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Programmatischer Wandel im Vergleich

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Neue Wege der Sozialdemokratie
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Zusammenfassung

Quintessenz der SD-Programmatik der 80er Jahre137: Die dänische Sozialdemokratie hat ihre Programmatik gegenüber den 70er Jahren grundlegend verändert. Sie nahm bereits Ende der 70er Jahre Abschied vom klassischen Keynesianismus des „Goldenen Zeitalters“, in den 80er Jahren kam ein doppelter, tiefgreifender Paradigmenwechsel hinzu. Zum einen nahm Dänemarks Sozialdemokratie endgültig Abschied vom linearen Fortschritts- und Wachstumsoptimismus des Industrialismus, intemalisierte mit Erfolg das „grüne“ issue und schaffte programmatisch die Transformation zum ökosozialen Paradigma.

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Literatur

  1. Ich stütze mich bei meinen Thesen auf die detaillierte und vergleichende Inhaltsanalyse folgender Programme: das Grundsatzprogramm „Solidaritet, lighed, trivsel“ (dt. Solidarität, Gleichheit, Wachstum resp. Lebensqualität; 1977); die Arbeitsprogramme „Et solidarisk samfund” (dt. Eine solidarische Gesellschaft; 1978), „For ny fremgang“ (dt. Für neuen Fortschritt; 1984), Pä menneskets vilkär (dt. Zu menschlichen Bedingungen; 1988), Aukens Programmschrift „Vi jen til forandring” (Wille zur Veränderung) von 1988; die Aktionsprogramme „Fra passiv tilpasning til aktiv fornyelse af dansk erhvervsliv og beskceftigelse“ (dt. Von passiver Anpassung zu aktiver Erneuerung des dänischen Wirtschaftslebens und der Beschäftigung; 1988), „Gang i 90erne” (dt. Mit Schwung in die 90er; 1989), „Alle i gang“ (dt. etwa Alle in Schwung bringen; 1990), das Positionspapier „Fornyelsen of den offentlige sektor” (dt. Die Erneuerung des öffentlichen Sektors; 1989, auf der Basis des skandinavischen Mehr-Länder-Reports SAMAK von 1989), und Svend Aukens Diskussionsschrift „Det ny ärhundrede. Socialdemokratiets principprogram til debat“ (dt. Das neue Jahrhundert. Das Grundsatzprogramm der Sozialdemokratie zur Diskussion; 1990 ). Die Programme habe ich habe ich zum größten Teil im Archiv der dänischen Sozialdemokratie, dem Archiv und Bibliothek der Arbeiterbewegung (ABA), in Kopenhagen und zum geringeren Teil auch in der Staats-und Universitätsbibliothek der Universität Aarhus beschafft. Alle Programmzitate im folgenden sind von mir ins Deutsche übertragen worden; M.F.

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  2. Dieser neue ökosoziale Konsens wurde auch durch den heute an der Regierung dominanten sozialliberalen Modernisiererflügel um den Parteistrategen und Architekten der sozialdemokratischen Regierungspolitik, Mo-gens Lykketoft, ausdrücklich befürwortet (vgl. Lykketoft 1994: 175ff.).

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  3. Der sog. SAMAK-Report von 1989 war ein Meilenstein in der programmatischen Entwicklung der dänischen Sozialdemokratie: der Report des Sammenarbejdskomiteen for Nordisk Arbejderbevaegelse (Zusammenarbeitskomitee der skandinavischen Arbeiterbewegung, kurz: SAMAK), sei richtungsweisend für den neuen SD-Kurs gewesen, so SD-Chefideologe und heutiger Finanzminister Lykketoft (vgl. Lykketoft 1994: 143ff.) Die damals regierenden sozialdemokratischen Finanzminister Schwedens, Norwegens und Finnlands brachten ihre Regierungserfahrungen ein: Dänemarks Sozialdemokratie nahm mit dem SAMAK-Report von 1989 und der dänischen Version „Fomyelsen af den offentlige sektor“ (1990) Abschied von der Vorstellung des öffentlichen Sektors als Schutzzone resp. Bollwerk gegen den Markt resp. den Kapitalismus (Esping-Andersens Dictum „politics against markets”).

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  4. Helbak sieht bereits im noch unter Anker Jergensens Ägide entstandenen 1980er Arbeitsprogramm „Vort arbejdsprogram“ (Unser Arbeitsprogramm) erste unvollständige Konturen dessen, was sich als Modernisierungswende der Partei bezeichnen läßt (vgl. Helbak 1996: 303). So habe in diesem 80er Arbeitsprogramm bereits die normale Makroökonomie (Bekämpfung der Inflation, der negativen Zahlungsbilanz, der Staatsverschuldung und der Arbeitslosigkeit) überwogen, die Gleichheitspostulate und die Klassenterminologie der 70er Jahre seien hier bereits verschwunden gewesen (vgl. Helbak 1996: 302–303). Svend Auken hat in einem Interview des Verfassers von der damals in Dänemarks Sozialdemokratie herrschenden „Untergang-des-Abendlands-Stimmung” gesprochen (er gebrauchte dabei den deutschen Originaltitel des Spengler’schen Werks; M.F.; vgl. Auken 1999). Meiner Ansicht nach kommt der Paradigmenwechsel zu „mehr Markt“ jedoch erst in der Schrift „Vil’en til forandring” (Der Wille zur Veränderung) von 1988 aus der Feder Aukens und im Arbeitsprogramm „Pa menneskets vilkâr“ (Zu menschlichen Bedingungen), das bis 1992 in Kraft war, sowie in den Aktionsprogrammen „Gang i 90’erne” (1989) und „Alle i gang“ (1990) und nicht zuletzt im SAMAK-Report 1989 (mitsamt der dänischen Version Fornyelsen af den offentlige Sektor von 1990) voll zur Entfaltung. In der Phase 1982–1987 dominieren noch traditionelle sozialdemokratische Ideen nebst den neuen ökosozialen issues. Kurz: Die Phase der ökosozialen Transformation endet in Dänemark bereits Mitte der 80er Jahre.

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  5. Der damalige Parteivorsitzende, ökosozialer Vordenker und Modemisierer in einer Person, Svend Auken, verkündete in seiner Diskussionsschrift „Det ny ârhundrede“ (1990): „Die Schlußfolgerung ist, daß die Marktwirtschaft besser ist als zentralgesteuerte Planwirtschaft. Aber unreguliert bedeutet Marktwirtschaft weniger Umweltschutz, große (d.i. soziale; M.F.) Ungleichheit und Arbeitslosigkeit und geringe soziale Rechte. Der Markt muß der willige Diener der Wohlfahrtsgesellschaft sein. Nicht ihr Gebieter. Früher gab es unter Sozialdemokraten wohl den Glauben, man könne wirtschaftlich und politisch steuern und dirigieren. Dieser Glaube ist verschwunden.” (Auken 1990: 29; ÜdV).

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  6. Bereits im Arbeitsprogramm „For ny fremgang“ (1984) heißt es im Zeichen der Wirtschaftskrise und der Staatsverschuldung: „Die Sozialdemokratie will eine gerechte Umverteilung von Rechten und Lasten.”

