Zusammenfassung
Für die gesetzliche Rentenversicherung (gRV) ist das tatsächliche Renteneintrittsalter der Versicherten von erheblicher finanzieller Bedeutung, denn zu diesem Zeitpunkt wird die Phase der Erwerbstätigkeit (mit Beiträgen) bzw. der passiven Versicherung (ohne Beiträge) durch eine lebenslange Rentenzahlung abgelöst. Aufgrund steigender Rentenlaufzeiten durch die Verlängerung der Lebenserwartung Älterer und durch den in der Vergangenheit beobachteten Trend zur früheren Berentung wurden mit den Reformen der vergangenen Jahre die Altersgrenzen für künftige Rentenzugänge heraufgesetzt. Mit diesem Beitrag wird nochmals nachgezeichnet, wie die in der Vergangenheit geänderten rechtlichen Regelungen zu den Rentenarten und deren Altersgrenzen tatsächlich zu einer veränderten Rentenzugangsentscheidung der Versicherten geführt haben. Die Analyse basiert auf Auswertungen der nach Geburtsjahrgängen umsortierten Rentenzugänge für die alten Bundesländer im Zeitraum von 1950 bis 1998. Aufgrund der Kenntnis des Alters bei Rentenbeginn, der Bildung von Gruppen (Arbeiter, Angestellte, Frauen, Männer) und wegen der Erfüllung jeweils individueller Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Rentenarten (Erwerbsminderung, Schwerbehinderung, Arbeitslosigkeit, Mindestanzahl an Versicherungsjahren) werden mit diesem Beitrag auch einige Anhaltspunkte für die Ursachen und Veränderungen der Ruhestandsentscheidung der Versicherten gegeben.1
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Literatur
Als weitere Ursachen der individuellen Rentenzugangsentscheidung werden genannt: Ausreichendes Alterseinkommen bezüglich der gewünschten Rentenhöhe oder der sonstigen verfügbaren Alterseinkommen (ggf. im Haushaltszusammenhang), die berufliche Situation, die gesundheitliche Lage, der Rentenzugangszeitpunkt des Partners usw. Aus verschiedenen Blickwinkeln, vgl.: Rehfeld, SoF 1998; Rosenow Naschold: Die Regulierung von Altersgrenzen, Berlin 1994; Behrend: Die künftige Beendigung des Erwerbslebens, Berlin 1997 und Barkholdt: Destandardisierung der Lebensarbeitszeit, Opladen 1998.
Vgl. VDR-Statistik Rentenzugang, verschiedene Jahrgänge
Zur Methodik vgl. die ausführliche Beschreibung von Rehfeld, DRV, 1994. Als Kohorte wird in diesem Beitrag ein Geburtsjahrgang (GBJA) bezeichnet.
Als abgeschlossene Zugangskohorte wird die vollständige Berentung eines Geburtsjahrganges bis zu einem definierten Alter, z.B. 65 oder 67 verstanden.
Gemeint ist der Effekt von Abhängigkeiten zwischen den Rentenarten. Beispielsweise ist der Rentenzugang mit einer Regelaltersrente (ab 65 Jahren) in den neuen Bundesländern deshalb derzeit so niedrig, da die Versicherten bereits überwiegend mit 60 Jahren berentet worden sind.
Jedoch sind Doppelzählungen aufgrund von Änderungen der Rentenart ausgeschlossen.
iiiiiiiiiiiiiiFür die Rentenzugänge in den neuen Bundesländern liegen auswertbare Datensätze erst seit dem Jahr 1992 vor. Zudem konnten für die Knappschaft keine umfassenden Kohortendateien erzeugt werden, da diese erst seit dem Rentenzugang 1980 in das statistische Berichtswesen des VDR integriert wurde.
iiiiiiiiiiiiiiiVgl. aktuell die Chronik in VDR (Hrsg.): RV in Zeitreihen, Ausgabe 2000 und Bäcker, Bispinck, Hofemann Naegele: Sozialpolitik und Soziale Lage in Deutschland, Wiesbaden
Die Tabelle 1 in der Anlage enthält für einige ausgewählte Kohorten auch Daten getrennt nach Arbeitern und Angestellten.
