Zusammenfassung
Es ist mittlerweile schon zum Gemeinplatz geworden, daß es nicht mehr ausreicht, mit alltagsweltlichem Blick die Beschreibung einschlägiger Personen, abgrenzbarer Gruppen und Parteien vorzunehmen, um damit das rechte Lager hinreichend auszuloten. Schlagworte wie ‚Vernetzung der rechten Szene‘, ‚politische Mimikry‘ oder ‚Extremismus der Mitte‘ weisen auf Entwicklungen hin, die sich immer einschneidender und schneller vollziehen und dabei oft zunehmend undeutlicher werden. Paradoxerweise scheint aber das rechte Lagers trotz dieser wachsenden Diffusion seine gesellschaftlich-politische Präsenz und seinen Einfluß auszudehnen. So ereignen sich z.B. rechte Gewalttaten inzwischen alltäglich; Sprüche, die Ausländer ausgrenzen, gehören nicht nur zum Sprachschatz des Spießers, sondern haben inzwischen auch Eingang in das Vokabular hochrangiger Politiker gefunden; eine zunehmend ausländerfeindlichere Politik folgt konsequent nach.
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Anmerkungen
Vgl. Gessenharter/Fröchling 1996, nicht sehr glücklich ist die Entscheidung von Junge/ Naumann/Stark 1997, die von `Neuen Konservativen’ sprechen, weil damit der Aspekt möglicher Kollisionen mit den Grundgesetz-Normen verloren zu gehen droht.
So Brigitte Seebacher-Brandt, Witwe Willy Brandts und eine der Wortführerinnen aus der national-konservativen Ecke, lt. Süddeutsche Zeitung vom 15. /16. April 1995.
So in dem kurze Zeit später erschienenen weiteren Aufruf vom 28. April 1995.
Fleissner war übrigens im Dezember 1992 mit einer Klage gegen die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherung (HBV) rechtsgültig gescheitert, in der er der HBV die Behauptung untersagen lassen wollte, seine Verlagsgruppe unterstütze rechtsradikale Blätter, vgl. dazu Gessenharter 1994, Kap. 4.
Unter ihnen auch Walter Kempowski, Michael Wolffsohn und die beiden sächsischen CDU-Landesminister Heinz Eggert und Steffen Heitmann, die später den Appell zum B. Mai allerdings nicht mehr unterschrieben.
So der Titel des als „Kampfansage an die tonangebenden Meinunggseliten“ (Ansgar Graw, in: `MUT’, Nr. 302, Okt. 1992) gefeierten Buches von Weißmann 1992. Vgl. zur Entwicklung dieses neurechten Diskurses zwischen Rechtsextremismus und Neokonservatismus Gessenharter 1994.
Vgl. etwa die Rezension des Bandes `Die selbstbewußte Nation’ durch Friedbert Pflüger, in: DIE ZEIT vom 11. November 1994. Besonders prononciert findet sich diese Einschätzung bei Armin Pfahl-Traughber (1996: 56f.), der bei der Neuen Rechten weder eine „geschlossene Ideologie“ noch eine „einheitliche Organisation” konstatiert und sich daher gegen „dramatisierende Einschätzungen des Einflusses der,Neuen Rechten“’ wendet. Hinter diesen Sichtweisen scheint ein Ansatz zu stecken, der sich wirksame Phänomene und Prozesse auf der kollektiven Ebene nur in Form von Organisationen mit möglichst einheitlichen Zielen und festen sozialen Strukturen vorstellen kann.
Ständig zu finden in der rechtsextremen Monatszeitschrift `NationandEuropa’.
Jäger 1993: 349.
So die Forderung von Weißmann 1986: 179.
Von den Initiatoren wurden knapp 300 Unterschriftleistende genannt, bei der Münchner Veranstaltung erwartete Schwilk (lt. `Junge Freiheit’ vom 5. Mai 1995, S. 2) etwa 3000 3500 Teilnehmer, in den weiteren Aufrufen sprachen die Autoren von „ungeheurem Zuspruch“.
Z.B. Carl-Dieter Spranger, CSU-Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Friedrich Zimmermann, ehem. CSU-Bundesinnenminister, Erika Stein-bach, CDU-MdB, Frankfurt, Heinrich Lummer, CDU-MdB und ehem. Berliner Innen-Senator, Peter Gauweiler, CSU-MdL, München, Alexander von Stahl, ehem. Generalbundesanwalt, FDP Berlin, Manfred Brunner, Bundesvorsitzender BFB, aber auch Hans Apel, ehem. SPD-erteidigungsminister.
Auch Hans Apel, der schon am 9. April 1995 seine Unterschrift wieder zurückzog, tat dies nicht, weil er mit dem Text plötzlich nicht mehr einverstanden gewesen wäre, son dern (It. Bild am Sonntag vom 9. April 1995) nur deshalb, „weil ich diese Gesellschaft (der Mitunterzeichner, W.G.) nicht mehr mag“.
Z.B. Karlheinz Weißmann, die beiden Politikwissenschaftler Klaus Hornung und Hans-Helmuth Knütter, Dieter Stein, den Chefredakteur der `Jungen Freiheit’, oder Caspar von Schrenck-Notzing, Herausgeber von `Criticón’.
Z.B. Ingeborg Seifert, Ottmar Wallner oder Tilman Ziegler.
Etwa Generalleutnant a.D. Franz Uhle-Wettler. Es ist zwar mühsam, jedoch erhellend und erschreckend zugleich, wenn man einen Abgleich der Namen der Unterschriftsliste mit informativen Überblicken über die rechtsextreme Szene vornimmt, z.B. Mecklenburg 1996, vgl. auch Junge/Naumann/Stark 1997.
