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Akteure oder System? Gesellschaftstheoretische Implikationen einer systemischen Steuerungstheorie

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Politische Steuerung
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Zusammenfassung

Die Systemtheorie (in ihrer von Luhmann formulierten Version) zeichnete sich schon während der 70er Jahre durch eine von Skepsis geprägte Realitätsnähe aus, die den gleichzeitig kursierenden Planungs- und Steuerungstheorien aus heutiger Sicht abgesprochen werden muß. Bereits auf der Ebene der einfachen Interaktionssysteme — also z.B. bei Sitzungen und Konferenzen — ist, Luhmann zufolge, eine planmäßige Festlegung von Handlungen wenig erfolgversprechend (Luhmann 1986a: 9 ff.). Umso mehr gilt dies für die Steuerung größerer sozialer Systeme. Eine politische Intervention, die auf die planvolle Gestaltung und Veränderung sozialer Teilbereiche abzielt, überfordert sich selbst, weil sie mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr an die Komplexität ihres Steuerungsgegenstandes heranreicht (vgl. Luhmann 1991b: 287 ff.). Vermutlich ist es gerade diese steuerungspolitische Skepsis, die während der 80er Jahre für eine breitere Aufnahme systemtheoretischer Forschungsansätze gesorgt hat.

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Literatur

  1. Beyme sieht hierin ein durch die Wahl der Beobachtungsperspektive verursachtes Paradoxon: “daß auf der Ebene der neuen Systemtheorien Steuerung von außen durch Politik fast unmöglich erscheint, auf der empirischen Ebene die Erfolge von staatlicher Steuerung durchaus beachtlich erscheinen” (Beyme 1991a: 234).

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  2. Vgl. auch entsprechende Überlegungen bei Luhmann (1988c: 345 ff.). Der Vorwurf des “Steuerungsnihilismus” (Nahamowitz 1987; 1988) ist insofern völlig unbegründet und zielt am Kern der systemtheoretischen Argumentation vorbei.

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  3. Vgl. zu dieser Problematik: Goudsblom 1979: 131 ff.

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  4. Das Problem der nichtintendierten Folgen sozialen Handelns zählt zu den zentralen “Juckepunkten” der soziologischen Handlungstheorie. Vgl. Merton 1936; Boudon 1979; Daele 1980; Wippler 1980; Haferkamp 1980. Dabei wird von handlungstheoretischer Seite zwar die Existenz nichtintendierter Handlungsfolgen zugegeben, gleichwohl aber am Modell rational handelnder Akteure festgehalten. Vgl. die kritischen Anmerkungen bei Ronge (1994: 62, Fußn. 5).

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  5. Zum Begriff der “externen” und “internen” Struktur des Sozialen vgl. Bude 1991.

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  6. Dieses Argument trifft auch dann zu, wenn man, wie Scharpf in seiner Auseinandersetzung mit Luhmann, auf die steuerungspolitische Relevanz kollektiver Akteure, (insbesondere Organisationen) hinweist.

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  7. Vgl. u.a. Fromm 1970; Adorno 1970.

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  8. Vgl. etwa die einflußreiche Untersuchung von Berger/Luckmann (1980).

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  9. Luhmann hat dieses Thema schon zu Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere in den 60er Jahren aufgegriffen. Siehe dazu vor allem seine Untersuchungen über “Funktionen und Folgen formaler Organisation” (Luhmann 1976) und “Zweckbegriff und Systemrationalität” (Luhmann 1973).

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  10. Vgl. Ritter 1987: 335 f. Zum Begriff der “vollständigen” Rationalität vgl. Elster 1987.

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  11. Siehe dazu als “Klassiker”: Lindblom 1959; Simon 1976; Simon 1993.

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  12. Für einen Überblick über strukturalistische und funktionalistische Ansätze in der Soziologie, Ethnologie und Geschichtsforschung vgl.: Boudon 1973; Bühl (Hrsg.) 1975. Ein besonders markantes Beispiel liefert auch die strukturalistische Marx-Rezeption bei Althusser (Althusser 1968; AlthusserBalibar 1972). Zur Kritik vgl.: Schmidt 1969; Jaeggi 1976; Arnason 1976: 33 ff.; Honneth 1977; Thompson 1980; Münster 1987.