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  7. In den beiden Modernisierungsprogrammen „Gang i `90erne“ (1989) und „Alle i Gang” (1990), die den Paradigmenwechsel vom keynesianisch-regulierenden Staatsreformismus zum reformierten, flexiblen und wettbewerbsorientierten Wohlfahrtsmodell markieren, werden ökonomische und soziale Verantwortung als zwei Seiten einer Medaille und als einzig realistischer Weg gesehen (vgl. Gang i `90erne 1989: 3). Helbak moniert, Dänemarks Sozialdemokratie habe sich von einer „gewaltigen neoliberalen Welle“ beeinflußen lassen und Teile davon in die „sozialdemokratische Sprache” übersetzt (vgl. Helbak 1996: 306). Mit dem Arbeitsprogramm Pâ menneskets vilkâr von 1988 sei, so Helbak, die Anpassung der Wohlfahrtsökonomie zum „Endziel“ erhoben worden, nicht länger — wie noch in den sozialdemokratischen Programmen der späten 70er Jahre — strategischer Zwischenschritt auf dem Weg zu einer demokratisch-sozialistischen Gesellschaft (vgl. Helbak 1996: 308).

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  8. Gleichwohl waren die 80er Jahre eine Art schwieriger politischer „Häutungsprozeß“ der dänischen Sozialdemokratie: die Suche nach einem neuen Profil, das zwischen einer Marktwirtschaft mit menschlichem Ansatz (Helbak 1996: 311) und einem „wirklich freien Markt” (Ders. 1996: 311) oszillierte, spiegelt sich auch wider in der Aussage Aukens, man besitze „keinen Patentatlas“ (Auken 1990: 23). Noch standen Dänemarks Sozialdemokraten mit einem Bein in der alten keynesianisch-regulierenden Staatstradition, mit dem anderen Bein freilich bereits im Lager der neoliberalen Anpassung. Hielt man etwa im 84er Arbeitsprogramm noch das Prinzip Solidarität hoch, so baute man im Modernisierungsmanifest „Gang i ‘80erne” (1989) ostentativ aufs Prinzip Wettbewerbsfähigkeit, Markteffizienz und gerechte Lastenverteilung wie z.B. im Fall des Plädoyers für eine moderate Lohnentwicklung (Gang i `90eme 1989: 10).

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  9. Das Grundsatzprogramm „Solidaritet, lighed, trivsel“ (Solidarität, Gleichheit, Wachstum resp. Lebensqualität) der dänischen Sozialdemokratie von 1977 bezeichnet Helbak (1996) im Vergleich zum dänischen „Godes-berger Programm”, dem wachstums-optimistischen catch-all-Programm „Vejen frem“ (Der Weg nach vorne) von 1961, als „markanten Bruch” (Helbak: 298). Sowohl das dezidiert linkskeynesianische 77er Grundsatzprogramm als auch das 1978 verabschiedete Arbeitsprogramm „Et solidarisk samfund“ (Eine solidarische Gesellschaft) seien die „ radikalsten Programme der Nachkriegszeit ” gewesen (Helbak 1996: 300). Helbak sieht sogar eine direkte Anknüpfung an das marxistische Vorkriegsprogramm von 1913, das bis 1961 offiziell Gültigkeit besaß (vgl. Helbak 1996: 300). Das 77er Grundsatzprogramm propagierte linke Forderungen wie Wirtschaftsdemokratie, Gemeineigentum, teilweise die Vergesellschaftung der Banken und des Grundbesitzes, ein solidarisches Rentensystem, gesellschaftliche Kontrolle und eine Realanalyse (vgl. Raschke 1970) mit dem Tenor, soziale Ungleichheit und mangelnde Demokratie würden durch private Eigentumsverhältnisse und Profitproduktion verursacht (vgl. Solidaritet, lighed, trivsel 1977 und Helbak 1996: 298–299). Zwar wirkte das linksgestrickte Prinzipienprogramm auf den ersten Blick wie eine ideologische Annäherung an die linkssozialistische Sozialistische Volkspartei (SF), paradoxerweise fielen das linke Grundsatzprogramm und auch das nicht minder linke Arbeitsprogramm „Et solidarisk samfund“ (1978) jedoch in die Phase der für Dänemark auf nationaler Ebene eher ungewöhnlichen „Große Koalition” aus SD und rechtsliberaler „Venstre“ 1978/79 (vgl. Helbak 1996: 300).

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  10. Das Arbeitsprogramm „Et solidarisk samfund“ postulierte „Solidarität” und „aktive Gemeinschaft“ als Schlüsselbegriffe (vgl. Helbak 1996: 299).

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  11. Als Initialzündung kann dabei das aus der feder Mogens Lykketofts stammende Aktionsprogramm „Gang i 90`erne“ (1989) gelten: hier wurde erstmals Eigenverantwortung und Wirtschaftlichkeit/Effizienz im öffentlichen Sektor postuliert. Staatliche Rahmensteuerung (nicht mehr Regulierung) wird gestellt neben eine klare Wachstums-, Investition-und Beschäftigungsstrategie. Rahmensteuerung, Flexibilisierung und Dezentralisierung avancieren zu Schlüsselbegriffen des neuen Denkens (vgl. Fornyelsen af den offentlige sektor 1990: 4). „Es gilt aber Abstand von Mitteln (chrw(133)) zu nehmen, (die) durch detaillierte Regulierung steuern zu wollen — es muß genügen, das Erreichen der Ziele zu kontrollieren.” (Fornyelsen af den offentlige sektor 1990: 4). In diesem Programm wurde bereits in der Opposition eine kohärente sozialdemokratische Wirtschaftsstrategie propagiert: demnach sollten gezielte Investitionen, (Export-)Wachstum und Beschäftigung verbunden werden mit einer Modernisierung des Wohlfahrtsstaats (vgl. Gang i 90`erne 1989: 3).

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  12. Die Debatte um die sog. Udlicitering (Lizenzvergabe an private Firmen) ging in Dänemark um eine kontrollierte, moderate Privatisierung einzelner Bestandteile wie z.B. Kantinen-, Reinigungs-oder Wäschereidienste, die dann durch private Firmen übernommen wurden). Vgl. Lykketoft 1994: 145.

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  13. Im Arbeitsprogramm Pd menneskets vilkâr (1988) heißt es: die allerwichtigste Ausbildungsreform werde das Angebot zur Weiterbildung für alle sein („bezahlte Freiheit“). D.h. für alle Personen, die dem Arbeitsmarkt verbunden sind, Beschäftigte wie Arbeitslose (Pd menneskets vilkâr 1988: 7).

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  14. Helbak schreibt der damals auf dem linken Flügel der Partei agierenden SD-Politikerin und späteren EU-Umweltkommissarin Ritt Bjerregaard, unter Anker Jorgensen streitbare Sozialministerin, eine Schlüsselrolle beim Versuch zu, der dänischen Sozialdemokratie ein neues, dezidiert ökoreformistisches Profil, aber auch in den übrigen new issues der Friedens-, Wohungs-und Frauenpolitik, zu geben (Vgl. Helbak 1996: 304ff.). Das erste SD-Arbeitsprogramm der Oppositionszeit aus dem Jahr 1984 — For ny fremgang (Für neuen Fortschritt) — wertet Helbak bereits als stark ökosoziales, von der Friedens-und Ökologiebewegung geprägtes „Protestprogramm”. Gerade deswegen bestand laut Helbak keine Aussicht, die konservative Regierung zu stürzen, zumal Konzepte zur Wirtschafts-und Arbeitsmarktpolitik fehlten (man habe lediglich den Status quo der bisherigen sozialdemokratischen Krisenpolitik verteidigt; vgl. Helbak 1996: 305). Außerdem habe es dem 84er Arbeitsprogramm eklatant an Stringenz gemangelt: eine „grand strategy“ wie noch zu Zeiten der 60er Jahre fehlte, stattdessen sieht Helbak den strategisch negative Wirkung entfaltenden Einfluß der „Ein-Punkt-Bewegungen” der Friedens-, Umwelt-und Hausbesetzer-/Kommune-Bewegungen. ( Vgl. Helbak 1996: 305 ).