So druckte `NationandEuropa’ (Heft 5, Mai 1995, S. 20), den FAZ-Appell wörtlich ab und kommentierte ihn im Editorial (S. 4), durchaus zustimmend. `Europa vorn’ (Nr. 84 vom 1. Mai 1995, S. 4), gab einen Hinweis auf die Münchner Veranstaltung mit der Adresse von Heimo Schwilk wg. Eintrittskarten.
So in `Deutsche Stimme. Nationaldemokratische Zeitung’, 20. Jg., Ausg. vom 5. Mai 1995, S. 1.
Vgl. etwa DIE WELT vom 12. April 1995 `Warnung vor Trittbrettfahrern’ und die Kolumne von Herbert Kremp `Sensibles Gedächtnis’.
Siehe `Junge Freiheit’ vom 7. April 1995: „Der Appell ist unscharf formuliert: einigen so unscharf, daß sie nicht unterschrieben.“ (1)
Der 75-jährige Elstner verbrannte sich am 25. April 1995 vor der Münchner Feldherrnhalle aus Protest gegen die „unendliche Verleumdung und Verteufelung“ des ganzen deutschen Volkes, so sein Abschiedsbrief. Siehe z.B. `NS Kampfruf, Nr.114 vom Juli/August 1995: „Dieser unbekannte Mensch hat auch gezeigt, daß in unserem Volk noch Kräfte vorhanden sind, die mehr zu geben bereit sind, als nur Stammtischgespräche.” (1)
Deutsche Stimme. Nationaldemokratische Zeitung’: „Mit ihrer bundesweiten Kampagne (zum B. Mai, W.G.) zeigten die Nationaldemokraten, daß es noch Deutsche gibt, die zu ihrem Volk stehen und aufrecht gehen. Die feinen,wertkonservativen` Kräfte (Aufruf,Gegen das Vergessen’) zogen gleich den Schwanz ein, als ihnen Gegenwind aus der Gysi-Bubis-Friedmann-Kohl-Scharping-Ecke drohte. Die NPD ließ sich aber keinen Maulkorb verpassen“ (S. 4). `Europa vorn’ (Nr. 86, S. 8) folgert aus der `8. Mai-Ab-sage’: „In Abhängigkeit von den etablierten Parteien führt kein Weg zu einer selbstbewußten Nation”, gefordert wird dagegen eine „breite nationale Bewegung“, um „dem dramatischen Verlust an Meinungsfreiheit in unserem Lande” Einhalt zu gebieten.
Abgedruckt in Junge/Naumann/Stark 1997: 105.
Entscheidend ist dabei aber nach wie vor, daß mit dem „linken Weltanschauungskartell“ natürlich auch der bisherige Weltanschauungskonsens, nämlich das liberale, pluralistische, demokratische und universalistische Grundgesetzverständnis „offensiv” angegangen werden soll. Wie die Gegenkonzeption aussehen könnte, hat Heimo Schwilk im Herbst 1995 in einem ganzseitigen Artikel in der `Jungen Freiheit’ (vom 3. November 1995) unter der Überschrift „Der eigene deutsche Weg“ formuliert. Vgl. meine kritische Analyse dieses Aufsatzes in: Gessenharter 1997: 168ff.
So konnte sich beispielsweise die Gruppe um Rainer Zitelmann und Alexander von Stahl in der Berliner FDP bisher nicht nachhaltig durchsetzen, auch weitere Bündnisse, die etwa der hessische FDP-Landtagsabgeordnete Heiner Kappel u.a. zusammen mit dem konservativen Soziologen Erwin K. Scheuch plante, platzten schon in statu nascendi (SZ vom 30./31. August 1997), Ulrich Schacht kandidierte im Herbst 1997 bei der Hamburger Bürgerschaftswahl für den BFB.
Wie er etwa von Uwe Backes und Eckhard Jesse vertreten wird, kritisch Butterwegge 1996.
Vgl. Dudek/Jaschke 1984, Jäger 1993.
Wenn Rucht von der „Schlichtheit und Sparsamkeit ihrer Begründungen“ bei „rechten Bewegungen” (1994: 352) spricht, dann gilt dies vielleicht für das rechtsextreme, nicht jedoch für das neurechte Spektrum.
Vgl. Raschke 1985: 77, auch Rucht 1994: „Bewegungen bleibt im wesentlichen nur die Protestmobilisierung einer hinreichend großen Zahl von Menschen — und dies durch an Aktionen gekoppelte Zielformulierungen, Begründungen und Lösungsangebote, die geeignet sind, bei einem möglichst großen Publikum Aufmerksamkeit und positive Resonanz zu finden.“ (348)
Vgl. Demirovic 1996: 49, der mit ähnlicher Argumentation dafür wirbt, Bewegungen von rechts nicht als „soziale“, sondern als „politische” Bewegungen zu verstehen.
Insofern ist auch hier ein Grund für Zweifel, unbesehen von `rechten Bewegungen’ zu sprechen, wenn Rucht gerade den quantitativen Aspekt hervorhebt: „Bewegungen bleibt im wesentlichen nur die Protestmobilisierung einer hinreichend großen Zahl von Menschenchwr(133)“ (1994: 348).
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Gessenharter, W. (1998). Rückruf zur ‚selbstbewußten Nation‘. In: Hellmann, KU., Koopmans, R. (eds) Paradigmen der Bewegungsforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10990-7_9
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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