Zusammenfassung
Die Rede von der »kulturellen Identität« gehört inzwischen zum »Kleingeld« der Diskussion über interkulturelle Erziehung. Sie stellt eine besonders problematische Version des allgemein verbreiteten Identitätsbegriffs dar, dessen Bedeutung im Maße seiner grassierenden Verwendung an Klarheit verloren hat. Faszination hat dieser Begriff gewonnen, weil die Sehnsucht nach Einheit, Ganzheitlichkeit und Einmaligkeit auf ihn projiziert wird. Je unübersichtlicher und entstrukturierter die inneren und äußeren Verhältnisse von Personen werden, um so eher greifen sie auf eine Überschaubarkeit versprechende Vorstellung zurück. Die Verwendung des Begriffs signalisiert also zunächst einmal krisenhafte Erfahrungen; die Notwendigkeit zur Selbstvergewisserung ist ein Element von Krisen — ob sie durch die Rückwendung zu einem Zustand, in dem man »Identität« vermutet, bewältigt werden können, ist mehr als offen. Denn ein unvermittelter Rückgriff auf »alte« Gewißheiten kann in der Regel nur kurzfristig Sicherheit vermitteln. Dauerhaft können Krisen nur in der Bewältigung der mit ihnen verbundenen Entwicklungsaufgaben überwunden werden, was in der Regel die Erarbeitung neuer »Identitäten« erfordert.
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Literatur
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Hamburger, F. (1998). »Identität« und interkulturelle Erziehung. In: Gogolin, I., Krüger-Potratz, M., Meyer, M.A. (eds) Pluralität und Bildung. Schriften der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften (DGfE). VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11056-9_9
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