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  13. Vgl. als Überblick Clemenz 1970; Turk/Simpson (eds.) 1971; Gouldner 1974, Bd. 1: 210 ff; Loubser u.a. (eds.) 1976; Schluchter (Hrsg.) 1980; Habermas 1981, Bd.2, 295 ff; Wenzel 1990; Brandt 1993.

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  14. Vgl. dazu Luhmann 1984: 148 ff.; Wagner 1991.

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  15. There is a double contingency inherent in interaction. On the one hand, ego’s gratifications are contingent on his selection among available alternatives. But in turn, alter’s reaction will be contingent on ego’s selection and will result from a complementary selection on alter’s part. “ (Parsons/Shils 1951: 16) Der Begriff der doppelten Kontingenz fehlt leider in der deutschen Übersetzung von Michael Schmid (Parsons 1974: 108 ).

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  16. Ritsert formuliert das Problem der doppelten Kontingenz so: “Wie kann das Tun (Lassen, Dulden) der einen mit dem Tun ( Lassen, Dulden) anderer zusammenstimmen, wenn auf allen Seiten Handlungsalternativen (’Kontingenz’) möglich sind?” (Ritsert 1988: 175 )

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  17. Für die Handlungstheorie besteht der Bezugspunkt aller terminologischen Festlegungen in der Handlung eines individuellen Aktors oder eines Kollektivs von Aktoren.“ (Parsons 1974: 95)

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  18. Gouldner zufolge ist der konservative Grundzug des Strukturfunktionalismus bereits mit der Ausgangsfrage nach der Möglichkeit gesellschaftlicher Ordnung festgelegt: “Nach sozialer Ordnung zu suchen heißt, nach Ordnungsfaktoren zu suchen, die die Willkür und Zufälligkeit menschlichen Verhaltens abblocken können; nach ‘sozialen Strukturen’ zu suchen, nach Dingen, die wie Klippen in den Strom fließenden menschlichen Verhaltens hineinragen und es in genormte Abläufe kanalisieren oder eindämmen.” (Gouldner 1974, Bd. 1: 307) Diese Argumentation erscheint allerdings nicht ganz schlüssig. Denn was hindert die Soziologie, gegebene Ordnungsformen infrage zu stellen und mit funktionalen Alternativen zu konfrontieren (Luhmann 1991a: 31 ff.)? Strukturkonservativ ist nicht die von Parsons gewählte Fragestellung, sondern seine Antwort.

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  19. Dies ist dann auch der Punkt, wo sich Luhmann vom Strukturfunktionalismus parsonianischer Provenienz trennt (vgl. Luhmann: 1991a: 114). Anknüpfend an die Idee der funktionalen Differenzierung, begreift er die Beziehung zwischen den Systemen nicht als ein Verhältnis der Unterordnung und Kontrolle, sondern als horizontale Koppelung autonomer Einheiten, die sich durch ihre selbstbezügliche Operationsweise voneinander abgrenzen (Luhmann 1992b: 123 f.).

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  20. Vgl. Munch 1979; 1980; 1988.

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  21. Vgl. dazu vor allem die Einführung von Hans Joas (1988) und die ausführliche Studie von Bernd Kießling (1988a).

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  22. In einem Gespräch hat Giddens seine Kritik an Parsons wie folgt präzisiert: “So erscheint hier etwa das menschliche Subjekt nicht genuin als prinzipiell frei und selbstbestimmt handelndes Wesen, sondern eher als passive Marionette undurchsichtiger normativer und struktureller Kräfte und Mechanismen.” (Kießling 1988b: 287)

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  23. Vgl. die berühmte Definition von Max Weber: “Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.” (Weber 1980: 28)

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  24. Dabei läßt sich folgender Grundsatz aufstellen: “Im allgemeinen gilt, daß, je weiter die Handlungsfolgen in Raum und Zeit von dem ursprünglichen Handlungskontext entfernt sind, desto weniger wahrscheinlich jene Folgen beabsichtigt sein dürften - dies ist aber selbstverständlich sowohl durch den jeweiligen Horizont der Bewußtheit der Akteure als auch durch die Macht, die sie mobilisieren können, beeinflußt.” (Giddens 1988: 62)

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  25. So gut wie sie bestimmte Handlungsmöglichkeiten einschränken oder negieren, dienen sie dazu, andere zu eröffnen.“ (Giddens 1988: 227)

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  26. Vgl. etwa Huebner u.a. 1990a.

