Zusammenfassung
Die protestantische Bekenntnisaktion „Wahre Liebe wartet“ positioniert sich mit Hilfe puritanischer Argumente im Feld der Familien-, Geschlechter- und Sexual-Politik, indem sie voreheliche sexuelle Enthaltsamkeit und christlichen Glauben unter Jugendlichen zu verankern sucht. Ausgehend von einer Pluralisierung der Lebensstile und Verhaltensmöglichkeiten wie auch einer Zunahme und Vergrößerung gesellschaftlicher Risiken, Verunsicherungen und Gefahren in den Lebensbereichen Sexualität, Familie und der Geschlechterverhältnisse (genannt werden der HIV-Virus, ungewollte Schwangerschaften, Pornografie), wird die sexuelle Lebensführung problematisiert und die voreheliche Enthaltsamkeit als neue Strategie der Lebensführung propagiert. Postuliert wird ein „Ruf zur Umkehr“, eine Reflexion der gesellschaftlich dominanten Werte und der Leitlinien des individuellen Verhaltens. Durch eine aktualisierende Bezugnahme auf traditionale und religiöse Sinnsysteme präsentiert die Aktion das Bemühen um Reinheit und Askese als orientierend und stabilisierend. Die dabei verwendeten Diskurse, Argumentationsmuster und Aktivitäten, die Anlässe und Beweggründe wie auch die Wege der Etablierung und Stabilisierung traditionaler Selbstthematisierungen und religiöser Weltbilder sollen in den folgenden zwei Kapiteln genauer in den Blick genommen werden.1
„Sparen, Verzichten, Warten: das sind neue Werte, die uns das vergangene Jahr gebracht hat. (...) Das Warten auf bessere Zeiten ist zum neuen Lebensgefühl der Neunziger geworden. Es hat die Vorstellung verdrängt, daß man hier und jetzt Spaß am Leben haben kann.“ Die Weltwoche 1./2. Januar 1997, S. 17: Keusche Trendsetter.
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Literatur
Die folgende Darstellung beruht auf einer inhaltsanalytischen Auswertung von Bro schüren, Briefen, Interviews und Protokollen von teilnehmenden Beobachtungen bei öffentlichen und aktionsinternen Veranstaltungen. Die Aktion „Wahre Liebe wartet“ gibt eine gleichnamige Broschüre in der dritten Auflage heraus. Die zwanzigseitige Zeitschrift enthält Informationen und Argumentationshilfen für einen keuschen Lebenswandel, die von jungen Initiatoren, Predigern und der Kinder-und Jugendpsychologin Christa Meves verfasst sind. Ihr sind Bekenntnis-Postkarten beigefügt. Nach Auskunft der Aktion sind von der Broschüre bislang 30.000 Exemplare verkauft worden.
Das südliche Afrika war schon von jeher ein bevorzugter Raum der lutherisch-protestantischen Missionsbemühungen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es eine größere Zahl an deutschen Siedlern und Missionaren; viele deutsche Ortsnamen, wie Hermannsburg, Soltau, Harburg und Lüneburg zeugen noch heute davon. Mitte des letzten Jahrhunderts begann die Missionsarbeit in Natal. Damals engagierte sich auch die im südlichen Afrika sehr aktive Hermannsburger Mission in den Provinzen Transvaal und Natal. Während sich ein Teil der früheren Missionskirchen zu den sogenannten „Independent Churches“ weiterentwickelte, politisch im Kampf gegen die Apartheid Stellung bezog und die Position von Schwarzen zu stärken versuchte, verblieben andere Missionskirchen bei dem selbst gestellten Auftrag der Bekehrung und der klassischen Missionsarbeit. Für einen Überblick über die Phasen der Missionierung im südlichen Afrika siehe Krüger 1995. Andrew Porter 1997 untersucht den „kulturimperialistischen Einfluss der London Missionary Society” im südlichen Afrika.