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  15. Unter dem Druck der in Dänemark starken neuen sozialen Bewegungen, z.B. der Anti-Atomkraft-Bewegung, wurden seit den 70er Jahren zunehmend die new issues als ökosozial-reformistische Strategien in die sozialdemokratische Programmatik integriert. Vgl. dazu ausführlich Gundelach 1988: 221ff. und vor allem Hein Rasmussen 1997: 123ff. und 167ff.).

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  16. Meine thesenartige Darstellung stützt sich im Fall der SPD-Programmatik der 80er Jahre auf folgende Programme: Die Wahl-und Regierungsprogramme der SPD-Kanzlerkandidaten H.J.Vogels (1983), J.Rau „Zukunft für alle“ (1987) und O.Lafontaine 1990 („Der neue Weg”). Des weiteren auf die Aktionsprogramme „Arbeit und Umwelt“ (1985) und das Nürnberger Aktionsprogramm (Ausstiegsbeschluß aus Atomkraft und Wirtschaftsprogramm, 1986). Ferner wurden die wirtschafts-und energiepolitischen Beschlüsse des Essener Parteitags 1984, das sog. Roth-Papier zur Wirtschaftspolitik (1985), der „Irseer Entwurf ” (1936, unter Federführung Epplers entstandener Vorentwurf zum neuen Grundsatzprogramm), der Bericht der Kommission „Fortschritt 1990” und das neue Berliner (Grundsatz-)Programm der SPD für die Programmanalyse herangezogen. Das sog. Leipziger Grundsatzprogramm der 1989 wiedergegründeten ostdeutschen Sozialdemokratie vom 25.2.1990 kann hier aus Platzgründen nicht berücksichtigt werden: obgleich inhaltlich konsistenter und lesbarer als das westdeutsche Berliner Programm, war es nach sieben Monate wegen der am 3.Oktober 1990 offiziell vollzogenen deutschen Einheit schon wieder obsolet und spielte auch fürderhin in der Programmentwicklung der gesamtdeutschen SPD keine Rolle mehr. In den 80er Jahren — der Programm-Dekade der SPD — erschienen zudem eine Flut von Programmschriften und Kommissionsberichten (z.B. Hauff-Kommission zum Ausstieg aus der Atomkraft). Ich habe das Gros der genannten Programme über die Bibliothek der Bonner Friedrich-Ebert-Stiftung beschafft sowie bis zum Berlin-Umzug im August 1999 die umfangreichen Presse-, Literatur-und Programmbestände des Bonner SPD-Parteiarchivs im Erich 011enhauer-Haus nutzen können. Aufgrund der enormen Programm-Produktion der SPD der 80er Jahre, welche durch zahllose Debattenbücher ergänzt wurden, habe ich mich notgedrungen auf einige wenige, ausgewählte programmatische Marksteine konzentriert.

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  17. Die ökosoziale Orientierung der SPD beginnt bereits auf dem Essener Parteitag 1984 (energiepolitische Beschlüsse u.a. zum Ausstieg aus der Atomenergie) und mit dem Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion eines Sondervermögens „Arbeit und Umwelt“ vom April 1984 (staatlich gefordertes Investitionsprogramm für 400.000 Arbeitsplätze, finanziert durch erhöhte Verbrauchssteuem). Sie setzt sich fort mit dem Bericht des Fachkongresses „Arbeit und Umwelt” (1985; dort übernehmen auch Partei und Gewerkschaften das Konzept Arbeit und Umwelt. Vgl. ausführlich Hofschen/Kremer 1989: 97.

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  18. Vogel war der falsche Kandidat 1983, weil er die Erneuerung nicht verkörperte, Rau stand als Kandidat 1987 der ökosozialen Neuorientierung (Nürnberger Aktionsprogramm 1986) diametral entgegen, Lafontaine kam 1990 zu spät und stieß mit seinem ostentativen, gegen die schnelle Deutsche Einheit gerichteten Kurs die Mehrheit der Wähler vor den Kopf. Als die SPD sich Ende der 80er Jahre endlich dazu durchgerungen hatte, programmkonforme Politik zu machen, war der ökosoziale Zug bereits abgefahren.

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  19. Wehr weist daraufhin, daß sich der linke Flügel nach „fast zwanzigjährigem Kampf um die innerparteiliche Hegemonie“ mit dem Nürnberger Programm von 1986 und der personellen Mehrheit im Parteivorstand vollständig durchgesetzt habe. (Wehr 1998a/FR). Kaum wahrgenommen habe man jedoch eine neue, in Nürnberg einsetzende Entwicklung: Die Mitte habe sukzessive die Linke erobert. Wehr sieht einen Prozeß der selektiven Anpassung, der sich in den 90er Jahren erheblich verstärkte: innerparteilich hätten die Umweltpolitiker nur ihr Ressort gesehen, die Sozialpolitiker ebenso usw. Diese Scheuklappenmentalität nach dem St.Floriansprinzip kennzeichnete die selektive programmatische Anpassung der SPD in den 80er, vor allem aber in den 90er Jahren:

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  20. Nach der Wahlniederlage Raus 1987 löste die programmatische Offensive der Linken im Nürnberger Aktionsprogramm (1986) eine Gegenbewegung aus: die Programmdebatte wurde laut Lösche/Walter (1992) in eine zwar nicht neue, aber stärker technizistisch-modemistische Richtung gedrängt. Spöri/Maurer forderten, die SPD müsse ihr Anti-Technik-und Nein-Sager-Parteiimage, das beide Politiker besonders im Irseer Entwurf (1986) zu Tage treten sahen, durch eine Modernisierungsstrategie ersetzen (vgl. Lösche/Walter 1992: 128). Es gehe vielmehr darum, sich den technischen Fortschritt zueigen zu machen, den Leistungsgedanken zu bejahen und das gestiegene Bedürfnis nach Individualität und Flexibilität aufzunehmen (Lösche/Walter 1992: 128). Lafontaine habe sich mit seiner Arbeitszeitdebatte Anfang 1988 an die Spitze dieser Modemisierungsbewegung gesetzt, so Lösche/Walter (1992: 128).

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  21. So ist vage vom Zusammenwirken von Wettbewerb und staatlichem Handeln die Rede (Berliner Programm 1989: 36). Zwar wird das Dilemma der Globalisierung für die Sozialdemokratie ausdrücklich benannt (37), es wird von einer Verminderung der nationalen Steuerungsmöglichkeiten in puncto kapitalistische Ökonomie gesprochen (37), die Internationalisierung der Märkte enge die Spielräume der nationalen Zins-und Geldpolitik ein, bringe Konjunkturpolitik um ihre Wirkung (37). Indes: die konkreten Konsequenzen aus diesem Globalisierungsdilemma der Sozialdemokratie wirken nebulös: man plädiert für die Wiedergewinnung der Steuerungsmöglichkeiten der Wirtschaften durch „internationale Kooperation und Rahmensetzung “. (38).

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  22. Fortschritt,90“ propagiert eine reale Synthese aus Ökologie und Ökonomie.

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  23. Noch im Berliner (Grundsatz-)Programm ist Staatsverschuldung kein Thema: Gaschke (Die Zeit 1999 2.9.99) weist darauf hin, daß dort sogar mit wachsenden Staatsausgaben gerechnet werde, die eine zusätzliche „Kreditaufnahme“ erforderlich machen könnten, eine „geringere Gesamtbelastung durch Steuern” sei unwahrscheinlich (vgl. Gaschke 1999 ).