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  27. Ich verwende hier den Hegelschen Terminus der “Vermittlung”, weil dadurch Giddens’ Strategie recht genau charakterisiert wird (vgl. auch Kießling 1988b: 288).

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  28. Vgl. dazu insbesondere die Beiträge in Honneth/Joas (Hrsg.) 1986.

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  29. Die kontinuierliche Beunruhigung durch Erfahrung und Widerspruch, Kontingenz und Kritik bricht sich in der Alltagspraxis an einem breiten, unerschütterlichen, aus der Tiefe herausragenden Fels konsentierter Deutungsmuster, Loyalitäten und Fertigkeiten. “ (Habermas 1992: 38 )

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  30. Sowohl Legitimations-wie Steuerungsdefizite setzen Prämien auf eine Art von Inkrementalismus, der von Quietismus kaum noch zu unterscheiden ist.“ (Habermas 1992: 403)

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  31. Joas kann sich bei seiner Habermas-Kritik wohl kaum auf die “Theorie der Strukturierung” berufen. Zum einen weist Giddens die von Joas favorisierten handlungstheoretischen Ansätze (von Mead und anderen) ausdrücklich als unzureichend zurück. Zum anderen gesteht er, wie oben bereits erwähnt, den kollektiven Akteuren nur eine untergeordnete Rolle bei der rekursiven Strukturierung sozialer Systeme zu.

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  32. Die von Joas vorgeschlagene Lösung (vgl. ausführlicher Joas 1992: 290) kann hier nicht weiter diskutiert werden. Es bleibt aber anzumerken, daß funktionale Teilsysteme (als Makroebene der Gesellschaft) niemals zur Gänze durchorganisiert sind. Deshalb dürfte eine Erweiterung des handlungstheoretischen Bezugsrahmens durch Einbeziehung kollektiver Akteure nicht ausreichen, wenn es um die Analyse sozialer Makrophänomene geht.

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  33. Honneth 1986: 307 ff; McCarthy 1989: 547 ff.

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  34. Auch die kulturelle Integration sozialer Gruppen vollzieht, wie Honneth hervorhebt, “über ein ganzes Netz von kommunikativen Handlungen, das von den Gruppenmitgliedern als solches gar nicht überblickt zu werden vermag” (Honneth 1986: 321 f.). Vgl. auch entsprechende Überlegungen bei Giddens (1988: 65).

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  35. Eine ausführlichere Darstellung des von Habermas herangezogenen Organisationsmodells findet sich in Kap. 2.2.

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  36. Die in Organisationen erbrachten Handlungsvollzüge “bleiben nicht nur in dem Sinn von Praktiken der sozialen Verständigung abhängig, daß sie ohne die Vermittlung direkter, situationsbezogener Absprachen gar nicht zu einem Netz funktionsgerechter Leistungen verknüpft werden könnten, sondern sind auch in dem Sinn an einen Prozeß der normativen Konsensbildung gebunden, daß ihr spezifischer Aufgabenbereich und ihre besondere Gestaltungsform immer wieder neu sozial ausgehandelt wird” (Honneth 1986: 329).

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  37. McCarthy hebt hervor, daß Habermas bei der Analyse des politischen Systems “so viel aus dem begrifflichen Arsenal der Systemtheorie übernommen hat, daß er Gefahr läuft, nicht mehr imstande zu sein,in diesen Begriffen eine Antwort auf diese Frage zu formulieren, die mit seinen erklärten politischen Idealen kompatibel ist.” (McCarthy 1989: 594)

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  38. Vgl. auch die Argumentation von McCarthy (1989: 584 ff.).

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  39. Gunther Teubner bemüht sich neuerdings um eine systemtheoretische Aufwertung der Lebenswelt. Nach seiner Auffassung sind Teilsysteme füreinander kommunikativ erreichbar, weil lebensweltliche und teilsystemspezifische Kommunikation wenigstens partiell zusammenfallen (Teubner 1989: 107). Die Lebenswelt fungiert damit als unabdingbare Brücke zwischen den ansonsten autopoietisch geschlossenen Teilsystemen. Vgl. dazu die kritischen Anmerkungen von Jürgen Habermas (1992: 73 ff.).