Diese Pfarrer-Konferenzen werden von 700 bis 1000 Personen aus ungefähr 70 ver schiedenen Denominationen und Organisationen besucht. Vgl. Koch 1994, S. 315ff.
So lautet der erste Grundsatz von „Christians for Truth“: Werbefaltblatt, S. 2.
Die Thesen sind untergliedert in die Rubriken „Aufruf zur Umkehr“, „Die gegenwärtige gesellschaftliche Situation”, „Das Versagen der Kirchen“, „Die Preisgabe der Heiligen Schrift”, „Die Auflösung der biblischen Lehre von Gott“, „Die Auflösung der biblischen Lehre von Christus”, „Die Auflösung der biblischen Lehre von Sünde und Erlösung“, „Das Eindringen fremder Geister in den Raum der Kirchen”, „Die Verweltlichung der Kirchen“, „Das Verhalten der Gläubigen angesichts des gegenwärtigen Gerichts”, „Festhalten am Missionsauftrag“, „Die Frage des Kirchenaustritts”, „Grundlagen einer Reformation der Kirche“, „Wahre und falsche Einheit”, „Erneuerung der Theologie“, „Die Praktizierung der Gemeindezucht”, „Der Auftrag des einzelnen Gläubigen“, „Der Auftrag der Kirchen”, „Der Auftrag von Staat und Gesellschaft“ und einem abschließenden „Ausblick”. Vgl. Christen fir die Wahrheit 1997, S. 9–24.
Klautke 1997, S. 135.
Koch 1994, wie auch Broschüren und Rundbriefe der Freundeskreises der Mission „Kwa Zizabantu“, z.B. „Rundbriefe Nr. 124–130 für den Freundeskreis der Bibel-und Schriftenmission Dr. Kurt E. Koch e.V., November 1995 bis Oktober 1998. Wie auch Koch 1994; Koch 1992; Koch 1987.
Koch 1994, S. 110/111.
Cohn 1957.
„Die Bibel weiß mehr über die Zukunft als irgend ein anderes Buch der Welt. Die biblischen Bücher sind authentisch, zuverlässig, einmalig. Wer auf sie hört, ist am besten orientiert.“ Vgl. Koch 1970, S. 12.
Diese Themen werden in mehreren einschlägigen Publikationen des wichtigsten Autors der Schriftenmission, Dr. Kurt E. Koch, verhandelt. Vgl. z.B. Koch 1978; Koch 1972; Koch 1989.
Koch 1991, S. 42.
Koch 1991, S. 34/35/36.
Koch 1991, S. 16.
ebd. S. 27/28.
Koch 1991, S. 44.
Zum Beispiel dient Timotheus 3, 1 und 2 dazu, einen Egoismus von Eltern und Kindern in der Familie zu kritisieren. Die Aussage „In den letzten Tagen werden greuliche Zeiten kommen. Denn es werden Menschen sein, die viel von sich halten, geizig, ruhmredig, hoffärtig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, ungeistlich“ wird als Zeitdiagnose verstanden und als Zeichen und Merkmal der Endzeit gedeutet.
Koch 1991, S. 52.
Hier wird auf das Konzept der „Bekennenden Kirchen“ Bezug genommen, das Dietrich Bonhoeffer und Karl Barth zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft als Momente eines widerständigen Christentums zu stärken versuchten. Die Bezugnahme auf dieses Konzept suggeriert eine gewisse Parallelität zwischen der Situation von Gläubigen während des Nationalsozialismus und der Situation von Evangelikalen in der heutigen Bundesrepublik. Dieser Verweis auf die Bekennenden Kirchen im Dritten Reich zum Zwecke der Selbsteinschätzung der Evangelikalen als verfolgt, marginalisiert und moralisch höher stehend verharmlost zum einen die nationalsozialistische Geschichte und dramatisiert zum anderen die religionspolitische Situation heute. Es gehört jedoch mit zur rhetorischen Politik der Evangelikalen sich solcher Verkürzungen zu bedienen und Konzepte und Begriffe neu zu besetzen.
