Zusammenfassung
„Da muß ich nachdenken …”, antwortete ein in der ‚kulturpädagogischen Szene’ ansonsten durchaus Kundiger auf die Frage, ob ihm theoretische Einlassungen und/oder Vorhaben bekannt seien, die das Thema Gewalt erörtern oder zum Gegenstand von kinder- und jugendkulturellen Projekten gewählt haben. Das Zögern verwundert angesichts der Tatsache, daß gegenwärtig kaum noch ein Segment gesellschaftlichen Alltagslebens zu erkennen ist, dem im Vollzug der medialen und öffentlichen Thematisierungsdramatik und sensibilität noch keine besondere Anfälligkeit beziehungsweise Aufmerksamkeit für Gewalt nachgewiesen oder unterstellt werden konnte. Alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens scheinen am Ausgang des 20. Jahrhunderts je besondere Gravitationsverhältnisse mit der Gewalt eingegangen zu sein. Sollte die Kulturpädagogik mit, von und für Kinder und Jugendliche und die sich auf sie beziehenden Gespräche da etwa eine praxis- und reflektionsfreie Lichtung in einem ansonsten gewaltorientierten gesellschaftlichen Dschungel bilden? Der Beitrag wird sich dieser Frage über drei Suchbewegungen nähern und darauf zu antworten versuchen. In einem ersten Durchgang wird der augenblicklichen Allgegenwärtigkeit von Gewalt sowie ihrer „Widerspiegelung“ in der Pädagogik allgemein und in der Kinder- und Jugendkulturarbeit im besonderen nachgespürt. Ein zweiter Durchgang blickt zurück, beschreibt die Herausbildung der Kulturpädagogik (Kinder- und Jugendkulturarbeit) als
„Den Jung-Wissenschaftlern war nicht recht klar, welcher Organisation sie hier vortragen sollten. Detering hatte das Thema: ‚Das Umfeld der Gewalt’, Waumann hatte sich das Thema gewählt, ‚Die Gewalt ist wohl immer das Prius ’, Meier-Dopler ‚Im Staat kann es keine Heroen mehr geben’ usf. Sie durften sich die Themen selber wählen, sofern sie in das Rahmenprogramm paßten: ‚Gibt es die Gewaltwelle ? ’. Die Jung-Wissenschaftler fürchteten (…), daß die Herren, denen sie vortrugen, zu den Einzelfragen der Gewalt mehr Praxiswissen hatten als sie selbst, daß sie sich blamierten.“
(Alexander Kluge 1978: Wie verhält sich der höhere Vollzugsbeamte in der öffentlichen Diskussion über die Gewaltfrage. Neue Geschichten 1 —18. Frankfurt a. M.)
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Thole, W. (1995). „Da muß ich nachdenken …“: Kulturpädagogik und Gewalt — Notizen. In: Helsper, W., Wenzel, H. (eds) Pädagogik und Gewalt. Studien zur Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung, vol 5. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10986-0_19
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