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  24. Das Berliner (Grundsatz-)Programm (1989) bekennt sich explizit zur klassischen sozialdemokratischen Leitidee der Solidarität (vgl. Kap. „Durch soziale Gerechtigkeit zur solidarischen Gesellschaft“, Berliner Programm 1998: 39) Wörtlich heißt es: „Sozialpolitik, die sich darauf beschränkt, eingetretene Schäden zu beheben, ist inhuman und überdies finanziell rasch überfordert ” (Berliner Programm 1998: 39 ).

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  25. Ferner werden folgende sozialpolitische Forderungen erhoben: vorbeugende und vorausschauende anstelle einer nur reparierenden und in Notfällen einspringenden Sozialpolitik; Anspruch für jeden auf eine menschenwürdige, gesunde und preiswerte Wohnung („Grundrecht“) und Bekenntnis zum sozialen Wohnungsbau; Meyer weist zu Recht darauf hin, daß die SPD mit der ökologischen Programmatik ein „neues politisches Leitbild” (Meyer 1998: 178), gar ein neues Paradigma sozialdemokratischer Politik (Meyer 1998: 180) erhielt. „Die Hauptidee des (Berliner; M.F.) Programms war es, ein breites Reformbündnis zu ermöglichen, das die neuen sozialen Bewegungen, Teile der aufgeklärten technokratischen Eliten und die traditionelle Sozialdemokratie für die Schaffung einer ökologisch und sozial verantwortlichen Gesellschaft zusammenbringen konnte” (Meyer 1998: 198).

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  26. Wörtlich formulierte man: „Gesamtwirtschaftlich ist nichts vernünftig, was ökologisch unvernünftig ist. Ökologie ist kein Zusatz zur Ökonomie. Sie wird zur Basis verantwortlichen Wirtschaftens.” (Berliner Programm 1989: 40). So finden sich folgende ökologischen Ziele im Berliner Programm: Abschaffung umweltschädlicher Produkte, Produktionen und Systeme; Ersetzung durch umweltfreundliche Äquivalente; Beschleunigung zur Öko-Wende notwendiger technischer Innovationen; sparsamer und rationeller Umgang mit Energie; Förderung von Abwärmenutzung, Kraft-Wärme-Kopplung, dezentraler, insbesondere kommunaler Energieversorgung, vor allem regenerativen (emeuerbarer) Energien; Ausstieg aus der Atomenergie so rasch wie möglich (vgl. Berliner Programm 1989: 40 ).

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  27. Die Tatsache, daß neben der ersten Säule, deren rudimentäre Reste noch in der Koalitionsvereinbarung der rot-grünen Bundesregierung zu erkennen sind (vgl. Rot-grüne Koalitionsvereinbarung Aufbruch 1998) — Stichwort: Ökosteuerreform und Energiesparstrategien — noch zwei weitere Säulen mit jeweils umfangreichem Maßnahmenkatalog existierten (die zweite Säule umfaßte Umweltabgaben in den Bereichen Einweggetränke, Luftschadstoffe, Sondermüll, Abwasser, Massentierhaltung etc.pp.; die dritte Säule des Umweltordnungsrechts beinhaltete ein rundum reformiertes Energiegesetz zwecks Förderung rationeller Energienutzung, umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplung mit Nah-und Fernwärmeausbau; Förderung erneuerbarer Energien; linearer Stromtarife; Kemenergieabwicklungsgesetz zwecks alsbaldigem Ausstieg aus der Atomenergie; verschärftes Umweltstrafrecht, Umwelthaftungsrecht; Abfallgesetz; Chemikaliengesetz; bundeseinheitliche Chlorbilanz samt ökologischer Verkehrsleitplanung, Tempolimit; ökologische Landwirtschaft etc.pp.; vgl. ausführlich Vogel et al. 1990: 37–52). Die SPD legte zweifelsohne mit „Fortschritt,90“ das ökologischste Programm ihrer Parteigeschichte vor, zugleich auch eines der inhaltlich und formal fundiertesten. Die hohe inhaltliche Qualität von „Fortschritt ‘80” wurde danach nicht wieder erreicht.

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  28. Ich habe für die 90er Jahre folgende Programme durchgesehen: das Grundsatzprogramm „Det ny drhundrede“ (Das neue Jahrhundert, 1992), das Aktionsprogramm „Den gode circel” (Der gute Zirkel, 1992), das Diskussionspapier „Velferd med Vi je“ (Wohlfahrt mit Absicht, August 1995); die Arbeitsprogramme „Pâ menneskets vilkâr 1992–1996” (Zu menschlichen Bedingungen; 1992; dieses Programm trägt denselben Titel wie sein Vorgänger von 1988; M.F.) „Feelles mdl — fcelles fremtid 1996–2000“ (Gemeinsames Ziel — gemeinsame Zukunft;1996), das SAMAK-Positionspapir „Nordisk Vefærd” (Skandinavische Wohlfahrt 1998); den Parteitagsbeschluß „Felles ansvar — nye muligheder“ vom 12.September 1999 (SD-Themenparteitag in Odense).

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  29. Kennzeichen des passiven, sozialliberalen Wohlfahrtsstaatsprojekts ist laut Cox die Idee der solidarischen Wohlfahrtsorientierung in Gestalt sozialer Sicherungssysteme und redistributiver, d.h. auf Umverteilung basierender Finanzierung (vgl. Cox 1998: 5).

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  30. Es ist hier nicht der Raum, alle moralphilosophischen Implikationen dieses tiefgreifenden Paradigmenwechsels zu erörtern. Kurz gefaßt: das Paradigma fußt auf der sozialliberale Idee des moralisch neutralen, insofern „passiven“ Staates, der prinzipiell jedem Bürger seine wohlfahrtsstaatlichen Leistungen zukommen läßt, ohne nach deren Herkunft und Auskommen zu fragen. Der passiv-liberale Wohlfahrtsstaat mischt sich nicht in das Leben seiner Bürger ein, fragt nicht, ob sie Arbeit haben oder arbeitslos sind, schreibt seinen Bürgern nicht tun, was sie mit den sozialen Leistungen zu tun und zu lassen haben (vgl. ausführlich: Cox 1998: 7ff.). Was der Einzelne aus seinem Leben macht, ist nicht Sache des Staates. Diese liberalen Aspekte haben sowohl im dänischen wie auch im niederländischen Wohlfahrtsstaat historisch „starke Wurzeln” (vgl. Cox 1998: 7). Ob erst nach 1945 (wie Cox 1998 und Baldwin 1995 behaupten) oder schon in der Zwischenkriegszeit in der sozialliberalen Stauning-Ära (vgl. Kolstrup 1998) die konservativen Elemente des frühen dänischen Wohlfahrtsstaats abgelegt und zugunsten des universal-sozialliberalen ersetzt wurden, spielt für uns hier keine Rolle. Fakt ist, daß der Wohlfahrtsstaat im sozialliberal-universalistischen Sinne bis in 60er Jahre massiv ausgebaut wurde und das Bedürftigkeitskriterium durch das einkommens-unabhängigeUniversalprinzip ersetzt. Cox konstatiert zu Recht, daß „(chrw(133)) the political leftplayed a strong role in making benefits more generous“ ( 1998: 7 ).

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  31. Auch Dahrendorf (1999) stellt die Frage „nach der Verträglichkeit von workfare, also von Sozialansprüchen nur für die, die arbeiten, mit einer freien Gesellschaft“ (24). Die Zielrichtung sei nicht mehr eine größere Gleichheit der Lebensbedingungen aller Burger, sondern der soziale Einschluß aller (24). Sparen, auch Zwangssparen, werde zur Voraussetzung von Leistungen, soziale Inklusion solle nicht nur durch staatliche Leistungen, sondern zunehemend durch aktive Beteiligung der Berechtigten erreicht werden (Dahrendorf 1999: 24).