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  40. Sozialintegration bleibt auf die Kopräsenz derjenigen angewiesen, deren Verhalten integriert wird. Sie läuft über Wahrnehmung und über Wahrnehmung des Wahrnehmens anderer.“ Luhmann 1990b: 122)

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  41. Vgl. dazu aus systemtheoretischer Sicht Fuchs 1992: 117 ff.; zur Kritik vgl. Grathoff 1987: 251 ff.

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  42. Dies wird von Manfred Frank bestritten. Die Schwächen der Theorie kommunikativen Handelns bestehen nach seiner Auffassung gerade darin, daß es ihr nicht gelingt, Intersubjektivität im handelnden (kommunizierenden) Subjekt zu fundieren (Frank 1993: 273 ff.).

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  43. Die wenigen Jahrtausende, die wir überblicken können, haben zwar zu einer immensen Steigerung der Reichweite, des Tempos, der Themenbreite, kurz: der Komplexität von Kommunikation geführt, ohne daß aber dadurch die Integration von Lebens-und Bewußtseinszuständen der Individuen verbessert worden wäre. Im Gegenteil: es ist nicht mehr unwahrscheinlich, daß durch Auswirkungen von Kommunikation Leben und Bewußtsein von Menschen gänzlich ausgelöscht werden. Unter solchen Umständen ist es ebenso verständlich wie hoffnungslos, Idealbedingungen eines Konsenses aller wohlmeinenden Individuen zu normieren.“ (Luhmann 1990a: 22 f.)

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  44. Vgl. Eichmann 1989a; Eichmann 1989b; Willke 1989a: 106; Miller 1992.

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  45. Für soziale Systeme vgl. vor allem Luhmann 1984; für psychische Systeme vgl. Luhmann 1985c; 1991e.

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  46. Aus der schier unübersehbaren Forschungsliteratur seien hier nur einige Sammelbände aufgezählt: Yovits/Cameron eds.) 1960; Roth/Schwegler (eds.) 1981; Ulrich/Probst (eds.) 1984; Dress u.a. (Hrsg.) 1986; Kratky/Wallner (Hrsg.) 1990; Krohn/Küppers (Hrsg.) 1990; Niedersen/Pohlmann (Hrsg.) 1990; Krohn/Küppers (Hrsg.) 1992a.

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  47. Vgl. Zeleny (ed.) 1981; Maturana 1985; MaturanaNarela 1987; RiegasNetter (Hrsg.) 1990a; Fischer (Hrsg.) 1993.

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  48. Vgl. Foerster 1985; Glasersfeld 1987; Schmidt (Hrsg.) 1987a; Watzlawick 1991a; Watzlawick (Hrsg.) 1991b; Watzlawick/Krieg (Hrsg.) 1991; Schmidt (Hrsg.) 1992; Gumin/Meier (Hrsg.) 1992; Foerster 1993; Schmidt 1994.

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  49. Die Übertragung naturwissenschaftlich-biologischer Modelle wie “Selbstorganisation” oder “Autopoiesis” auf sozialwissenschaftliche Fragestellungen ist viel diskutiert und kritisiert worden. Vgl. etwa Bühl 1987; Lipp 1987; Rottleuthner 1988; Druwe 1989; Kargl 1991; Müller 1992. So erhebt z.B. Druwe den Vorwurf, daß Luhmann die Begriffe von Maturana und Varela für seine Zwecke zurechtbiegt, ohne sich um den damit gemeinten Gehalt zu kümmern (Druwe: 1989: 47). Demgegenüber weist Luhmann energisch auf den heuristischen Stellenwert des Autopoiese-Konzepts hin: “Man sollte von einem Kritiker wohl verlangen dürfen, daß er zwischen dem abstrakten Sinn des Begriffs und seiner Materialisation durch biochemische bzw. kommunikative Operationen unterscheiden kann. Im soziologischen Kontext kommt es allein darauf an, ob der Begriff der Autopoiesis zur Formulierung von wissenschaftlich fruchtbaren (und das schließt ein: empirisch fruchtbaren) Hypothesen führt.” (Luhmann 1993b: 47, Fußn. 17).

