Zusammenfassung
Der Memminger Abtreibungsprozeß und die beiden Landgerichtsurteile zum Fall “Soldaten sind potentielle Mörder” unterscheiden sich von den übrigen Fällen der Stichprobe. So ragt ihre Rezeption in der Presse bereits aufgrund ihres Umfanges aus den übrigen Fällen der Stichprobe heraus. Die Zahl der Artikel ist fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt der übrigen Artikel pro Fall. Beim Soldatenurteil II und III ist auch die durchschnittliche Artikellänge weit größer ist als in den anderen Fällen. Dem entspricht der Umfang der kritischen Debatte, auch dieser liegt mit Abstand über den anderen Fällen. Aber nicht nur im Hinblick auf den Umfang von Rezeption und Kritik stachen die beiden Fälle heraus. Nur sie führten zu einer “Aktuellen Stunde” im Bundestag; nur sie waren Anlaß für Demonstrationen; beide waren überdies Thema vielfältiger Diskussionen, Stellungnahmen und Gegenstand von unzähligen Leserbriefen. Und diese kritische Debatte in den deutschen Medien war nicht nur umfangreich, sondern in einem sonst unbekannten Maße kontrovers, emotional und polemisch. Der hohe Anteil an unfairen Argumenten ist in diesem Sample allenfalls mit dem “Altenwohnheim-Urteil” des VGH Mannheim zu vergleichen. Die z. T. wütenden, z. T.abgewogenen Leserbriefe, die Anklagen und Verteidigungsreden im Bundestag, die Demonstrationen, die öffentlichen und halböffentlichen Diskussionsveranstaltungen, sie alle zeigen, daß diese beiden Prozesse in anderem Maße “öffentlich” gewesen sind, als die anderen Fälle dieser Stichprobe. Die beiden Fälle verdienen daher eine besondere Bezeichnung und werden im folgenden als “Causes célèbres” bezeichnet.
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Literatur
Vgl. u.a.: SZ vom 27.10., 3.11., 7.11.; 10.11.1989, StuZ vom 27.10., 3.11., 8.11.1989; WELT vom 27.10., 6.11., 10.11.1989; FAZ vom 27.10., 3.11., 10.11.1989; usw..
Dazu mehr im nächsten Abschnitt zur komplexen Struktur der Rechtskommunikation.
KöIS vom 8.11.1989, SZ, WELT, FR, FAZ vom 7.11.1989.
Kepplinger, Hachenberr Frühauf, “Struktur und Funktion eines publizistischen Konflikts”, in: PUBLIZISTIK 1977, S. 14 ff; nach meiner Kenntnis die einzige vergleichbare Studie zum Thema “Struktur einer Debatte über Massenmedien”.
Kepplinger et. al., a.a.O., S. 31.
FAZ vorn 28.10. und 20.11.1988; WELT vom 27.10. 1989; DIE ZEIT vom 3.11.1989; FR vom 26.10.1989; taz vom 26.10.1989, SPIEGEL 49/1990, S. 28 ff; vgl. auch die Dokumentation in der DRiZ 1989. S. 465 ff.
SZ vom 11.5.1989, FR vorn 13.5.1989, FAZ vom 6. und 13.5.1989.
FAZ vom 20.11.1989.
SZ vom 11.5.1989.
Vgl. DRiZ, a.a.O., S. 467.
Vgl. DRiZ, a.a.O., S. 467.
SZ vom 28./29.10.1989.
SZ vom 11.5.1989.
FAZ vom 13.5.1989.
DIE ZEIT vorn 27.10.1989.
Vgl. FR vorn 27.10.1989.
SPIEGEL-Essay “Ringparabeln des Rechts” (4/1990).
FAZ vorn 13.5.1989.
Vgl. Entscheidung der Zweiten Kammer des 1-Iessischen Dienstgerichts für Richter beim Landgericht Frankfurt, NJW 1981, S. 930 ff.