Aufgrund der ständigen Rechtssprechung des BSG wird seit 1969 bzw. 1974 — nach der sogenannten „konkreten Betrachtungsweise“ — nicht nur tatsächlich Berufs-und Erwerbsunfähigen, sondern auch leistungsgeminderten Versicherten eine BU/EU-Rente zuerkannt, wenn ihnen ein Teilzeitarbeitsplatz nicht nachgewiesen werden kann. Vgl. hierzu Seidel, DRV 1997.
Als konkurrierendes Risiko wird an dieser Stelle die „Ausweichreaktion“ von erwerbsgeminderten Versicherten im Altersbereich 60 bis 65 zu den Altersrenten, die ohne Gesundheitsprüfung gewährt werden, verstanden.
Für die gRV wird der Versicherte nach Art der beruflichen Tätigkeit einem Versicherungszweig
Vgl. BMG (Hrsg.): Daten des Gesundheitswesens, Ausgabe 1999, Baden-Baden.
Für den Rentenanspruch mit einer BU/EU-Rente ist es seit 1984 erforderlich 3 Jahre Ptlichtbeiträge in den letzten 5 Jahren vor dem Zeitpunkt der BU bzw. EU nachzuweisen.
Die Unterscheidung nach Versicherungszweigen zeigt, dass diese Rentenart bei Angestellten sogar häufiger ist als der Zugang mit einer BU/EU-Rente. Zur Analyse mit Querschnittsdaten im Bereich der AnV, vgl. Strauch 1999, DAngVers.
Vgl. Kruse, DRV 1998.
Zum Lexis-Diagramm, vgl. Feichtinger: Bevölkerungsstatistik, Berlin/New York 1973.
Diese Form der Darstellung orientiert sich an einer früheren Untersuchung zu diesem Thema, vgl. Reimann 1985, DAngVers.
Dies sind Fälle mit Antragstellung im Jahr 1983 und im ersten Halbjahr 1984, die noch nach der alten Rechtslage bewilligt worden sind.
Mütter der GBJA vor 1921 erhalten zu ihrer Rente eine KLG-Leistung bzw. bei fehlendem Rentenanspruch eine reine KLG-Leistung. Vgl. §§ 294, 295 SGB VI.
Ein weiteres Ergebnis der Sonderauswertung des Rentenbestandes am 31.12.1998 ist, dass unter Einrechnung der rund zu einem Viertel kinderlos gebliebenen Frauen sich für den GBJA 1921 eine durchschnittliche Kinderzahl von 1,66 je Frau ergibt. Hierbei ist zu beachten, dass eine Korrelation zwischen der Kinderzahl und der Rentenart besteht. So ist die durchschnittliche Kinderzahl je Frau bzw. Mutter bei Regelaltersrentenzugängen um ca. 0,3 höher als die oben genannten Gesamtdurchschnitte.
Das Lexis-Tableau zeigt auch, dass die Auswirkungen der Rentenreform 1992 sowie die aktuellen Veränderungen z. B. durch die Anhebung der Altersgrenzen beginnend mit dem Jahr 1997 mit diesem Konzept (noch) nicht aufgezeigt werden können, da der Rentenzugang jüngerer Kohorten nach dem GBJA 1933 noch nicht abgeschlossen ist. Dieses Tableau wird dennoch als ein anschauliches Hilfsmittel angesehen, mit dem vergangene Verhaltensweisen überprüft, Wirkun-gen von Rechtsänderungen beschrieben und Anhaltspunkte für zukünftige Verhaltensweisen gewonnen werden können. Diese Tableaus liegen ebenfalls differenziert nach Arbeitern und Angestellten vor. Da sich die Versicherungsbiographien dieser beiden Gruppen unterscheiden, wirken sich auch die Rechtsänderungen unterschiedlich stark auf die entsprechenden Gruppen aus.