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  50. Trotz (oder vielmehr, bei genauerer Überlegung, wegen) der herrschenden Begriffsverwirrung in der “galaxie auto’, die mit der von Luhmann formulierten ”Autopoiesis des Sozialen“ eher noch vergrößert worden ist, muß an dieser Stelle auf eine Präzisierung und Abgrenzung der verwendeten Grundbegriffe verzichtet werden. Ansätze für eine systematische Klärung des Begriffsfelds finden sich bei Teubner (1989: 28 ff.).

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  51. Zum konstruktivistischen Prinzip der “Viabilität” vgl. Glasersfeld 1991: 24; Glasersfeld 1992: 18 ff.

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  52. Vgl. dazu auch die weiterführenden Bemerkungen bei Luhmann 1990b: 31 ff.

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  53. Luhmann ist sich bisher nicht über die elementare Operationsweise psychischer Systeme schlüssig geworden. Gegen Mitte der 80er Jahre sah er “Gedanken” als Letztelemente in der Autopoiesis des Bewußtseins an (Luhmann 1985c: 406); inzwischen scheint er eher dem Husserlschen Begriff der “Intentionalität” zuzuneigen (Luhmann 1992c: 123).

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  54. Luhmann kritisiert den Begriff des “Unbewußten”, der, “da es Unheiten nicht gibt, nur verrät, daß der Sprecher über sich selber spricht” (Luhmann 1991d: 67). Gleichwohl stellt sich auch für ihn das vom radikalen Konstruktivismus diskutierte Problem des “blinden Flecks”: Wie kann ich jene latenten Strukturen erkennen, die ich bei meinen Beobachtungen als Bedingung ihrer Möglichkeit stets voraussetzen muß? “Der Beobachter ist”, wie Luhmann bemerkt, “das Nicht-Beobachtbare.” (Luhmann 1991d: 65.) Vgl. zum Problem des “blinden Flecks” auch MaturanaNarela 1987: 21 ff.; Foerster 1992: 49 ff.; Schulte 1993.

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  55. Dies gilt erst recht, wenn man die Menschen in ihrer gesamten leiblich-geistigen Existenz ins Auge faßt. Luhmann stellt fest, “daß der Mensch das, was in ihm an physischen, chemischen, lebenden Prozessen abläuft, nicht einmal selbst beobachten kann. Seinem psychischen System ist sein Leben unzugänglich, es muß jucken, schmerzen oder sonstwie auf sich aufmerksam machen, um eine andere Ebene der Systembildung, das Bewußtsein des psychischen Systems, zu Operationen zu reizen ” (Luhmann 1984: 68 ).

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  56. Die Überlastung des Begriffs kommunikativer Verständigung mit der auf psychische Systeme gemünzten Überzeugungsarbeit wird von Luhmann scharf kritisiert. Vgl. Luhmann 1992a: 194, Fußn. 52.

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  57. Als Stabilisatoren in Situationen doppelter Kontingenz haben Erwartungsstrukturen eine zentrale Bedeutung für die Theorie sozialer Systeme. So begründet sich auch Luhmanns These, “daß Strukturen sozialer Systeme in Erwartungen bestehen, daß sie Erwartungsstrukturen sind und daß es für soziale Systeme (chrw(133)) keine anderen Strukturbildungsmöglichkeiten gibt” (Luhmann 1984: 398 f.). Johannes Berger hat diesen, wie er meint, reduktionistischen Strukturbegriff scharf kritisiert. Luhmann sei aufgrund seiner Nähe zur phänomenologischen Forschung nicht in der Lage, die objektive Härte sozialer Strukturen (Einkommenstruktur, Struktur der Arbeitslosigkeit etc.) zu erfassen. Vgl. Berger 1987: 129 ff.

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  58. Autopoiesis qua Leben und qua Bewußtsein ist Voraussetzung der Bildung sozialer Systeme, und das heißt auch, daß soziale Systeme eine eigene Reproduktion nur verwirklichen können, wenn die Fortsetzung des Lebens und des Bewußtseins gewährleistet ist.“ (Luhmann 1984: 297)

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  59. Neben der Sprache stellt - Maturana zufolge - die Liebe das Fundament der menschlichen Sozialität dar: “Sozial sein schließt immer ein, mit anderen zusammenzugehen; und aus freien Stücken geht man nur mit dem zusammen, den man liebt.” (Maturana 1987: 300) Luhmann würde vermutlich diese anthropologische Fundierung des gesellschaftlichen Ordnungsproblems und die damit verbundene humanistische Emphase trotz aller Hochachtung vor dem “Meister” (Luhmann 1984: 298) als Relikt des alteuropäischen Denkens charakterisieren. Die von Luhmann geprägte Formel des “operativen Konstruktivismus” grenzt sich genau gegen diese Subjektzentrierung ab und ersetzt sie durch die “Referenz auf ein empirisch beobachtbares, operativ geschlossenes, selbstreferentielles System” (Luhmann 1991d: 73, Fußn. 20).