Vgl. DRiZ 1989, S. 470; FAZ, WELT, StuZ, FR, SZ vom 8.11.1989.
Kisker verwendet für die Analyse und Beschreibung des (unzulässigen) Einflusses von Politikern auf die Richter den Begriff des “Störpotentials”. Dieser Begriff macht deutlich, daß es oft ein mehr oder weniger großes Störpotential gibt, und daß die klare Alternative zwischen “noch rechtmäßigen” und “schon rechtswidrigen” Eingriffen in die richterliche Unabhängigkeit den Kern des Problems nicht trifft. Er macht deutlich, daß die Richter sich in ihrer Entscheidungsfreiheit bereits bedroht fühlen können, wenn keine unmittelbaren Konsequenzen, etwa bzgl. der Beförderung, Versetzung oder der Dienstaufsicht drohen können, vgl. Kisker, G., Zur Reaktion von Parlament und Exekutive auf ‘unerwünschte Urteile’, NJW 1981, 889 ff.
DRiZ 1989. 471.
WELT vom 28.10.1989.
Vgl. insbesondere DIE ZEIT vom 7./10. und 17.11.89.
Siehe oben, S. 304 f.
Noelle-Neuntann,Die verletzte Nation, a.a.O., S. 44.
Vgl. oben, S. 309.
Sennett, The Fall of Public Man, New York 1974, erschienen in deutscher Sprache unter dem Titel “Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität”, bei Suhrkamp, Frankfurt/M 1983, S. 306 ff.
Vgl. Senner, a. a. O., S. 310.
ebd.. S. 318.
Vgl. Deutschland-Magazin 7/88.
SPIEGEL vom 19.9.1988.
SPIEGEL, a.a.O..
Vgl. taz vom 14.9.1988.
Vgl. Leotard, Der Widerstreit, 2. Auflage. München 1989; einführend dazu: Reese-Schäfer et. al. (Hg.). Jean-Français Lyotard, 1989; Frank, Die Grenzen der Verständigung. Ein Geistergespräch zwischen Lyotard und Habermas. 1988; als Beispiel für das empirische Fruchtbarmachen der Theorie Leotards: Schmalohr, Begabtenförderung als Widerstreit, 1989.
Ebd., S. 9.
Ebd., S. 27; “figurer” läßt sich im Deutschen besser mit “sich ausdrücken lassen” übersetzen.
Auf sprachphilosophischer Ebene geht der Konflikt zwischen Lyotard und Habernzas noch tiefer: Während Habermas die These vertritt, daß es zu den universalen Bedingungen jeder Sprache gehört, auf Verständigung und auf Anerkennung korrespondierender Geltungsansprüche ausgerichtet zu sein, spricht Lyotard von unübersetzbaren Sprachspiclen und Diskurs-arten mit je eigenen Regeln.
Im Rahmen einer Dementierung seiner vom SPIEGEL kolportierten angeblichen Forderung nach Todesstrafe für “Engelmacher” sprach sich der Landshuter Landgerichtspräsident Anders für die Bestellung eines Verteidigers oder Pflegers für das ungeborene Kind aus, um dessen Recht auf “rechtliches Gehör” zu wahren; vgl. Evangelischer Pressedienst (epd) vom 22.9.1988.
Ebd., S. 33.
“Kommentare zum Soldatenurteil, Strafrechtliche Aspekte”, Krit J 1989, S. 359 ff, 364 f.
Ebd., S. 365.
Ebd.
Da die Vorstellungen über Voraussetzungen und Grenzen eines sozialen und pauschalen Achtungsanspruchs historischem Wandel unterworfen seien, vgl. Hasseiner, ebd.
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Castendyk, O. (1994). Zusammenfassung: Zur Medienrezeption der “Causes célèbres” der Stichprobe. In: Rechtliche Begründungen in der Öffentlichkeit. Studien zur Kommunikationswissenschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11250-1_9
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