Zum Berentungsrisiko wegen Erwerbsminderung bis zum Alter 60, vgl. z.B. Schuntermann, DRV 1986.
Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass in dieser Analyse die (hinausgeschobenen) Rentenzugänge ab dem 66. Lebensjahr nicht erfasst worden sind. Infolgedessen beträgt der kumulierte Anteilswert im Alter 65 genau 100%.
Vgl. Kruse, DRV 1998.
Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Gesundheitsbericht für Deutschland, Stuttgart 1998. Für jüngere GBJA wurde ein Trend in der Zunahme von psychischen und eine Abnahme von HerzKreislauf-Erkrankungen als Erste Diagnose für die Rentengewährung wegen BU/EU festgestellt.
Vgl. VDR (Hrsg.): RV in Zeitreihen, Ausgabe 1999, zuletzt Ruland, DRV 2000.
Diese neuen Indikatoren sind auszugsweise in Tabelle 4 im Anhang ausgewiesen und werden inder Broschüre „RV in Zeitreihen, Ausgabe 2000“ publiziert. Ein Abruf über die VDR-Home-page unter http://www.vdr.de ist ebenfalls möglich.
Das durchschnittliche Rentenzugangsalter der GBJA 1931 bis 1933 ist noch leicht untererfasst. Würden zudem auch die hinausgeschobenen Regelaltersrentenzugänge ab dem 66. Lebensjahr in die Berechnung einbezogen, so würde dies den jeweiligen Durchschnittswert geringfügig, um ca. 0,3 Jahre, erhöhen.
Vgl. Wübbeke, MittAB 1999.
Vgl. Grütz Faik, DRV 1998.
Vgl. bspw. Schwarz, BIB-Mitteilungen 1/2000. Es wird nachgewiesen, dass die Erwerbsquoten von Frauen z.B. im Alter von 55–59 von 34% (GBJA 1903/07) bis auf 48% (GBJA 1933/37) angestiegen sind. Aufgrund des Trends zur Frühberentung sind jedoch die Erwerbsquoten im Alter 60–64 bei beiden Geschlechtern und auch im Alter 55–59 bei Männern im Kohortenvergleich rückläufig.
Vgl. 1-lusmann, VDR-Presseseminar 1997.
Die Zahlen beziehen sich auf Männer und Frauen, Ost und West und umfassen alle Versicherungszweige.
Als Potenzial werden an dieser Stelle diejenigen Rentenzugänge verstanden, die mit dieser Rentenart tatsächlich berentet worden sind und einen Rentenbeginn nach dem Jahr 1997 auf-weisen. Diese Potenzialzahlen enthalten z.T. auch Aufschieber, die durch einen verlängerten rbeitslosengeldbezug nach dem 60. Lebensjahr und somit einen späteren Rentenbeginn eine abschlagsfreie Rente erhalten.
Vgl. Müller und Hain, DRV 1998.
Vgl. hierzu Riester, DRV 2000 und die laufenden Rentenkonsensgespräche.
Vgl. Wachstums-und Beschäftigungsförderungsgesetz — WFG vom 25.09. 1996, BGBl. I
Mit dem RRG 99 wurde ein demographischer Faktor in die Rentenanpassungsformel eingefügt, der bewirkt, dass die Renteanpassung bei steigender Lebenserwartung niedriger ausfällt. Dieser Faktor wurde durch das Rentenkorrekturgesetz der neuen Regierung ausgesetzt und mittlerweile durch die Anpassung in den Jahren 2000 und 2001 lediglich in Höhe der Inflationsrate ersetzt.
Vgl. Eitenmüller Eckerle, Gutachten der Prognos AG für die GDV, Basel 1999.
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Kruse, E. (2001). Rentenrechtliche Änderungen und Rentenzugangsentscheidung. In: Barkholdt, C. (eds) Prekärer Übergang in den Ruhestand. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11143-6_2
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