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  32. Vgl. auch aus dem Blickwinkel der sozialliberalen Modernisierer der SD: Jergen Eikofers Diskussionsband „En bygning vi vaater! Nye veje i et nyt ârhundrede“ (1991) und Helbak aus Sicht des linken Flügels: Helbak moniert, im neuen Grundsatzprogramm sei zwar rein formal der Begriff des „Demokratischen Sozialismus” als Worthülse beibehalten, faktisch beschränke sich das Programm jedoch auf eine sozialliberale Definition des Begriffs. Er schreibt: „Der Kampf gegen das Privateigentum (wie er noch Ende der 70er Jahre programmatisch dominierte; M.F.) und die kollektive Solidarität wurden 1992 ( Erscheinungsjahr des neuen Grundsatzprogramms; M.F.) durch allgemeine Wendungen über Demokratie in allen Lebensbereichen und die Erneuerung der Wohlfahrtsgesellschaft abgelöst“ (Helbak 1996: 312 ).

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  33. Es heißt dort: „Keine Rechte ohne Pflichten, keine Pflichten ohne Rechte“ (Det ny ârhundrede 1992: 5; ÜdV).

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  34. „Es ist im Gegenteil ein großer Schatz, daß alle Menschen verschieden sind.” (Det ny ârhundrede 1992: 6; ÜdV)

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  35. Signifikant ist hier die Aussage, der unter sozialdemokratischer Führung entwickelte „skandinavische Wohlfahrtsstaat“ sei ein historisches und internationales Beispiel dafür, „daß das Streben nach sozialer Gerechtigkeit und ökonomischer Effizienz sehr wohl Hand in Hand gehen können.” (Det ny ärhundrede 1992: 7; ÜdV).

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  36. Vgl. Det ny ârhundrede 1992: 9. Dort ist von der „Horrorvision“ der Zweidrittelgesellschaft und dem neuen Gegensatz zwischen Arbeitsplatzbesitzern und Arbeitslosen die Rede.

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  37. Das neue Ziel der Sozialdemokratie ist nun die Modernisierung des öffentlichen Sektors (mehr Service, Qualität, Wahlmöglichkeiten, Transparenz) auf „solider Finanzgrundlage“ (sic! M.F.) und in „ökonomischer Verantwortung”; 20).

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  38. Vgl. Det ny ârhundrede 1992: 12. Dort heißt es: „chrw(133)sollen in den mannigfaltigen Formen verwirklicht werden, den einzelnen Wirtschaftszweigen jeweils angemessen und dem Bedarf des Unternehmens (angepaßt)“.

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  39. In Det ny ärhundrede heißt es: Planwirtschaft und Bevormundung „bedeuten Stagnation und Armut“ (17), stattdessen plädiert man für das, was Glotz einmal die „antagonistische Kooperation” (Glotz 1984) genannt hat: „Vonnöten ist eine Zusammenarbeit (zwischen öffentlichem Sektor und Wirtschaft; M.F.) quer zu den alten Scheidelinien“ (18). Es gehe um die Erschließung neuer Märkte und die Beschaffung von Investitionskapital.

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  40. Wörtlich: „Eine beschäftigungs-und wohlfahrtsschaffende Wirtschaftsentwicklung läßt sich hervorragend mit ökologischem Denken vereinbaren (chrw(133)).“ Es gelte, sich mit der Ressourcenvergeudung nachhaltig auseinanderzusetzen (13).

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  41. Freilich wird die bürgerlich-neoliberale Ungleichheitsphilosophie strikt abgelehnt (29).

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  42. Diese Synthese sei möglich, ohne dabei soziale Sicherheit, Geborgenheit und die Politik der Chancengleichheit preisgeben zu müssen (29). Wohlfahrtsgesellschaft heißt in der neuen Definition Ausbau von Bildung und Weiterbildung.

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  43. Klare Ziele und Wille zum Kompromiß sind zwei Seiten einer Medaille.“ (Det ny ârhundrede 1992: 29).

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  44. Ein neues Arbeitsprogramm ist firs Jahr 2004 (gültig für die vier kommenden Jahre) vorgesehen. Das derzeit gültige Arbeitsprogramm 2000–2004 bestätigt im wesentlichen den eingeschlagenen Kurs sozialverträglicher und aktivierender Modemisierungspolitik. Im Jahr 2004 plant die Parteifiihrung ein neues Grundsatzprogramm.

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  45. Es handelt sich bei „Fcelles mandl — fælles Fremtid“ (1996–2000) um das erste Arbeitsprogramm der dänischen Sozialdemokratie als wieder an die Macht gelangte Regierungspartei (seit 1993) und nach sechzehn Jahren Opposition. Alle drei vorhergehende Arbeitsprogramme (1984, 1988, 1992) waren, ebenso wie die Aktionsprogramme (wie z.B. Gang i `90eme von 1989), so gesehen reine „Oppositionsprogramme”.

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  46. 182 Es ist demnach menschenunwürdig, volkswirtschaftlich unklug (sic! M.F.) und den sozialdemokratischen Zielen diametral entgegengesetzt, wenn Menschen passiv außen vor bleiben, obwohl sie arbeiten können oder wollen (Vgl. Fcelles mand1— fælles Fremtid 1996: 5).

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  47. Nur so könnten die Chancen des einzelnen erhöht und Gemeinschaftsaufgaben (des Staats) gemeistert werden (vgl. Fælles mäl — fælles Fremtid 1996: 5).

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  48. SAMAK: d.i. das Zusammenarbeitskomitee der skandinavischen Arbeiterbewegungen, eine Art programmatischer Denk-und Diskussionsfabrik der sozialdemokratischen Parteien Dänemarks, Schwedens, Norwegens, Finnlands und Islands, in dem länderübergreifend wie etwa auch im „Nordischen Rat“ sozialdemokratischer Diskurs, Meinungs-und Erfahrungsaustausch gepflegt wird.

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  49. Als Chancengleichheit definiert das SAMAK-Positionspapier das Recht für alle auf Aus-und Weiterbildung, Arbeit, Gesundheitsversorgung, kulturelle Erlebnisse, saubere Umwelt; Soziale Sicherheit meint die Garantie eines sozialen Sicherheitsnetzes, die Eigenverantwortung aber nicht ersetze; solidarische Finanzierung besagt

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  50. Besserverdienende auch mehr für die Gemeinschaft und fürs Gemeinwohl zahlen, Steuern bleiben Instrument der gerechten Umverteilung (d.i. Festhalten am Redistributionsprinzip ), Niedrigeinkommen zahlen deutlich weniger Steuern, je höher das Einkommen, desto mehr Steuern werden gezahlt; vgl. SAMAK 1998: 4 ).

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  51. Das Dilemma besteht laut SAMAK darin, daß die Unternehmen einerseits immer mehr hochqualifizierte Stellen anbieten und folglich immer höhere Qualifikationsansprüche stellen, andererseits derzeit zuviele Niedrigqualifizierte auf den Arbeitsmarkt drängen. (vgl. 1998: 7) „Die Ausbildungsstrategie ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, daß wir die skandinavischen Wohlfahrtsgesellschaften sowohl wirtschaftlich als auch menschlich weiterentwickeln.“ (SAMAK 1998: 8).

