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Part of the book series: Organisation und Gesellschaft ((OUG))

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Zusammenfassung

Tenfelde fasst die Bedeutung der Vereine im 19. Jh. wie folgt zusammen:

Die Absonderung, Auffächerung und Verfestigung von Interessen, Vereinszwecken und Organisationsformen war [..] in ganz entscheidendem Maße Konsequenz des sozialen Schichtungsprozesses, in dessen Folge sich die Gesellschaft zunehmend nach dem Kriterium der Klassenzugehörigkeit zu ordnen begann [...]. Die dieser Entwicklung zugrundeliegende Entbindung kollektiver Interessen vollzog sich und bestimmte die Vereinsgeschichte in zwei Stufen: Zunächst in einem globalen Sinn, als Entbindung gesellschaftlicher Interessen vom Staat überhaupt und insofern als Ausdruck neugewonnener individueller Selbstbewußtheit und des Willens zur Selbstbestimmung, zweitens aber, historisch nachgeordnet und eng mit der Industriellen Revolution verknüpft, als Sonderung sehr spezifischer berufs- und klassenbezogener und darin zunehmend konträrer Interessen voneinander.[...] Das Vereinswesen in bestimmter Gliederung war nicht nur Konsequenz sozialer Veränderungen durch den aufkommenden Industriekapitalismus, sondern auch und besonders dessen wesentlichste Organisationsform.[...] Nur in der Gesamtschau konnte deutlich werden, wie sehr sich die Vereinsidee zwischen Revolution und Reichsgründung zu einem Strukturprinzip der bürgerlichen Gesellschaft auffächerte. Das hieß unter anderem, daß Herrschaftsbeziehungen und andere Formen sozialer Interaktion, soweit sie die gewohnten familiären, nachbarlichen und kirchengemeindlichen Bindungen und Beziehungen überschritten, mehr und mehr in Vereinen, zwischen Vereinen und zwischen Staat und Vereinen organisiert wurden.[...] Wir übertreiben gewiß nicht, wenn wir im Verein das wesentlichste Instrument einer schrittweisen, oft gar — schleichenden Reorganisation der Gesellschaft sehen [...]. Schon sehr früh sind, ganz allgemein, die Vereine als »Demokratie im Gewerbswesen« oder als »gute Vorschule auch für Staatsbürger» apostrophiert worden. In der Tat ist die Fundamentaldemokratisierung,die sich im Verein, in der Öffentlichkeit des Vereins und der Vereine, auch durch den Verein in der Einübung geregelter Formen der Willensartikulation und des Konfliktausgleichs vollzog, kaum zu überschätzen [...]. Daß erst der Vereinsgedanke in mehrfacher Form und mit tiefgreifenden unternehmensrechtlichen Wirkungen die großindustrielle Produktionsweise ermöglichte und darin die Industrialisierung von den klein- und mittelbetrieblichen Anfängen der Allein-und Pionierunternehmer fortenwickelte, auch mittelbar über die Jahrzehnte die Unternehmerfunktionen veränderte, war im einzelnen so neu nicht, in seiner geballten Wirkung mit dem Take-off der 1850er Jahre jedoch von unglaublich systemverändernder Kraft. Dem entsprach die wiederum verfassungsrechtlich ermöglichte, aber im Vereinsgedanken begründete, erst nach 1890 vollends entfaltete, große Bedeutung des Interessenverbandswesens in Deutschland [...]. Nicht zu übersehen ist [..] seine Funktion als Elitenbildner für wirtschaftliche Führungspositionen in der Phase der ausgeprägten Verbandspolitik, aber auch bereits für politische Führungspositionen in der Blütezeit des Liberalismus oder im Rahmen der Arbeiterbewegung, unbeschadet der insoweit traditionell entscheidenden Rolle der Bürokratie in Deutschland bzw. der Grenzen, die der Arbeiterbewegung gesetzt waren. [...] Mit den demokratisch-partizipatorischen Funktionen der Vereine verband sich, nach innen wie nach außen, ein gerade in den über Vereine vermittelten kulturellen Aktivitäten meßbarer Gewinn an individueller Gestaltungskraft. Der Verein ermöglichte unter anderem, daß mehr Menschen durch Bildung und kulturelle Teilhabe zur individuellen Entfaltung gelangten (Tenfelde 1984, S. 98 ff., S. 110 fl., Hervorheb. im Orig.).

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Türk, K., Lemke, T., Bruch, M. (2002). Fazit. In: Organisation in der modernen Gesellschaft. Organisation und Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10961-7_15

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-10961-7_15

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-13752-0

  • Online ISBN: 978-3-663-10961-7

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