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  60. Für mich liegt Luhmanns größter Fehler darin, daß er die Menschen ausläßt.“ (Maturana 1990: 39)

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  61. Man könnte diese Aussage im Falle der Familie bezweifeln. Aber: “Die Familie ist ein System, in dem die Personen ihr Handeln bei ihrem Zusammenleben koordinieren. Die Tatsache, daß bei dem Zusammenleben gelegentlich auch Kinder hervorgebracht werden, ist nicht das zentrale Element. ” (Maturana 1990: 38 )

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  62. Vgl. vor allem Görlitz (Hrsg.) 1989a; Görlitz/ Druwe (Hrsg.) 1990.

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  63. Maturana zufolge kann nicht einmal das Nervensystem als autopoietisches System charakterisiert werden. Es ist zwar geschlossen, erzeugt aber nicht die Elemente, aus denen es besteht. Vgl. Maturana 1990: 39.

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  64. Es gibt keinen Einbau von Operationen des einen Systems in das andere etwa so, daß es zu einer Sequenz von Denken und Kommunizieren und weiterem Denken und Kommunizieren als Modus der Selbsttransformation ein und desselben Systems kommen könnte.“ (Luhmann 1992c: 125)

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  65. Obwohl Luhmann immer schon die Prämissen der soziologischen Handlungstheorie in Frage gestellt hat, ist die Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft erst seit seiner “autopoietischen Wende” eindeutig geklärt. So hält er etwa noch in seiner “Politischen Theorie im Wohlfahrtsstaat” von 1981 an der sozialen Inklusion der Menschen fest: “Menschen, konkrete individuelle Personen nehmen an all diesen sozialen Systemen teil, gehen aber in keinem dieser Systeme und auch nicht in der Gesellschaft selbst ganz auf. Die Gesellschaft besteht nicht aus Menschen, sie besteht aus Kommunikationen zwischen Menschen.” (Luhmann 1981: 20)

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  66. Man beachte die Zweideutigkeit der von Luhmann gewählten Formulierung: “Er” - nämlich Helmut Schelsky - “konnte Wendepunkte sehen oder auch Schwachstellen einer Theorie. ‘Wo bleibt bei Ihnen der Mensch?’ hat er mich immer wieder gefragt, und an Jürgen Habermas ging einmal die Frage, was denn nach dem Konsens komme.” (Luhmann 1992b: 49)

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  67. Der Begriff des “methodischen Antihumanismus” ist doppeldeutig, weil er einerseits als Kritik an der funktionalistischen Methode gemeint ist, andererseits aber im Begriff des “Antihumanismus” - entgegen den Intentionen von Habermas - eine normative Komponente mitführt. Deshalb kommt an dieser Stelle eine Schärfe in die Auseinandersetzung hinein, die durch Begriffe wie “A-Humanismus” (Beyme 1991a: 168) oder - besser noch -“Anti-Individualismus” hätte vermieden werden können.

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  68. Dieser Realismus wird freilich im Gewande einer “fröhlichen Wissenschaft” präsentiert. Während seine Kritiker ihr gesellschaftskritisch-humanistisches Anliegen meist ohne den leisesten Funken von (Selbst-) Ironie präsentieren (dafür ist die Angelegenheit offenbar zu ernst), sieht man - so Walter Reese-Schäfer über Luhmann - “bei vielen sarkastischen und ironischen Anmerkungen die Goldzähne des Lästermauls aus dem civil service blitzen” (Reese-Schäfer 1992: 161). Dies könnte zumindest einen Teil der von der Luhmannschen Theorie ausgehenden Faszination erklären.