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  52. Notwendig sei demzufolge die Schaffung ausreichender und tragfähiger Jobs für Minderqualifizierte etwa in Dienstleistungssektoren (Unternehmen, persönliche Dienstleistungen) und im Umweltschutzbereich (vgl. 9). Die SAMAK-Analyse beklagt den Trend der skandinavischen Wohlfahrtsstaaten seit der Mitte der 70er Jahre — mit Ausnahme Norwegens — zu immer stärker steigenden Transfereinkommensleistungen (Renten, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Vorruhestandsgeld). Es gebe einen Trend vorn „Dienstleistungsstaat zum Transferstaat“, der die vormals dominiernden,sozialstaatlichen Dienstleistungen” verdränge (vgl. SAMAK 1998: 12–13).

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  53. Es gelte für sozialdemokratische Politiker zu entscheiden, in welchen Bereichen man den „Erwartungen der Bevölkerung“ entspreche und in welchen man das universelle Prinzip aufgebe. (SAMAK 1998: 15).

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  54. Lizensierungs-und Teilprivatisierungsstrategien dürften ebensowenig in Zukunft ein sozialdemokratisches Tabu sein wie freie Verbraucherwahl, die Unterscheidung in kostenlose Mindest-und kostenpflichtige soziale Zusatzleistungen (vgl. SAMAK 1998: 15). „Wir müssen bereit sein, noch mehr mit neuen Lösungsmethoden und Organisationsformen zu experimentieren.“ (16) Darüber hinaus sollten ältere Arbeitslose zwischen 40 und 50 Jahren künftig verstärkt im Pflege-und persönlichen Dienstleistungsbereich des Wohlfahrtsstaats Jobs finden (vgl. 16).

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  55. Vgl. dazu meine Gespräche mit dem dänischen Finanzminister Mogens Lykketoft (5/99), dem ökosozialen „Auken-Flügel“ der SD zugerechneten politischen Sprecher der Folketings-Fraktion, Dr.Jakob Bucksti, später Verkehrsminister im Kabinett Nyrup (ab 2000) und dessen Vize, der dem Nyrup/Lykketoft-Flügel zuneigende finanzpolitische Sprecher der Fraktion, Jan Petersen (5/99). Bucksti etwa bemerkte zum Thema „Dritter Weg” und „New Labour“: „Er (d.i. Blair; M.F.) ist doch kein Sozialdemokrat.” (vgl. Bucksti 1999). Und der Vordenker der politisch-ökonomischen Abteilung der SD-Fraktion, Vemer Sand Kirk, erwiderte: „Den Dritten Weg haben wir längst eingeschlagen. Die dänische Sozialdemokratie setzt bereits seit Jahrzehnten auf eine Mischung aus staatlicher Steuerung und ökonomischer Effizienz“ (vgl. Kirk Sand 1999 ).

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  56. Diese Maxime ist das offizielle Motto der dänischen Sozialdemokratie.

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  57. Der englische „Dritte Weg“ von Blair sei nicht, wie immer behauptet werde, ein Weg zwischen alter Sozialdemokratie und Neoliberalismus, sondern — ob der spezifischen historischen, politischen und sozialen Bedingungen Großbritanniens — ein Indiz dafür, daß sich „New Labour unserem (dänischen; M.F.) Weg nähert” (Nyrup 1999: 1). „Wenn sie (d.i. Blair und New Labour; M.F.) so auf Chancengleichheit und besonders gleiche Bildungschancen fixiert sind, dann ist dies eben genau ein Ausdruck dafür, daß sie von der Politik und den Grundwerten beeinflußt sind, für die wir schon immer gestanden haben“ (Nyrup 1999: 1).

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  58. Nyrup nennt dieses Modell die erfolgreiche Synthese sus dem Gleichheitsideal und ökonomischer Effizienz; vgl. 1999: 1).

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  59. Diese neue Synthese bestehe im Zusammenspiel von aktivierendem, Rahmen setzenden (Wohlfahrts-)Staat, Unternehmen, Gewerkschaften, Kommunen, freiwilligen Vereinigungen und Organisationen, und dem Prinzip Eigenverantwortung (vgl. Nyrup 1999a: 4ff.).

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  60. Nyrup plädiert — ähnlich wie das SAMAK-Papier — fir neue Modelle der Wahlfreiheit, Qualität und Flexibilität bei Sozialleistungen (z.B. mithilfe der in mehreren skandinavischen Ländern erprobten Lizensierungsstrategien bei bestimmten Dienstleistungen des Wohlfahrtssystems, teils durch private Anbieter, teils durch dritte Anbieter innerhalb des öffentlichen Sektors, kurz: firs Einführen des Wettbewerbsprinzips in den Wohlfahrtsstaat.

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  61. Für ein so verstandenes, den Staat nach wie vor als rahmensetzende Instanz sehendes KommunitarismusModell habe man in Skandinavien, so Nyrup weiter, mit seinem traditionell hohen Sozialstandard die weitaus besseren Voraussetzungen als die Länder wie Großbritannien und die USA mit residualen Wohlfahrtssystemen (1999a: 5).

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  62. 198 Eine offensive Ausbildungsstrategie und eine aktive und aktivierende Arbeitsmarkt-, Beschäftigungs-und Sozialpolitik reichen demnach nicht mehr aus. Vielmehr müssen die neuen Jobs auch den richtigen Zielgruppen zugute kommen (bevorzugt niedrigqualifizierte, schwer vermittelbare Gruppen, bei denen weder Ausbildung noch Aktivierung fruchten; vgl. Nyrup 1999a: 7).

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  63. Nyrup über das Prinzip des steuerfinanzierten, „universalistischen“ Wohlfahrtsstaats: „Wir werden die nächsten 100 Jahre dafür kämpfen, daß dieses Prinzip erhalten bleibt: der Wohlfahrtsstaat darf nicht abhängen vom jeweiligen Geldbeutel.” Freilich: Es könne Anpassungen geben, mehr Eigenbezahlung resp. —beteiligung, z.B. in der Form, daß wohlhabende Rentner in Zukunft ihre Putzfrau selbst bezahlen (in Dänemark bisher staatlich; M.F.).“ Vgl. Nyrup 1999.

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  64. Nyrup in Odense mit Blick auf den Rentnerberg der nächsten Jahre: „Warum müssen wir alle gleichzeitig in Rente gehen?“ (1999).

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  65. Es gehe darum, „nicht nur an sich zu denken“, sondern zu fragen: „Was geschieht mit den Arbeitslosen, Marginalisierten, Schwächeren der Gesellschaft?” (vgl. Nyrup 1999). Das Kampagnenmotto der dänischen Sozialdemokraten lautet denn auch: „Für alle, die an andere denken als an sich selbst“.

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  66. Nyrup benutzte den englischen Begriff im Gegensatz zur globalen militärischen Hegemonie der USA (vgl. Nyrup 1999).

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  67. „Wir stehen in Wirklichkeit vor einer genauso großen Herausforderung wie unsere politischen Vorfahren am Beginn dieses Jahrhunderts.“ (Nyrup 1999c: 1).

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  68. Seit 1993 Nyrups wichtigster und seit 1996 einziger Koalitionspartner in der Regierung.

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  69. Das impliziert u.a. frühere und bessere Jobangebote fir Arbeitslose, insbesondere Langzeitarbeitslose, Recht und Pflicht zur Ausbildung oder Arbeitsannahme für Jugendliche nach kurzer Arbeitslosigkeitsphase (vgl. Fmlles m51 — feelles Fremtid 1996: 6). Das 96er Programm stellt die neuen Jobrotations-Verordnungen als konstruktivste Weg zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt heraus (6). Wörtlich heißt es weiter: „Die Sozialdemokratie wird diese aktive Linie ausbauen.“ (6)

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  70. Wörtlich: „Wir brauchen alle im arbeitstüchtigen Alter. Alle Menschen haben Qualitäten, die gebraucht werden können. Wir akzeptieren keinen Arbeitsmarkt, der die Leute ausstößt“. ( Falles mal — falles Fremtid 1996: 6 ).