Koch 1989, S. 53.
ebd. S. 62/66.
Die starke Gewichtung der Personalität Jesu und der Beziehung zu ihm erklärt auch, dass im protestantischen Glauben Reliquien und Ikonen eine geringe Rolle spielen.
Koch 1987b, S. 246.
Die folgende Charakterisierung basiert auf der teilnehmenden Beobachtung von ins gesamt acht solcher Vortragsveranstaltungen im Herbst 1997 und Frihjahr 1998.
Ann Kibbey 1986 zeigt, dass in der puritanisch-evangelikalen Tradition Rituale in der Regel an die Äußerung von Worten gebunden sind und dass die Ausführungen gemeinsamer Aktivitäten maßgeblich über gemeinsame Sprechhandlungen, auch im Sinne von Predigen und Zuhören vollzogen werden.
Christen für die Wahrheit 1994, S.3.
Bühne 1995, S. 9.
Christen für die Wahrheit 1994, S.2.
Zur Darstellung des Interview-Materials sei angemerkt, dass die zitierten Interview-Passagen wortgetreue Transkriptionen sind, die zum Zwecke der Lesbarkeit dahingehend korrigiert wurden, dass „Ahs“, Pausen, Wortwiederholungen und Wiederholungen von Satzanfängen gestrichen wurden. Jenseits solcher längerer, Personen zugeordneter Zitate verwende ich noch Kurzzitate, die nicht mit einem Namen versehen, aber in Anführungszeichen in den Text integriert sind. Sie wurden deshalb in die Interpretation aufgenommen, weil sie als „Focussierungsmetapher” (Bohnsack) mehrmals und von mehreren Interview-Partnern verwendet wurden und zum sprachlichen Repertoire der Gruppe gehören. Darüber hinaus nenne ich, da sich in der Gruppe wie auch in der Gemeinde durchweg mit dem Vornamen angeredet wird und das „Du“ als Anredeform üblich ist, alle Interviewten ungeachtet ihres Alters bei ihrem Vornamen.
So wurden beispielsweise auf einer Vortragstour Flugblätter verteilt, die sich entschieden gegen die Aktivitäten der „Jesus Freaks“ wendeten.
Luhmann 1985, S. 45.
Die Metonymie ist eine Sprachform, mit Hilfe derer eine Begebenheit durch eine andere aus dem selben Sinnbereich ersetzt wird (z.B. „das Weiße Haus“ für„ Präsident der USA” oder „Stahl“ für „Dolch”). Metonymien beruhen deshalb weniger auf einem übertragenen Sinn als auf einer Interpretation und deren Referenz. Im Unterschied dazu sind Metaphern eine Sprachform, in der eine Gegebenheit durch eine andere aus einem vollständig anderen Sinnbereich ersetzt wird (z.B. „Rose“ fur „schöne Frau”)
So verdeutlicht beispielsweise Bernd Ulmer 1988 die Struktur von Konversionserzählungen auf der thematischen und sozialen Ebene. Die Erzählungen lassen eine persönliche Erfahrung als Ursache der Konversion erkennen und ermöglichen es zugleich, die Konversion als plausibel und wirklich darzustellen. Dadurch, so die These Ulmers, wird die soziale Umgebung ausgegrenzt und das Geschehen in die Innenwelt der konvertierenden Person verlagert. Diese Struktur der Kommunikation wird auf der inhaltlichen Ebene durch die Abfolge von vier Themen inszeniert: Auf die Beschreibung der Hinwendung und Öffnung der konvertierenden Person auf und für das Religiöse folgt die Schilderung eines außergewöhnlichen Ereignisses, das von einer emotionalen Verunsicherung oder gar Erschütterung begleitet ist, die dann durch religiöse Orientierung reflektiert und verarbeitet wird. Zur neueren Auseinandersetzung mit der Konversion siehe Knoblauch/Krech/ Wohlrab-Sahr 1998; Wohlrab-Sahr 2000.
Proust 1953.