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  69. Die Theorie operativ geschlossener, autopoietischer Systeme (chrw(133)) ist radikal antihumanistisch, wenn unter Humanismus eine Semantik verstanden wird, die alles, auch die Gesellschaft, auf die Einheit und Perfektion des Menschen bezieht. Sie ist zugleich eine Theorie, die, im Unterschied zur humanistischen Tradition, das Individuum ernst nimmt.“ (Luhmann 1992c: 131)

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  70. Dies wird sehr schön von Teubner herausgearbeitet: “Entsprechend führen menschliche Akteure eine merkwürdige Doppelexistenz in der Welt der Autopoiese. In ihrer SozioExistenz sind sie nur blasse Konstrukte autopoietischer Sozialsysteme, darunter des Rechts; in ihrer Psycho-Existenz sind sie selbst vibrierende autopoietische Systeme.” (Teubner 1990: 130)

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  71. Vgl. dazu vor allem Foerster 1992: 62 ff.

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  72. Brauchbare Erziehung beginnt, wie Wilke im Anschluß an Alice Miller hervorhebt, “erst dann, wenn der Erzieher nicht etwas erreichen, nichts übertragen oder vermitteln will, sondern zuläßt, stützt und auffängt” (Willke 1992: 162).

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  73. Damit steht der methodologische Individualismus in der Tradition der vestehenden Soziologie Max Webers, der den Kollektiven pauschal die Handlungsfähigkeit abgesprochen und ihnen nur einen fiktiven - gleichwohl geschichtsmächtigen - Charakter zugebilligt hat (Weber 1980: 6 f.).

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  74. So aber die Behauptung von Teubner (1990: 115 ff.).

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  75. Über die pauschal akzeptierten Mitgliedschaftsbedingungen und mit Hilfe der generalisierten Folgebereitschaft ihrer Mitglieder macht sich eine Organisation unabhängig von konkreten Handlungsdispositionen und Zielen, überhaupt von den partikularen Lebenszusammenhängen, die sonst mit dem sozialisatorischen Hintergrund der Persönlichkeitseigenschaften in die Organisation einströmen würden und deren Steuerungsfähigkeit blockieren müßtenchrw(133)“ (Habermas 1981, Bd. 2: 456).

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  76. Vgl. auch die Habermas-Kritik bei Honneth und McCarthy (Kap. 2.1.).

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  77. Vgl. zum folgenden: March/Olsen 1976; Weick 1985; Köpper/Ortmann (Hrsg.) 1988; Türk 1989; March (Hrsg.) 1990; Luhmann 1992a: 203 ff.; Kieser (Hrsg.) 1993.

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  78. Siehe dazu vor allem die bahnbrechende Untersuchung von Crozier/Friedberg (1979).

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  79. Vgl. dazu kritisch Teubner 1992a: 208.

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  80. So schreibt F.W. Scharpf: “Die Organisation kann (chrw(133)) im Gefüge ihrer selbstgesetzten und intern stabilisierten Entscheidungsprämissen auf Außen-Impulse nicht mit der vollen Breite aller objektiv möglichen Reaktionen antworten. Sie entwickelt einerseits eine eigensinnige Selektivität schon bei der Aufnahme externer Signale, durch die die übergroße Mehrheit aller Umweltinformationen von vornherein als irrelevant ausgeblendet wird; und sie ist andererseits bei der Verarbeitung der aufgenommenen Signale durch interne Routinen der Informationsverarbeitung und Konfliktregelung festgelegt, die das Repertoire möglicher Reaktionen begrenzen.” (Scharpf 19876: 118 )

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  81. Organisationen sind insofern soziale Systeme, die sich erlauben, menschliches Verhalten so zu behandeln, als ob es ein Entscheiden wäre.“ (Luhmann 1991b: 354) Der Einwand von Becker, Köpper und Ortmann, daß man es in Organisationen nicht bloß mit Entscheidungen, sondern z. B. auch mit einer Vielzahl von Routinehandlungen zu tun habe, erledigt sich damit von selbst (vgl. Becker u.a. 1988: 106 ).

