Zusammenfassung
Bevor anhand der Auswertung der leitfadengestützten Interviews das kollektive Selbstverständnis der Mitarbeiter rekonstruiert wird, soll zunächst die Entwicklung der Stadtverwaltung in Frankfurt (Oder) skizziert werden. Den Ausgangspunkt bildet ein Rückblick auf kommunale Aufgaben und auf die Struktur der Stadtverwaltung in der DDR, des sogenannten „Rates der Stadt Frankfurt (Oder)“, sowie auf die Qualifikation der Mitarbeiter.34 Es schließt sich eine Beschreibung des Umbruchs, des gewandelten rechtlichen Rahmens und der veränderten Aufgaben und Anforderungen an die Organisation und ihre Mitarbeiter an. Den Abschluß bilden die bis ins Jahr 1996 reichenden organisatorischen und personellen Veränderungsprozesse der Stadtverwaltung Frankfurt (Oder).35
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34 „Rat der Stadt“ bezeichnet hier nicht nur das Gremium der von der Stadtverordnetenversammlung gewählten Ratsmitglieder, sondern zugleich auch die den „Stadträten” unterstellten Fachabteilungen, das heißt die eigentliche kommunale Verwaltung.
Wenn nicht explizit andere Quellen angegeben werden, beruhen die auf die Stadtverwaltung Frankfurt (Oder) bezogenen Informationen auf Expertengesprächen mit Mitarbeitern der Stadtverwaltung.
Demokratischer Zentralismus“ ist ein von Lenin geprägter Begriff für ein Gestaltungsprinzip der Partei: In seinem Anspruch verbindet der demokratische Zentralismus eine breite demokratische Willensbildung mit einer straffen Leitung bzw. Unterwerfung unter den Willen der Mehrheit (vgl. Stölting 1971: 126). Wollmann hebt hervor, daß der „Demokratische Zentralismus” im Zusammenspiel von Kommunen und Staat in der DDR seinen Ausdruck in einer zentral vorgeschriebenen Aufbaustruktur der örtlichen Verwaltungen fand, die den „Durchgriff von Oben“ erleichterte (Wollmann 1997: 261).
Wenn nicht explizit erwähnt, bezieht sich der Terminus „Rat der Stadt“ nicht nur auf das Gremium der gewählten „Stadträte”, sondern immer auch auf die diesen unterstellten Fachabteilungen als die eigentliche kommunale Verwaltung.
Zur Variantenfülle in der personellen Besetzung und dem Zusammenspiel von Fachorganen und nachgeordneten Einrichtungen am Beispiel der Fachorgane für Gesundheits-und Sozialwesen der Räte der Kreise vergleiche auch Martius und Schneider (1984).
Quelle: Stadtarchiv Frankfurt (Oder), Signatur 1I.1.6905, Arbeitsplan des Rates der Stadt für das 2. Halbjahr 1986, S. 8.
Der Stellenplan von 1987 weist 303 Personen inklusive der Ratsmitglieder aus. Höhner geht von 301 Personen aus, die im Rat der Stadt Frankfurt (Oder) im März 1990 beschäftigt waren (1992: 51). Für den Rat der Stadt Frankfurt (Oder) liegen für den Bereich der nachgeordneten Einrichtungen leider keine Beschäftigtenzahlen vor. Quelle: Stadtarchiv Frankfurt (Oder), Signatur BA 11.1.6943, Stellenplan des Rates der Stadt Frankfurt (Oder) 1987 vom Dezember 1986, S. 29.
Es gab Kreisschulen für Marxismus-Leninismus, Bezirksparteischulen und eine Parteihochschule.
Für spezielle Bereiche waren Fach-und Hochschulabschlüsse, zum Beispiel als Arzt, Finanzökonom oder Ingenieur, erforderlich. Juristen waren eher selten in der kommunalen Verwaltung anzutreffen, eine Spezialisierung zum Verwaltungsjuristen gab es in der DDR nicht (vgl. Bernet 1991: 188 ).
Der Anteil der SED-Mitgliedschaft im Rat der Stadt Frankfurt (Oder) beruht auf einer eigenen Berechnung aufgrund von Daten aus dem Bericht über die Partei-und massenpolitische Arbeit der Grundorgansiation beim Rat der Stadt Frankfurt (Oder) und Angaben aus dem Betriebskollektivvertrag der Stadt Frankfurt (Oder). Quellen: Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Signatur: Rep. 732 IV E7/145/348, 1986, Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Bezirksleitung Frankfurt (Oder), Bericht über die Partei-und massenpolitische Arbeit der Grundorganisation beim Rat der Stadt Frankfurt (Oder), Januar 1986, S.156; Stadtarchiv Frankfurt (Oder), Signatur 11.1.6908, Betriebskollektivvertrag, vereinbart zwischen dem Rat der Stadt Frankfurt (Oder) und der Betriebsgewerkschaftsleitung, 1985, S. 31.
