Überblick
Bereits frühzeitig beschäftigten sich die Finanz- und Wirtschaftswissenschaften mit den Bestimmungsgründen des Leistungsprofils moderner Wohlfahrtsstaaten. Die sozial-ökonomischen Erklärungsmodelle wurden in politikwissenschaftlichen Untersuchungen um politische Systemvariablen als weitere Bestimmungsgrößen ergänzt. Diese Analysen der politikwissenschaftlichen Policy Output-Forschung begründen die Forschungsperspektive der vorliegenden Arbeit. Auf Grundlage der Systemanalyse David Eastons versucht die Policy Output-Forschung, in systematisch vergleichender Vorgehensweise das Niveau und die Struktur der Public Policies aus den Merkmalen des politischen Systems, der Sozialstruktur, den wirtschaftlichen Gegebenheiten und — in geringerem Maße — kulturellen Verhältnissen in einer Gesellschaft zu erklären. Die Policy Output-Forschung ist ihrem Selbstverständnis nach einer empirischen Sozialwissenschaft verpflichtet, die in ihrer quantitativen Orientierung den statistischen Test der unterstellten Kausalbeziehungen zum Ziel hat. Die Mehrzahl der vorliegenden Untersuchungen interessiert sich für den Prozeßaspekt der Politik und seinen Einfluß auf den Systemoutput. Zahlreiche Output-Studien beschäftigen sich insbesondere mit den unterschiedlichen sozial- und ordnungspolitischen Orientierungen der konkurrierenden Parteien und ihrer Reproduktion in der Politik bürgerlich-konservativer bzw. sozialistisch-sozialdemokratischer Mehrheiten auf nationaler und subnationaler Ebene. Die zu untersuchenden Politikinhalte setzt man in der Forschungspraxis zumeist mit dem materialisierten Ergebnis politischer Entscheidungen gleich und mißt sie an statistischen Größen (wie Steuerquote oder öffentliche Ausgaben).
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Literatur
Vgl. Dittrich 1957; Evers 1957, 1958; Groll 1956, 1958.
Vgl. Bahl 1969, Deppe 1966; Hauser et al. 1975; Morss 1966; Peacock, Wiseman 1961; Raske 1971; Stohler, Frey 1967; G. Wilensky 1970; H.L. Wilensky 1975; Zöllner 1963.
vgl. Görlitz 1995: 104ff; Kaufmann 1996; Luhmann 1988; Mayntz 1993; Scharpf et al. 1976), wobei in empirischen Untersuchungen insbesondere die Wirkung bereichsspezifischer Policy-Netzwerke und die Einbindung in verflochtene Verhandlungssysteme als strukturelle Grenzen autonomer Steuerungsfähigkeit des Staates herausgestellt werden. Ohne daß an dieser Stelle eine umfassende Würdigung beabsichtigt wird, läßt sich gegenüber diesen Ansätzen einwenden, daß sie zumindest die Rolle der Parteien nicht ausreichend berücksichtigen, die aber ein wesentliches Element der Verflechtungsstrukturen darstellen: „Parties are, according to most modem democracy theory, the vehicles by which issues are articulated for electoral review. Parties are the organizing instruments for electoral contests, which may be fought over competing packages of such articulated issues. And, after the election, parties are the instruments responsible for the conduct of govemment, centrally located in the legislative process“ ( Hofferbert, Cingranelli 1996: 601 ).
Gerade Volksparteien mit ihrem umfassenden Vertretungsanspruch können der Verselbständigung von Policy-Netzwerken entgegenwirken (vgl. Windhoff Héritier 1987: 47; zur Bedeutung der Parteien in der Politikverflechtung vgl. auch Kropp 1997: 253; Renzsch 1995: 170ff.).
Und solange nach Mehrheitsregeln auf Basis parteipolitischer Mehrheiten entschieden wird, besitzt der demokratische Staat nach wie vor die Möglichkeit, unterschiedliche ordnungs-und sozialpolitische Grundvorstellungen „mittels seiner Rechtsetzungskompetenz, seiner Steuerkompetenz und notfalls mittels seines Gewaltmonopols auch gegen Widerstand durchzusetzen“ (Scharpf 1992: 105).
Schließlich weisen die Ergebnisse empirischer Untersuchungen auch darauf hin, daß die bestehenden Verflechtungsstrukturen durchaus reformerische Spielräume bieten, die den in diesem Zusammenhang üblichen Annahmen zur mangelnden Leistungsfähigkeit und zu den Tendenzen der Problemlösungsblockade durch die Tatbestände der Politikverflechtung klar widersprechen.
