Schrift dem der Rede zuwenden und von dem auf Fachschulung beruhenden Problemlösungsverhalten zum mit Leidenschaft geführten Kampf um die politische Macht antreten.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Aberbach, Joel/Hans-Ulrich Derlien/Renate Mayntz /Bert A. Rockman 1990: American and West German Federal Executives — Technocratic and Political Attitudes, in: International Social Science Journal, 3–18
Böhret, Carl/ Werner Jann/ Eva Kronenwett 1988: Innenpolitik und politische Theorie, Opladen (3. Aufl.)
Boldt, Hans 1979: Die Stellung des Abgeordneten im historischen Wandel, in: Deutscher Bundestag (Hg.), Politik als Beruf? Das Abgeordnetenbild im historischen Wandel, Bonn, 15–43
Dahrendorf, Rolf 1962: Ausbildung einer Elite. Die deutsche Oberschicht und die juristischen Fakultäten, in: Der Monat 166, 15–26
Derlien, Hans-Ulrich 1990: Continuity and Change in the West German Federal Executive Elite 1949–1984, in: European Journal of Political Research 18, 349–372
Derlien, Hans-Ulrich/Hermann Groß 1990: State Authoritarianism in the West German Executive Elite — Explaining Change, 1970–1987; paper für die APSA-Konferenz, San Francisco
Derlien, Hans-Ulrich/Renate Mayntz und Mitarbeiter 1988: CES II. Einstellungen der politisch-administrativen Elite des Bundes 1987, Bamberg
Heper, Metin 1987: The State and Public Bureaucracies. A Comparative Perspective, New York
Klatt, Hartmut 1980: Die Verbeamtung der Parlamente, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 44, 25–46
Mayntz, Renate/Hans Ulrich Derlien 1989: Party Patronage and Politicization of the West German Administrative Elite 1970–1987 — Toward Hybridization, in: Governance 2, 384–404
Rüschemeyer, Dietrich 1976: Juristen in Deutschland und in den USA. Eine vergleichende Untersuchung von Anwaltschaft und Gesellschaft, Stuttgart
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1991 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Derlien, HU. (1991). Die Staatsaffinität der Exekutivpolitiker der Bundesrepublik — Zur Bedeutung der Bürokratie als Sozialisationsfeld. In: Hartwich, HH., Wewer, G. (eds) Regieren in der Bundesrepublik II. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11269-3_11
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11269-3_11
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-0909-8
Online ISBN: 978-3-663-11269-3
eBook Packages: Springer Book Archive