Zusammenfassung
Zu den wesentlichen Bestandteilen der inhaltlichen Diskussion des letzten Jahrzehnts über die Modernisierung der Beratungsarbeit gehört die Diskussion über den Wandel der Familie. Diese Diskussion ist als Reflex auf eine allgemeine sozialwissenschaftliche Diskussion über die Folgen und die Erscheinungen der Modernisierung für gesellschaftliche Lebensformen zu sehen, in deren Zentrum die Frage nach den Veränderungen und nach der Kontinuität von Familienfomen und nach den Bedingungen für das Aufwachsen für Kinder stand.58 Dabei gingen die Interpretationen dessen, was unter „Wandel der Familie“ zu verstehen sei, deutlich auseinander: während der „Wandel“ der Familie für einen Teil der Forschung eine sozialhistorische Kategorie ist, die die historischen Konstanten und Veränderungen und damit auch das Besondere der heutigen Formen der Familie empirisch zu beschreiben sucht, ist der Begriff des „familialen Wandels“ für den anderen Teil der Forschung eine eher sozialkritische Kategorie, die je nach politischer Ideologie entweder die Kritik an der Familie als bürgerliche Lebensform oder die These von der Krise der heutigen Familie in den Vordergrund stellt. Im Vordergrund steht heute wieder ein krisenorientierter Blick. Ausgangspunkt für diese Krisenthese sind vor allem Zahlen: die sinkende Heiratsziffer, steigende Scheidungszahlen, geringere Kinderzahlen und die Zunahme von Alleinlebenden in unserer Gesellschaft sind ebenso wie die kritisch gewendete Frage nach der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit der Frauen mit der Familie die Markierungspunkte für die Sorge um den Fortbestand der Familie. Diese Krisendiagnose ist etwa auch Kernpunkt des letzten, des Fünften Familienberichts. Im Mittelpunkt dieses Berichts steht vor allem der Begriff von der strukturellen Rücksichtslosigkeit der Wirtschaft und der Organisation des Arbeitsplatzes gegen die Familie. Immer weniger Menschen, so eine der Schlußfolgerungen aus diesem ökonomischen Blick, seien bereit, diese Lebensform für sich zu wählen, weil sie weniger „lukrativ“ und mehr belastend sei.59
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Literatur
Vgl. Bertram, Die Familie in Westdeutschland, und Nave-Herz, Kontinuität und Wandel der Familie.
Vgl. Fünfter Familienbericht, S. 21 f.
Als Beispiele für die Konzeptdiskussion zu Familie und Beratung vgl. Menne, Alter, Familie in der Krise, Textor, Familien: Soziologie, Psychologie, Menne, Golias, Trennungs- und Scheidungsberatung in Erziehungsberatungsstellen, und Hahn, Müller, Systemische Erziehungs- und Familienberatung.
Diese Familienformen wurden aus der Kombination folgender Variablen gefunden: 1. “Wer lebt im Haushalt des Kindes”, 2. “Sind die Eltern verheiratet, nichtehelich zusammenlebend, alleinerziehend”, 3. “Hat das Kind/Jugendliche(r) folgendes erlebt: Trennung/Scheidung der Eltern, Tod eines Elternteils, Neuzusammensetzung der Familie”.
Vgl. Löhr, Familienformen im Vergleich, S. 87.
Die Beratungsstellen in katholischer Trägerschaft haben zwar einen bundesweit geringeren Anteil an Trennungs-Scheidungsfällen als etwa Beratungsstellen in kommunaler Trägerschaft, dies ist jedoch weniger einer weltanschaulich bedingten Zurückhaltung in diesem Themenbereich oder einem Fortbildungsrückstand allein zuzuschreiben, sondern zuallererst ihrer Verortung im ländlichen Raum. Vgl. zu den aktuellen Daten Menne, Golias, Trennungs- und Scheidungsberatung in Erziehungsberatungsstellen, S. 416 und Abschnitt 3. 3.
Mayr-Kleffel, Frauen und ihre sozialen Netzwerke, S. 276 ff.
Vgl. hierzu Clason, Die Einelternfamilie oder die Einelterfamilie?
Vgl. Bertram, Die Familie in Westdeutschland, S. 79 ff. und Bertram, Familienatlas, S. 7 ff.
Es wurde ein vierteiliger Index über die regionale Herkunft des jeweiligen Klienten verwendet: Land, Kleinstadt, mittelgroße Stadt, Großstadt.
Vgl. Bertram, Familienatlas, S. 35.
Auch im Blick auf die Einzelitems der der Latenen-Klassen-Analyse zugrundliegenden Liste “hauptsächliche Schwierigkeiten in der Familie” werden keine regionalen Unterschiede sichtbar: ein problematischer Erziehungsstil findet sich aus Beratersicht ebenso häufig auf dem Land (64%) wie in der Großstadt (61%), und die soziale Isolation oder etwa berufliche Probleme werden mit rund 9% bzw. 10% ebenso häufig für ländliche wie für großstädtische Familien genannt.
Vgl. Mayr-Kleffel, Frauen und ihre sozialen Netzwerke, S. 257 und 274.
Zur Unterscheidung von `natürlichen’ und `neuen’ Krisen als Bruchstellen zwischen Institutionen und Privatheit vgl. Buchholz, Lebenswelt und Familienwirklichkeit, S. 49 f.
Straus, Gmür, Ein Nebenthema mit Kontinuität, S. 130 f.
Vgl. Menne, Neuere Daten zur Erziehungs- und Familienberatung, S. 320.
Vgl. etwa Heiliger, Elternarbeit an Institutionen, Pieper, Familie im Urteil ihrer Therapeuten, und schließlich Ewert, Veränderungen in der Inanspruchnahme familienorientierter Beratung.
Straus, Gmür, Ein Nebenthema mit Kontinuität, S. 130 f.
Vgl. Menne, Neuere Daten zur Erziehungs- und Familienberatung, S. 320.
Vgl. etwa Heiliger, Elternarbeit an Institutionen, Pieper, Familie im Urteil ihrer Therapeuten, und schließlich Ewert, Veränderungen in der Inanspruchnahme familienorientierter Beratung.
Vgl. Körner, Zygowski, Im System gefangen.
Vgl. Bommert, Henning, Wälte, Indikation zur Familientherapie.
Vgl. zur Kritik der Familientherapie in der Beratungsarbeit Ewert, Veränderungen in der Inanspruchnahme familienorientierter Beratung, und Schneewind, Familienberatung und Familientherapie.
Vgl. zur Mittelschichtorientierung der Familientherapeuten Pieper, Familie im Urteil ihrer Therapeuten, S. 75 f., und Buchholz, Lebenswelt und Familienwirklichkeit, S. 258 ff.
Zur Vorgehensweise in der Beratungsarbeit für Stieffamilien Schattner, Schuhmann, Meine Kinder, deine Kinder, unsere Kinder.
Vgl. Buchholz, Lebenswelt und Familienwirklichkeit, S. 293 f.
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Kurz-Adam, M. (1997). Berater und ihre Familien. In: Professionalität und Alltag in der Erziehungsberatung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11164-1_7
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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