Die Einbindung in verflochtene Verhandlungssysteme bedeutet für die staatlichen Akteure folglich nicht nur einen Verlust an Handlungsautonomie, sie kann gleichzeitig auch einen Gewinn an Steuerungschancen mit sich bringen“ (Grande 1995: 359f.; vgl. hierzu auch Benz 1985: 91ff.; Czada 1995; Goetz 1995).
Zur Konsistenz dieser Annahmen mit dem Modell Eastons vgl. ausführlich Kapitel 8.3.
Vgl. Cameron 1978; Cameron, Hofferbert 1974; Castles, McKinlay 1979; Schmidt 1993a: 385ff.; Wilensky 1975. Üblicherweise wird in diesem Zusammenhang angenommen, daß das Ausmaß der wohlfahrtsstaatlichen Politik in tbderalistischen Systemen geringer sei als in starker zentralistisch organisierten Systemen (vgl. Nelson 1992; Schmidt 1982a: 59ff.). Schmidt (1982a: 60) begründet diesen Zusammenhang mit den geringen Konsensbarrieren und Vetopositionen sowie den einheitlichen Zuständigkeiten im Rahmen zentralistischer Arrangements. Seiner Ansicht nach ist die gegenteilige These allerdings ebenso plausibel, weil föderalistisch organisierte Länder der expansionistischen Dynamik einer Vielzahl politischer Entscheidungszentren besonders stark unterliegen können.
Vgl. hierzu insbesondere die frühen Arbeiten Thomas R. Dye (1965, 1966 ). Sein „Index of Malapportionment“ sollte insbesondere den Konflikt zwischen städtischen und ländlichen Interessen erfassen: „[I]t is frequently argued that there are important policy differences between urban and rural constituencies and that malapportionment which overrepresents rural interests grants the rural constituencies a real advantage in policy-making” (Dye 1966: 18). Der „Index of Malapportionment“ erfaßt das Ausmaß, in dem die Bevölkerung eines Bundesstaates in der Legislative repräsentiert ist. Nach Dye (1965: 588f., 1966: 63ff.) besteht er aus folgenden Einzeldimensionen: (1) dem für die Wahl einer Mehrheit in der Legislative notwendigen Bevölkerungsanteil, (2) dem Ausmaß, in dem städtische Ballungsgebiete in der Legislative unterrepräsentiert sind, sowie (3) der Abweichung der Bevölkerungsgröße der einzelnen Wahlbezirke von der eines durchschnittlichen Bezirks.
Vgl. Boss et al. 1986 bzw. Boss, Bothe 1987; Bothe 1989; Kunz, Zapf-Schramm 1989. Die Arbeiten untersuchen die finanzpolitischen Allokationseffekte der Grundmodelle der Kommunalverfassungen, die bis zur Wiedervereinigung die Organisation der kommunalen Selbstverwaltung in den alten Bundesländern prägten. Zur Anlage und den Ergebnissen der Studien vgl. den Überblick in Kapitel 3.
Vgl. hierzu insbesondere Clark 1968; Liebert 1974; Lineberry, Fowler 1967. Die Reform der US-amerikanischen Kommunalverfassung zielte auf eine Rationalisierung und Demokratisierung der Entscheidungen im kommunalen politischen System. Die Einführung der City Manager-Verfassung sollte zu einem „community oriented leadership“ führen und die unter der Mayor-Verfassung dominierende Orientierung der kommunalpolitischen Elite an Partikularinteressen relativieren (vgl. Lineberry, Fowler 1967: 701f.). Vor diesem Hintergrund wurde die Hypothese vertreten, daß sich eine engere Beziehung zwischen sozio-ökonomischen Konfliktmustem und Policy Outputs in Städten mit einer nichtreformierten Verfassung nachweisen lassen müßte als in Gemeinden mit einer reformierten Verfassung: „[T]he relationship between socio-economic cleavages and policy outputs is stronger in unreformed than in reformed cities” (Lineberry, Fowler 1967: 794; vgl. zu dieser Forschungsperspektive auch Boyne 1992; Mladenka 1991; Morgan, Pelissero 1980 ).