In Konversionserzählungen werden Ereignisse und Erfahrungen so präsentiert, dass der Eindruck entsteht, dass die erzählende Person eine Verlagerung des Zentrums der moralischen Verantwortlichkeit vorgenommen hat. Die Erzählung präsentiert ein „Ereignis“, das in der Tradition abendländischen Denkens eines einheitlichen Subjekts mit einem inneren Zentrum moralischer Verantwortung steht und kann deshalb auf Plausibilität setzen, da den allermeisten Menschen eine solche Personenkonzeption bekannt und vertraut erscheint. Dieser Wiedererkennungs-und Wiederholungseffekt wird zudem durch die Verwendung einer kanonischen Sprache unterstützt. Ähnliche Formulierungen, sich gleichende Erzählmuster und Argumentationsstrukturen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Erzählung als bekannt und ‘wahr’ akzeptiert wird. Peter Stromberg schlägt zwecks genauerem Verständnis von Konversionserzählungen vor, nicht das beschriebene Phänomen in den Mittelpunkt der Analyse zu rücken, sondern davon auszugehen, dass der „Gebrauch der religiösen Sprache” es den Gläubigen ermöglicht, ihre sich widersprechenden Wünsche miteinander zu versöhnen und in der Erzählung zu inszenieren und zum Ausdruck zu bringen. Konversionen seien von daher kein Ereignis der persönlichen Transformation, sondern ein fortwährender Vorgang, ein sinnvolles Leben in Übereinstimmung mit den eigenen Überzeugungen zu führen, ein Mittel, mit dem die Gläubigen Sinn herstellen und emotionale Spannungen zu lösen versuchen. Stromberg begreift die Konversionserzählung als einen „Vorgang der Sinnschöpfung”, bei dem die kanonische Sprache es ermöglicht, einen persönlichen Sinn zu finden, um damit eine grundlegende und störende emotionale Spannung zu lösen. Das Kanonische der verwendeten Sprache ermöglicht es den Gläubigen zum einen, das tun zu können, was ihnen in anderen Bereichen der sozialen Welt misslingt. Zum anderen können sie durch das Kanonische der Rede einen Sinn konstituieren, der sie dazu veranlasst, ihre Verpflichtungen gegenüber einer Reihe von Glaubensvorstellungen und sozialen Institutionen aufrechtzuerhalten. Vgl. Stromberg 1998, S. 60.
Siehe dazu auch Krech/Schlegel 1998.
Dass diese Anpassungen nicht immer gelingen, sondern durch biografisch und psychisch bedingte Konstellationen zum Widerspruch mit den Normen des Bekehrungserlebnisses führen können, verdeutlicht die Studie von Ansgar Jödicke 1998.
Eisenstadt 1998, S. 10 unterteilt fundamentalistische Bewegungen in ein aktives „Zentrum“ und eine von Potenzialität charakterisierte „Peripherie”.
Bereits Max Weber unterscheidet in eine „weltablehnende“ Religiosität, die auf die Errichtung einer idealen Gemeinschaft zielt und eine weltbejahende Religion, die auf die Veränderung der gesellschaftlichen Zustände gerichtet ist. Vgl. Weber 1920/1988, S. 536ff.
Riesebrodt 1990, S. 19.
Jäggie/Krieger 1991, S. 210ff.
z.B. Samarin 1976.
z.B. Csordas 1987.
z.B. Harding 1992.