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  82. In gewissen Hinsichten kann man Organisation auch als Transformation des Mediums Geld in das Medium Macht begreifen.“ (Luhmann 1988c: 310)

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  83. Im Kontext der autopoietischen Reproduktion wirkt die Umwelt als Irritation, als Störung, als Rauschen, und sie wird für das System erst sinnvoll, wenn sie auf die Entscheidungszusammenhänge des Systems bezogen werden kann.“ (Luhmann 1988d: 173)

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  84. Die Intransparenz interorganisatorischer Beziehungen setzt dann in einem zweiten Schritt Verständigungsprozesse in Gang, bei denen die organisatorischen “black boxes” durch wechselseitige Unterstellung reflexiver Interessen aufgehellt werden. Organisationen können, so Schimank, davon ausgehen, daß sich ihre Verhandlungspartner von einem generalisierten Interesse an Wachstum, Domänensicherung und Autonomie leiten lassen: “Die reflexiven Interessen sind gewissermaßen ‘Generalschlüssel’, mit denen man sich auch dann einen Zugang zum Interessenhorizont des Gegenübers verschaffen kann, wenn man über den eigentlich benötigten ’Spezialschlüssel’, also ein detailliertes Wissen über dessen konkrete Situation, nicht verfügt.” (Schimank 1992a: 267)

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  85. Wie Hans Geser bemerkt, lassen sich Organisationen viel zuverlässiger als Individuen in übergeordnete Steuerungssysteme integrieren: “Während man nie sicher sein kann, ob hohe Gefängnisstrafen auf zukünftige Straftäter abschreckend wirken oder höhere Familienzulagen die Gebärfreudigkeit steigen lassen, hat man größere Gewißheit, in welchem Maße profitorientierte Firmen Subventionen als positive Anreize und Exportbeschränkungen als negative Sanktionen empfinden.” (Geser 1990: 412) Umgekehrt sorgt die Abhängigkeit der Organisationen vom Geldmedium natürlich auch für eine Einschränkung steuerungspolitischer Handlungsmöglichkeiten: Man kann von Organisationen (zumal im Bereich der Wirtschaft) nicht gut erwarten, daß sie aus ethischen oder ökologischen Gründen bereit sind, finanzielle Einbußen in Kauf zu nehmen oder gar ihre Existenz aufs Spiel zu setzen.

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  86. Wir folgen also nicht der Interpretation von Uwe Schimank, der die Selbstreferentialität von Organisationen allein durch deren Formalstruktur gewährleistet sieht (Schimank 1987: 57 f.).

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  87. Vgl. Willke 1978; Neidhardt 1979; Tyrell 1983; Hahn 1983.

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  88. Vgl. Japp 1986a; Japp 1986b; Luhmann 1991c: 136.

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  89. Vgl. Luhmann 1986a: 9 ff.; Luhmann 1984: 551 ff.; Willke 1987a: 51 ff.; Hausendorf 1992.

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  90. Ob es sich dabei, wie Teubner vermutet, um evolutionäre Steigerungsformen der Selbstreferenz handelt, die mit zunehmender systeminterner Ordnungsbildung schließlich in den Prozeß der Autopoiesis münden, muß an dieser Stelle offen bleiben. Luhmann seinerseits plädiert dafür, auf gradualistische Modelle zu verzichten und am strikten Begriff der Autopoiesis festzuhalten: “Ein System ist autopoietisch oder es ist es nicht, es gibt keine halb autopoietischen, halb allopoietischen Systeme.” (Luhmann 1987c: 318)

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  91. Damit befinden wir uns vordergründig wieder auf dem Boden der Weberschen Soziologie. Wie bereits erwähnt, sind kollektive Akteure nach Webers Auffassung eben deswegen als Akteure anzusehen, weil ihnen bestimmte Handlungen zugeschrieben werden (können). Anders als die Systemtheorie sucht Weber freilich das Substrat kollektiven Handelns in den Handlungen der einzelnen Mitglieder und nicht in der selbstreferentiellen Struktur des Systems.

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  92. Die autopoietische Wende hat Luhmann immer weiter von konkreten Analysen entfernt.“ (v. Beyme 1991a: 250)

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  93. Wie Willke in seiner “Ironie des Staates” hervorhebt, zielt das Recht auf die “Gestaltung der Intersystembeziehungen autonomer, handlungsfähiger, interdependenter Teilsysteme” (Willke 1992: 207). Und an anderer Stelle sieht er sogar “ganze Gesellschaften” als handlungsfähig an (Willke 1984: 37).

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Ulrich, G. (1994). Akteure oder System? Gesellschaftstheoretische Implikationen einer systemischen Steuerungstheorie. In: Politische Steuerung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11091-0_3

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