Nach der auf Vladimir O. Key (1949) zurückgehenden Wettbewerbshypothese neigen die politischen Entscheider mit zunehmendem Parteienwettbewerb zu einer Expansion insbesondere wohlfahrtsstaatlicher Ausgaben. Begründet wird dieser Zusammenhang mit den Bedingungen des politischen Marktes und den vorherrschenden sozialstrukturellen Interessenlagen: „’Have-nots’ constitute the largest pool of potential voters. Party leaders, recognizing competition as a threat to the attainment or retention of office, will adopt a policy strategy directed to the ‘have nots’. Hence, two-party competitive states will offer more policies beneficial to ‘have-nots’ than will one-party noncompetitive states“ (Gray 1976: 239f.; vgl. mit Einzelheiten Cnudde, McCrone 1969: 858f.; Dawson, Robinson 1963: 282f.). Diese Annahmen korrespondieren mit Überlegungen, wie sie im Umkreis der Ökonomischen Theorie der Demokratie vertreten werden, sind aber unabhängig von diesen entwickelt worden. Sie zielen auf die Verhältnisse auf dem politischen Markt der USA und sind daher in ihrer Übertragbarkeit auf Länder mit einer andersartigen Marktstruktur sehr eingeschränkt. Darüber hinaus kann das Ausmaß des politischen Wettbewerbs einer expansiven Ausgabenpolitik auch entgegenstehen, da politische Einheiten mit einem stark ausgeprägten Wettbewerb, häufigen Regierungswechseln oder einer fragmentierten Entscheidungsstruktur eine bestimmte Tendenz zur Entscheidungsfähigkeit und zum politischen Immobilismus aufweisen können (vgl. Lehmbruch 1976; Lijphart 1984; Scharpf 1994 ).
Comparative Public Policy Analysis“ (vgl. mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen Alesina, Rosenthal 1995; Alvarez et al. 1991; Blais et al. 1993; Cameron 1978, 1985, 1988; Castles, Hg. 1982c, 1989; Heidenheimer et al. 1983; Hicks, Swank 1992; Keman 1990; Klingemann et al. 1994; Lane, Ersson 1997; Schmidt 1982a, Hg. 1988, 1998).
Vgl. Cameron, Hofferbert 1974; Castles, McKinlay 1979; Jaedicke, Wollmann 1983; Schmidt 1980.
Vgl. beispielhaft Aiken, Depré 1981; Becqart-Leclerque 1977; Boaden 1971; Boyne 1988; Clark, Ferguson 1983; Denters 1993; Grüner et al. 1988; Fried 1976; Hansen 1981; Sharpe, Newton 1984; Skovsgaard 1981.
Vgl. Gau 1990; Garlichs 1980; Görlitz, Hg. 1994; Hall 1986; Benzler, Heinelt 1991; Heinelt 1993; Jaedicke et al. 1990; Mayntz 1993; Pappi 1993; Posse 1986; Scharpf 1987, 1994; Scharpf et al. 1976; Scharpf, Schnabel 1980; Schneider 1997. Neuere Arbeiten dieser „qualitativen Policy-Forschung“ versuchen das Begriffsraster der vom Eastonschen Systemkonzept geprägten Policy-Forschung zu ergänzen und sie in die gesamtgesellschaftliche Analyse einzubinden (vgl. Héritier 1993b). Diese Erweiterungen zielen insbesondere auf die Einbindung entscheidungstheoretischer Ansätze im Rahmen der Netzwerkanalyse (vgl. z.B. Atkinson, Coleman 1992; König 1992). Darüber hinaus fokussieren sie die institutionellen und kulturellen Bedingungen der Politikproduktion (vgl. Aaron et al., Hg. 1994; Sturm 1985; Weaver, Rockman, Hg. 1993). Im Policy Coalition-Ansatz werden diese Ideen gebündelt (vgl. Sabatier, Jenkins-Smith, Hg. 1993) und in der medialen Steuerungstheorie auf eine allgemeine und grundlegende Basis gestellt (im Rahmen der Selbstorganisationskonzepte; vgl. Görlitz 1995: 104ff.).
Auf dem Gebiet der quantitativen Policy Output-Forschung finden daher vereinzelt auch alternative Output-Konzepte Verwendung. Schmidt (1993b) betrachtet beispielsweise als Output-Parameter die Ausprägung geschlechtsspezifischer Teilhabechancen. Fry und.
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Kunz, V. (2000). Die Forschungsperspektive. In: Parteien und kommunale Haushaltspolitik im Städtevergleich. Städte und Regionen in Europa, vol 5. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10995-2_2
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