In der Regel definieren sich die Evangelikalen darüber, dass sie durch „ein Leben für Jesus Christus“ Zugang zum Heil finden. Sakramente, Ikonen, Bilder und Rituale, wie der Katholizismus sie favorisiert, stehen hier dem Prozess des Werdens entgegen. Dieser Tatbestand ist in der Forschung hinreichend bearbeitet: So versteht z.B. David Martin 1990, S. 163ff die Pfingstbewegung als ein Kommunikationssystem, das der persönlichen Transformation dient. Susan Harding 1987, S. 169 hat in ihrer Auseinandersetzung mit den Baptisten die rhetorische Dimension heraus gearbeitet. Gregor Goethals 1985 zeigt Definitionen von Religion, die beispielsweise im evangelikalen Kontext so aussieht, dass sie auf Worte konzentriert ist: Sie versucht alles Materielle zu minimieren, um die überzeugende Kraft der Worte wirken lassen zu können. Er hält es deshalb auch für nicht weiter verwunderlich, dass das Radio das erste Medium war, das sich die Evangelikalen aneigneten. Dazu passt es auch, Zelt-Evangelisationen abzuhalten und auf eigene Gotteshäuser zu verzichten, oder deren Architektur funktional zu halten und Pomp und Protz zu vermeiden.
Roelofs 1994.
Harding 1987. Dazu benutzt Harding ein linguistisches Analyseverfahren, das „verbal art as performance“ versteht. Mit diesem an Gregory Bateson und Erving Goffman orientierten Ansatz wird die Präsentation von Rhetorik auf ihre inhaltlichen, strukturellen, symbolischen und dynamischen Dimensionen untersucht. Vgl. Bauman 1977, speziell S. 3–60. Ähnliches konstatiert David William Bebbington für die evangelikale Bewegung in Großbritannien. Er beschreibt die Prozesse einer Hinwendung zur Welt, die in den 1960er Jahren einsetzten und einen ständigen Wandel evangelikaler Aktivität mit sich bringen. Vgl.: Bebbington 1989, speziell S. 249–276.
Hölzle 1969; Lenk 1976; Lenk 1994; Lieber 1976; Shils 1968.
Damit ist eine Linie der Argumentation angesprochen, die die sonst recht unterschiedlichen Autoren wie Feuerbach, Marx, Engels, Nietzsche, Karl Kraus, Walter Benjamin, Horkheimer und Adorno, Althusser vereint: Ihre Beiträge zielen auf eine Auflösung ideologischer Bewusstseinsformen.
Lenk 1994, S. 23.
Zi2ek 1989.
Lacan benutzt das Bild, dass der Kaiser nur unter seinen Kleidern nackt ist und weist damit das aufklärende Streben des Nachweises zuruck, dass der Kaiser doch ‘eigentlich’ nackt sei. Vgl. Lacan 1959/1996, S. 231.
Zi2ek spricht von der „objectivity of belief“. Vgl. Zi2ek 1989, S. 33–35.
Mannheim 1927, S. 1.
ebd. S. 6.
ebd. S. 141.
Er stellt fest, dass beispielsweise der bürgerliche Freiheitsbegriff ideologische und utopische Momente beinhaltet und dass der Chiliasmus der Wiedertäufer die jenseitige Hoffnung in diesseitige soziale Aktivität transformierte. Im Laufe der Zeit wird die Idee des Jenseits verinnerlicht und taugt dann nicht länger zur Transformation der bestehenden Ordnung.
Mannheim 1927, S. 143.
Mannheim 1926/1964, S. 408. Nicht zu verwechseln ist der Mannheimsche Begriff des Denkstils mit dem von Ludwig Fleck 1928/1980, der seinen Denkstil-Begriff eher im Sinne eines Paradigmas verwendet.
Mannheim 1927, S. 173.
Diesen Punkt betont auch die Ideologietheorie von Louis Althusser 1977 stark. Vgl. Kapitel IV.
So sind Mannheims Analysen von Ideologien und Utopien verbunden mit einer Analyse der „Trägerschaft“: „Im Begriff des Utopischen bestimmt stets die herrschende, mit einer bestehenden Seinsordnung sich in unproblematischer Deckung befindende Schicht; den Begriff des Ideologischen bestimmt stets die aufstrebende zur bestehenden Seinswirklichkeit sich in existentieller Spannung befindende Schicht”. Vgl. Mannheim 1927, S. 177/178.
