Zusammenfassung
Von allen Lebensbereichen besitzen Paarbeziehung und Familie die größte Resistenz gegenüber Modernisierungsprozessen, wohl auch aufgrund der Mächtigkeit gesellschaftlicher Diskurse zu Liebe und Mütterlichkeit (vergleiche Kapitel 2.3). Im privaten Bereich scheinen Individualisierungsprozesse ihre Grenzen erreicht zu haben. Paarbeziehung und Familie gelten als „Bastionen“ des Geschlechterverhältnisses, an denen sich die Benachteiligungen von Frausein kumulieren und konzentrieren (Hopf/Hartwig 2001; Koppetsch/Burkart 1999). So ist zu vermuten, „dass gerade die Familienund Geschlechterkonzeptionen einen besonders unauffälligen, stillschweigenden, der Reflexion (...) sich versperrenden Charakter besitzen, da diese Konzepte die maßgeblichen Orientierungsachsen für die dem Beruf qua Sozialisation vorgelagerte und zugrunde liegende identitätsstiftende private Lebenspraxis sind“ (Scheid/Gildemeister/Maiwald/Seyfarth-Konau 2001: 33). Gleichzeitig sind diese Projekte allen Studien zufolge von größter Bedeutung für Glück und Zufriedenheit im Leben, für Frauen wie Männer, Alte wie Junge (Fuchs-Heinritz 2000: 56; vergleiche Kapitel 1.3). Paarbeziehung und Familie gelten als Ort jenseits sozialer Zwänge. Dies galt für die DDR nochmals in besonderer Weise (vergleiche Kapitel 1.1.2).
Die Liebe ist so unproblematisch wie ein Fahrzeug. Problematisch sind nur die Linker, die Fahrgäste und die Straße.
Franz Kafka
Heute Morgen wurde ich fünf vor sieben mach und wusste gleich ganzgenau, was ich geträumt hatte. Ich saß auf einem Stuhl, und mir gegenüber saß Peter. (..)Auf einmal trafen Peters Augen die meinen, und lange schaute ich in diese schönen, samtbraunen Augen. Dann sagte Peter sehr leise: ,Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich schon längst zu dir gekommen. ‘Brüsk drehte ich mich um, denn die Rührung wurde mir zu stark. Und dann fühlte ich eine weiche, oh so kühle und wohltuende Wange an meiner, und alles war so gut, so gut (..)
An dieser Stelle wachte ich auf während ich noch seine Wange an meiner fühlte und seine braunen Augen tief in mein Herz schauten, so tief, dass er darin gelesen hatte, wie sehr ich ihn geliebt habe und ihn noch liebe. Wieder sprangen mir die Tränen in die Augen, und ich war so traurig, weil ich ihn wieder verloren hatte, aber gleichzeitig doch froh, weil ich wusste, dass Peter noch immer mein Auserwählter war.
Anne Frank
Ich sehne mich nach Licht und Liebe doch niemand kommt ich bin allein
Rose Ausländer
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Literatur
Die größere Vielfalt, darauf weisen Familiensoziologen ausdrücklich hin, ist jedoch nur scheinbar ein modernes Phänomen: „Im historischen Kontext ist diese Entwicklung als ,Rückkehr zur Normalität der Vielfalt’ zu bewerten. Die Situation der 50er und 60er Jahre mit der starken Monopolstellung eines Lebensentwurfs, der bürgerlichen Kernfamilie, ist im historischen Vergleich die untypische Situation. Kennzeichnend war stets eine gewisse Pluralität an Lebensformen“ (Schneider 2000: 19).
Vergleiche Alt 2001; Beck/Beck-Gernsheim 1993; Bertram 1991; Burkart 1994; Giddens 1993.
Unter Lebensform wird im Folgenden die Kombination aus Haushaltstyp, Wohnform und Paarbeziehung verstanden. Die statistisch-demografischen Kategorien sind nicht mehr ausreichend, um die tatsächlich auftretenden Lebensformen zu erfassen. Hinter der alleinlebenden ledigen Frau in der amtlichen Statistik kann sich beispielsweise die Single-Frau ohne PartnerIn genauso wie die alleinwohnende Frau mit PartnerIn verbergen.
Unter Paarbeziehung werden im Folgenden alle Beziehungen mit einer Partnerin oder einem Partner verstanden, die von den jungen Frauen selbst als solche bezeichnet werden, unabhängig von ihrer Dauer, vom Familienstand, von der Wohnform und vom Geschlecht.
Als Familie gelten im Folgenden alle Eltern-Kind-Gemeinschaften, unabhängig von der Lebensform (Haushaltstyp, Wohnform, Paarbeziehung, Geschlecht).
Alt (2001) replizierte die Studien von Zapf (1987) und Strohmeier (1993) und stellte
eigene Berechnungen aus dem Familiensurvey des Deutschen Jugendinstituts an.