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  71. Zur Begründung wird darauf verwiesen, die „Erfahrungen des Auslands“ zeigten, daß Sozialabbau lediglich zu größerer sozialer Ungleichheit ohne dauerhaften Beschäftigungszuwachs führe (Falles mäl — fælles Fremtid 1996: 7).

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  72. Diese Haltung hat die SD mittlerweile Zug um Zug geändert: die in der Partei und der Öffentlichkeit äußerst kontroverse Frage der „Fremdlizenzensierung“ (udlicitering) an private Dienstleister ist inzwischen in vielen Kommunen und Bereichen des öffentlichen Sektors in Dänemark gängige Praxis. Schon im Arbeitsprogramm wird die Option auf „Lizensierungen” offengehalten: bestimmte Aufgaben des Wohlfahrtsstaats sollen durch private resp. öffentliche Dienstleister in dessen Auftrag verrichtet werden (vgl. Falles m51 — fælles Fremtid 1996: 29).

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  73. Weiter heißt es: es solle vermieden werden, daß nur vorübergehend arbeitslose Menschen überhaupt zu Klienten“ der sozialen Sicherheitssysteme gemacht würden (vgl. Fælles mal — fælles Fremtid 1996: 32).

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  74. Wörtlich: „Ein gut funktionierender öffentlicher Sektorn wird durch das Zusammenspiel von Staat, Kreis und Gemeinden und zwischen Kreisen, Gemeinden und Bürgern geschaffen“ (Fælles Mal — folles Fremtid 1996: 35). Freilich sollen die Politiken der kommunalen Ebene mit den übergeordneten, nationalen Zielen und Leitsätzen der Regierung und des Parlaments (Folketings) übereinstimmen (35). Diese Gleichbehandlung des Bürgers in den verschiedenen Kommunen soll durch „lokale und regionale Garantie von Mindestrechten (chrw(133)) in vitalen Servicebereichen” erreicht werden. Freilich wird den Kommunen innerhalb der gesetzten Ziele lokal und regional Spielraum für eigene Prioritätensetzungen zugestanden (vgl. 35–36).

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  75. Wörtlich: „Wir wollen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung mit Umweltreformen kombinieren“ (Fælles Mäl — fælles Fremtid 1996: 8). Und: „Nur ein zielgerichtetes Wirtschaftswachstum, das ökologisch nachhaltig ist, kann in Zukunft Menschen, Natur und Beschäftigung sichern” (8). Konsequenter Umweltschutz wird als „wichtiger Bestandteil unserer Wettbewerbsfähigkeit“ gesehen (9).

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  76. Nicht zuletzt auf den osteuropäischen neuen Märkten werden große Investitionsmöglichkeiten im Umwelttechnikbereich gesehen (Fælles mAI — fælles Fremtid 1996: 9).

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  77. Folgende Programme habe ich für meine vergleichende Inhaltsanalyse genutzt: das Sofortprogramm „Zeit zum Handeln“ (besser bekannt als Petersberger Beschlüsse unter der Ägide Engholms) von 1992, die wirtschaftspolitische Beschlüsse des Wiesbadener Parteitags 1993, das unter Federführung Lafontaines erarbeitete Wirtschaftsprogramm der SPD von 1994, Scharpings Tutzinger Programmrede zur Modernisierung der SPD (1994), die Regierungsprogramme von 1994 (Scharping) und 1998 (Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit von Lafontaine/Schröder), das Programm der Kampagne „Innovation und Gerechtigkeit” (1997), das SchröderBlair-Papier (Der Wege nach vorne für Europas Sozialdemokraten vom Juni 1999), der Klimmt-Beitrag für soziale Gerechtigkeit (Juli 1999), die „Saarbrücker Erklärung“ des SPD-Präsidiums vom August 1999, das sog. Clement-Papier (September 1999), programmatische Beiträge der parlamentarischen Linken der SPD („Frankfurter Kreis”); die diversen Diskussionsbeiträge der dazugehörigen Programmdebatte über den „Dritten Weg“ der SPD (vor allem FR-Serie u.a. Beiträge von Michael Müller, Johann Strasser, Bernhard Schäfers, Eppler etc.pp.; weitere Interviews und Presseberichte wie z.B. „stern”-Interview mit SPD-Fraktionschef Struck übers Ende der Verteilungsgerechtigkeit) und der vom SPD-Vorstand im Oktober 1999 beschlossene Leitantrag zum Berliner SPD-Parteitag vom 7.-9.Dezember 1999 „Innovation und Gerechtigkeit — Perspektiven sozialdemokratischer Regierungspolitik ”. Gleiches gilt auch für den in Nürnberg 2001 beschlossenen Leitantrag „Sicherheit im Wandel“ und den Regierungsprogramm-Entwurf der SPD 2002–2006 „Erneuerung und Zusammenhalt — Wir in Deutschland” vom 23.April 2002, der auf dem außerordentlichen Berliner SPD-Bundesparteitag am 1.Juni 2002 verabschiedet wird.

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  78. Vgl. dazu ausführlich: Ebert-Stiftung Neuseeland-Papier. Der Autor analysiert darin überzeugend die Wandlung der dortigen, traditionsreichen Labour Party zu einer radikal-neoliberalen Marktpartei. Diese ideologische Verwandlung der neuseeländischen Sozialdemokratie hat dort zu einem strukturellen Niedergang der Partei geführt.

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  79. Vgl. dazu die scharfe Kritik Hengsbachs (1999) an dem Schröder-Blair-Papier und auch Strasser (1999).

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  80. Hengsbach (1999) warf dem Papier erschreckende Mittelmäßigkeit vor, Meyer (1999) kritisierte — obgleich es ohne „Paukenschlag“ oft nicht gehe — daß „wesentliche sozialdemokratische Grundsätze nicht mehr (enthalten)” seien, das Papier sogar viele bekannte Kritikpositionen des Neoliberalismus übernehme (vgl. Meyer 1999).

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  81. Im SBP heißt es, Grundwerte wie Fairneß, soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Chancengleichheit, Solidarität und Verantwortung für andere („Die wird sie nie preisgeben“; FAZ 1999: 10). Wörtlich heißt es aber auch in dem programmatischen „Vorschlag”: „Die Steuerungsfunktion von Märkten muß durch die Politik ergänzt und verbessert, nicht aber behindert werden.“ (SBP 1999a: 1). Das Papier wirft der alten Sozialdemokratie mangelnden Marktkonformismus vor: „Die Schwächen der Märkte wurden über-, ihre Stärken unterschätzt. ” (SBP 1999a: 18 ).

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  82. Wörtlich begründet das SBP die Notwendigkeit eines Niedriglohnsektors so: „Teilzeitarbeit und geringf igige Arbeit sind besser als gar keine Arbeit, denn sie erleichtern den Übergang von Arbeitslosigkeit in Beschäftigung“ (18)

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  83. Favorisiert wird ein minimal state-Konzept: gezielte Maßnahmen nur für jene, „die am meisten von Marginalisierung und sozialer Ausgrenzung bedroht sind“, Förderung von Eigenverantwortung („Eigeninitiative”; 18). Und: „Der Staat muß die Beschäftigung aktiv fordern und nicht nur passiver Versorger der Opfer wirtschaftlichen Versagens sein.“ (18)

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  84. Die neue workfare state-Maxime lautet: „Der Staat soll nicht rudern (womit wohl das „Rudern” fir soziale Leistungsempfänger gemeint ist; M.F.; vgl. 18), sondern steuern, weniger kontrollieren als herausfordern“ (18).