Ohne Kleisttheater, Orchester und Eigenbetriebe, jedoch inklusive der eingegliederten nachgeordneten Einrichtungen.
Die Kommunalverfassung der DDR war ein Interimslösung. Sie wurde jeweils durch Gesetzeswerke der neuen Bundesländer abgelöst. In Brandenburg trat die neue Kommunalverfassung Ende 1993 in Kraft (vgl. Wollmann 1997, FN. 16)
Reichard hebt hervor, daß durch die Übertragung dieses bereits veralteten und zentralistischen Kommunalmodells Innovationschancen in den Kommunalverwaltungen der neuen Bundesländer zumeist verspielt wurden (vgl. Wollmann 1997: 280). Wollmann weist in diesem Zusammenhang auf die Politik der KGSt hin, die zunächst auf die Übertragung erprobter Lösungen aus den alten Bundesländern setzte, „(…) anstatt sich auf Organisationskonzepte einzulassen, über die die Diskussion in der Bundesrepublik 1989/1990 eben erst begonnen hatte und dessen Praxistest noch ausstand“ (Wollmann: 1997: 280ff., vgl. aber auch Jann 1995 ).
Eine dieser Besonderheiten ist die Gründung des Dezernats „Internationale Zusammenarbeit“.
Eine dieser Ausnahmen ist die Leitung des Baurechtsamtes, eine weitere die Position des Wirtschaftsdezernenten. Diese relativ geringe Rekrutierung von westdeutschem Personal ist auch für andere Kommunalverwaltungen der neuen Bundesländer nicht untypisch (vgl. z.B. Wollmann 1996: 129). Kommunalverwaltungen sind hier von Landesverwaltungen zu unterscheiden, wo Verwalter aus den alten Bundesländern häufiger für Führungspositionen rekrutiert wurden (vgl. z.B. Damskis 1996). Auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel den Sparkassen, wurden vor allem Führungskräfte aus den alten Bundesländern rekrutiert (vgl. Rogas/Philipp/Maier 1995 ).
Dies weist große Ähnlichkeiten zu dem bei Wollmann geschilderten Profil der Amtsleiter auf (Wollmann 1996: 125).
Zum Kommunalvermögensgesetz und seinen Auswirkungen auf die Kommunen vergleiche zum Beispiel Wollmann (1997). Eine genaue Auflistung der Einrichtungen und Betriebe sowie ihre Auswirkungen auf den Personalbestand der Stadt Frankfurt (Oder) enthält die Dokumentation zur Verwaltungsreform des Oberbürgermeisters und des Dezernates 1.
Im Verlauf der nächsten Jahre wurden diese Einrichtungen teils geschlossen, teils gingen sie in andere Trägerschaft über oder es wurden Eigenbetriebe gegründet. Einige Einrichtungen verblieben in der Stadtverwaltung.
Zu den Qualifikationsprogrammen vergleiche auch Vollmuth (1992), zu deren Trägern vergleiche auch Ehrhardt (1993) und Chowdhuri (1993).
Vergleiche dazu detaillierter: Der Oberbürgermeister, Dezernat I, Dokumentation zur Verwaltungsreform, Anlage 5 oder auch für die erste Phase Höhner (1992).
Zur Verwaltungshilfe in kommunalen Verwaltungen vergleiche unter anderem auch Bosetzky (1992), Grunow (1996) und auf Frankfurt (Oder) bezogen Höhner (1993).
Zur Jahresmitte 1994 waren in kommunalen Eigenbetrieben 121, ein Jahr später bereits 689 Mitarbeiter beschäftigt (Der Oberbürgermeister, Personalverwaltung, Angaben zur Stadtverwaltung Frankfurt (Oder)). Ein Großteil dieser „Einrichtungen“, wie zum Beispiel Kinderkrippen, Kindertagesstätten und Kinderheime nimmt soziale Aufgaben wahr. Besonders in diesen Bereichen gab es neben der Gründung von Eigenbetrieben auch Übertragungen von Einrichtungen an gemeinnützige Träger wie dem Deutschen Roten Kreuz, der Arbeiterwohlfahrt oder der Volkssolidarität.
Vergleiche dazu ausführlich: Der Oberbürgermeister, Dezernat I, Dokumentation zur Verwaltungsreform.
Der Antrag der Stadt Frankfurt (Oder) auf Förderung ihres Modernisierungsprojektes durch das Land Brandenburg war nicht erfolgreich. Zur Konzeption vergleiche: Der Oberbürgermeister, Dezernat I, Konzept zum Antrag auf Förderung von kommunalen Modernisierungsprojekten vom 23.03.1995 und Höfer (1998a).
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Rogas, K. (2000). Vom „Rat der Stadt“ zur „Stadtverwaltung Frankfurt (Oder)“. In: Ostdeutsche Verwaltungskultur im Wandel. Schriftenreihe Interdisziplinäre Organisations- und Verwaltungsforschung, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10977-8_5
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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