Vergleiche auch Rerrich (1999), die dafür plädiert, die familiensoziologische Diskussion aus ihrer Sackgasse herauszuführen und die unterschiedlichen Entwicklungen von Strukturen und Bewusstsein zu berücksichtigen. In der Familiensoziologie wird so Beck (1991: 44) seit Jahren beschworen, dass „im Kern der Kernfamilie alles kerngesund sei“, ein Befund, den er als besonders krasses Beispiel des Traditionalismus der Soziologie wertet.
Dies zeigen regelmäßig Untersuchungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen; beispielsweise die Studie des Jugendwerks der Deutschen Shell (2000) oder Gille (2000).
Vergleiche auch Bien/Marbach 1991, die dies empirisch anhand von Daten des Familiensurvey belegen konnten.
Prozent der Kinder wurden zum Ende der DDR-Ära nicht in einer Ehe geboren (Alt/Weidacher 1996), drei Viertel wurden nachträglich doch durch eine Ehe legalisiert (Alt 2001).
Allerdings haben sich auch zu DDR-Zeiten solche Trends bereits abgezeichnet (Alt 2001).
In der westlichen Welt zeigen sich zwei Phasen des Geburtenrückgangs: Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts war ein erster Rückgang zu verzeichnen und seit den 70er Jahren ein weiterer Rückgang (vergleiche Burkart 1994).
Das durchschnittliche Alter der Erstgebärenden hat sich ähnlich wie das Heiratsalter, das 1997 bei 27,8 Jahren lag, in den vergangenen Jahren erhöht und lag bezogen auf verheiratete Frauen 1997 bei 28,5 Jahren, gegenüber 26,9 Jahren im Jahr 1991 (Statistisches Bundesamt 2000).
Der Familienforscher Bertram (Zeit 2001) gibt auf die Frage in einem Interview, ob es nur die Kosten fürs Kinderkriegen sind, die die Kinderzahl drücken, sogar zur Antwort: „Kein Mensch weiß dazu Plausibles (...). Wer’s erklären kann, sollte den Nobelpreis bekommen.“
Künzler (1994: 208) weist auf eine Studie bei Studierenden hin. Für Studentinnen mit Kind wird der Haushalt zur Hauptbeschäftigung, das Studium zur Nebenbeschäftigung, während Studenten mit Kind zwar auch substantiell und nicht nur symbolisch zur Hausarbeit und Kinderbetreuung beitragen, sich jedoch dadurch keine Deklassierung ihres Studiums ergibt, sondern Haushalt und Studium für sie zwei gleichberechtigte Bereiche, zwei Hauptbeschäftigungen, werden.
Vergleiche Blumstein/Schwartz 1985; Born/Krüger/Lorenz-Meyer 1996; Eckert/ Hahn/Wolf 1989; Gather 1996; Koppetsch/Burkart 1999; Pfeil/Regnat/Stein 1998; Rerrich 1999; Schneewind/Vascovics 1992; Schneider/Rost 1998; Simm 1987.
Im Bereich der Psychologie bemüht sich die Partnerschaftsforschung seit drei Jahrzehnten um die Erforschung der Verläufe von Paarbeziehungen, die ihr als „eine der wichtigsten interpersonalen Ressourcen“ (zusammenfassend Bodenmann/Cina 1999) gelten. Hier wurde vor allem die Bedeutung von Kommunikation, sozialen Kompetenzen und Copingfertigkeiten in Stresssituationen in zahlreichen, auch internationalen Studien für den Aufbau und die Festigung des „Wir-Gefühls” nachgewiesen (ebenda). Wichtig sei, dass eine Beziehung gepflegt und lebendig erhalten wird, denn das Potential einer Paarbeziehung verändere sich und werde generell im Verlauf der Zeit eher schlechter.
In dieser Arbeit wird das Augenmerk auf heterosexuelle Beziehungen gerichtet, da sich auf diese der öffentliche Diskurs zu Frauenleben bezieht. Im Rahmen der Arbeit wird nicht auf homosexuelle Beziehungen eingegangen, was aber nicht bedeutet, dass deren Realität nicht für untersuchenswert erachtet wird. Dieser Bereich stellt vor allem im deutschsprachigen Raum eine Forschungslücke dar.
Schneewind (2001) macht in seiner Längsschnittuntersuchung bei Ehepaaren auf einen interessanten Zusammenhang aufmerksam; über 16 Jahre zeigte sich keine Annäherung der Persönlichkeitsstruktur bei Ehepartnern, ihre individuellen Besonderheiten blieben also erhalten, ein weiterer Hinweis auf die Bedeutung von subjektbezogenen Gemeinsamkeiten.
Beck-Gernsheim (1992) vermutet, dass solche Motive implizit eine Rolle spielen.
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Keddi, B. (2003). Paarbeziehung und Familiengründung als biografische Projekte. In: Projekt Liebe. DJI-Reihe, vol 15. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11174-0_4
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