So lautet der Untertitel der epochalen Analyse von Günter Dux 1982. Interessanterweise beginnt auch Dux seine Herleitungen des Begriffs der „Weltbilder“ mit der Auseinandersetzung mit der postmodernen Pluralisierungsthese. Er führt aus, dass die Beschäftigung mit „Weltbildern” den Wissenschaftler mit dem Problem konfrontiert, dass es zwar nach wie vor Bestandteile von Wissen und Wahrheiten gibt, die als gesichert gelten können, jedoch das Gesamtsystem, in das die verschiedenen Wissensformen eingeordnet werden und das die Wissensformen zu einem Weltbild zusammenfügt, zweifelhaft geworden ist. Dux hält dem entgegen, dass trotz einer gewissen Relativität von Weltbildern es in jedem Falle Wissen gebe, von dem aus das, was man Weltanschauung nennt, zu erarbeiten ist. Mit dem neuerworbenen Wissen wird auch die Strategie mitgeliefert, von der aus sich das Wissen zur Einheit eines Weltbildes zusammenfügt.
Dux 1982, S. 21.
ebd. S. 146.
ebd. S. 122.
ebd. S. 149.
Davon abzugrenzen ist der ethisch ausgerichtete Diskursbegriff von Jürgen Habermas und eine Verwendung des Diskursbegriffs, der eine inhaltliche Bestimmung vornimmt, wie z.B. Anti-Atom-Diskurs, Einwanderungsdiskurs, Aids-Diskurs. Auch gibt es die eher umgangssprachliche Verwendung des Diskurs-Begriffs zur Bezeichnung einer Debatte oder eines Dialogs. Dies entspräche dem, was Foucault ein „diskursives Ereignis“ nennt.
Foucault 1972/1998, S. 35.
ebd. S. 33.
Die Veränderungen in der Foucaultschen Diskursanalyse, weg von einem „juridischen“ Modell des machtvollen Diskurses hin zu einem „produktiven” Verständnis von Macht, sind oft beschrieben und diskutiert worden. Während Foucault in seiner „Archäologie des Wissens“ den Begriff der „diskursiven Formation” einführt und die ordnende, regulierende Seite des Diskurses betont, erscheint in „Die Ordnung des Diskurses“ bereits die Doppelgleisigkeit von Ordnung und Produktivität. In „Der Wille zum Wissen” führt Foucault seine Vorstellung von Macht-Wissens-Komplexen und den Begriff des „Dispositivs“ ein. Dispositive umfassen auch „Ungesagtes”. Ein Dispositiv ist das „Netz“, das zwischen den Elementen von Diskursen, Institutionen, architekturalen Einrichtungen, reglementierenden Entscheidungen, Gesetzen, administrative Maßnahmen, wissenschaftlichen Aussagen, philosophischen, moralischen und philantropischen Lehrsätzen gespannt wird. Vgl. Foucault 1976/1984, S. 119.
Foucault 1978, S. 51.
Foucault 1972, S. 16.
ebd. S. 25.
Vgl. Deleuze 1991. Hannelore Bublitz konstatiert Ähnlichkeiten zwischen Bourdieus Habitus-Begriff und dem Diskurs-Begriff Foucaults und versteht beide als „strukturierte und strukturierende Struktur“. Vgl. Bublitz 1999 und Bublitz 1997.
Foucault 1969/ 1993, S. 68
Formuliert in Anlehnung an Hannelore Bublitz, die von der Diskursanalyse als „Gesellschaftstheorie im Sinne einer Beobachtung zweiter Ordnung“ spricht. Vgl. Bublitz 1999, S. 29.
Foucault 1978, S. 53.
Hier besteht eine Parallele zu George Herbert Mead 1968, S. 88–90, der von „Diskursgemeinschaften“ spricht, wenn er Kollektive beschreibt, die routinisierte Formen des Denkens und Handels hervorbringen.
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Liebsch, K. (2001). Panik und Puritanismus praktiziert. In: Panik und Puritanismus. Veröffentlichungen der Sektion „Religionssoziologie“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, vol 5. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10989-1_3
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