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  85. Neue Priorität sozialdemokratischer Politik ist demzufolge, arbeitslose Menschen Arbeitsplätze und Ausbildung anzubieten (dabei wird auf Zwangsmaßnahmen angespielt, falls die Job-oder Bildungsangebote abgelehnt werden: „Wir erwarten aber auch, daß jeder die ihm angebotenen Chancen annimmt“; 18).

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  86. Dieser materielle Fortschritt, d.h. Wohlstand soll offenkundig nicht mehr wie bisher in sozialdemokratischer Optik für alle gelten, sondern von vornherein nur für einen Teil (die Zweidrittel der) Gesellschaft gelten, nicht aber für die durch den Rost des marktorientierten workfare-Systems fallenden working poor.

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  87. Offenkundig soll die im Papier skizzierte neoliberale Wirtschaftspolitik mit sozialerem Antlitz (im Text ist von „modernem, marktwirtschaftlichen Ansatz“ die Rede; 18) mit Umweltinstrumenten auf nicht näher geschilderte Weise verbunden werden. Es heißt lediglich: die „neuesten, ressourcenschonenden Technologien” (im Text nicht näher spezifiziert: gemeint sind vermutlich die solaren, regenerativen Energien; M.F.) eröffneten „neue Märkte“ und schüfen Arbeitsplätze (18). An anderer Stelle wird indirekt und vage die Ökosteuer ins Spiel gebracht (neue Ausbalancierung der Steuerbelastung, „zum Beispiel zu Lasten des Umweltverbrauchs”; 18).

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  88. Das Sofortprogramm „Zeit zum Handeln“ — in der Öffentlichkeit besser bekannt als „Petersberger Beschlüsse” - von 1992 fokussierte vor allem auf die Asylrechts-und Flüchtlingsfrage und die Frage des Blauhelm-Einsatzes der Bundeswehr in UNO-Missionen. Wirtschafts-, Sozial-und Umweltpolitik wurden so fahrlässig in den Hintergrund gedrängt. Nach außen geriet die Anpassungsstrategie an rechtspopulistische Stimmungen und die Opferung grundlegender Prinzipien (Grundrecht auf Asyl) ohne Gegenleistung der damaligen konservativ-liberalen Bundesregierung (Einwanderungsgesetz, neues Staatsbürgerschaftsrecht) zum programmatischen Desaster der SPD. Eine neue kohärente Wirtschaftsstrategie der Sozialdemokratie fehlte in dem 92er Programm. Das 94er Regierungs-und Wahlprogramm stellte unter Scharping wieder einseitig das traditionelle Sozialprofil der Sozialdemokratie in den Vordergrund. Wirtschaftspolitik und Ökologie traten in den Hintergrund, eine kohärente sozialdemokratische Wirtschaftsstrategie unter Federführung Lafontaines wurde durch innerparteiliche Kommission-Kompromisse verwässert. Die Wirtschaftskompetenz der SPD war durch Scharpings „BruttoNetto“-Fauxpas öffentlich schwer beschädigt. Seine Tutzinger Modernisierungsrede erfolgte erst nach der Wahlniederlage 1994 und stieß bei den u.a. angegriffenen Gewerkschaften auf einhelligen Widerstand, die Wirkung der Rede verpuffte in der schwelenden Führungskrise der Partei. Insgesamt geriet die Phase 1991–96 zu einer quälenden, programmatischen Dürreperiode, in der es der SPD zu keinem Zeitpunkt gelang, eine Strategie, geschweige denn programmatische Perspektiven aufzuzeigen.

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  89. Das Düsseldorfer Manifest „Innovationen für Deutschland“ (Mai 1997), der Dortmunder Folgekongreß vom 21.Oktober 1997 („Innovation und Gerechtigkeit”) und der Hannoveraner Parteitag vom Dezember 1997 (Beschluß des Wirtschaftsprogramms,Innovationen für Deutschland“) spiegelten den kommunikationsstrategisch genau kalkulierten und in erster Linie auf moderne PR-Methoden bauenden „historischen Kompromiß” der beiden gegensätzlichen Modernisierungslager in der SPD: hie die gewisse staatliche Rahmensetzungen, Regulierung der globalen Finanzmärkte und einen policy-Mix befürwortenden „ökosozialen Modernisierer („Lafontainisten“), dort die staatliche Steuerung weitgehend ablehnenden und den Umbau des Sozialstaats zum aktivierenden Wettbewerbsstaat favorisierenden, neoliberal-technokratischen Markt-Modernisierer („Schröderianer”). Der damalige Kommunikationschef der SPD-Parteizentrale, Schoppe, verwies im Interwiew, das ich mit ihm in der Bonner „Kamps“-Wahlkampfzentrale im Juni 1999 führte, darauf, daß die programmatische Kampagne „Innovation und Gerechtigkeit” nach allen Regeln der Kommunikationskunst aufgezogen wurde und zuvörderst auf Wirkung abgestellt war (u.a. durch aufwendige Tests von Schlüsselbegriffen wie „Innovation“ durch Meinungsforschungsinstitute etc.pp.; vgl. Schoppe 1999).

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  90. Der ökosoziale Strömung der SPD verlor mit Lafontaine ihre führende Leitfigur und steckte ob dieses Schocks bis zur wahltaktisch bedingten Klimmt-Replik im Juli über ein Vierteljahr nach Vogel-Strauß-Art den Kopf in den Sand.

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  91. Schröder wurde wider Willen am 12.April 1999 auf einem außerordentlichen SPD-Parteitag in Bonn als neuer Parteichef der deutschen Sozialdemokratie inthronisiert und damit Nachfolger Lafontaines.

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  92. Diese selbsternannten Zentristen sehen sich als Generationsprojekt der geburtenstarken 60er-„Babyboom“Jahrgänge und als dritte Kraft zwischen den beiden Strömungszirkeln des rechten „Seeheimer” und des linken „Frankfurter Kreises”. Kristallisationspunkt ist das Hausorgan „Berliner Republik“, das immer mehr der „Neuen Gesellschaft/Frankfurter Hefte” den Rang als fiihrendes Diskussionsforum der SPD abläuft. Die Lage wird freilich dadurch verkompliziert, daß nicht alle „Rechten“ zum neoliberalen Schröder-Flügel tendieren und nicht alle Linken zum ökosozialen Modernisierungsflügel zählen, es also — kurz gesagt — Schnittmengen gibt (vgl. auch Raschke/Leif 1994, Meyer 1998).

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  93. Die Bündnispolitik einiger SPD-Linker ist höchst widersprüchlich, aber mangels Mehrheitsfähigkeit hat man sich in die heterogene „Regenbogen-Allianz“ der ökosozialen Modernisierer begeben. Dieses Arrangement vieler parlamentarischer Linker wird aber nicht von allen geteilt wie der PDS-Übertritt des SPD-Abgeordneten Hiksch beweist.

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  94. Flexibilität hat demnach dort ihre Grenzen, wo die Tarifautonomie der Gewerkschaften und Arbeitgeber beschnitten wird;wo bestehende Schutz-und Vorsorgegesetze verletzt und wo ein schrankenloser Niedriglohnsektor entsteht (ein solcher Sektor, so Dreßler, sanktioniere Arbeit, die noch nicht einmal im Ansatz Existenzsicherung ermögliche; vgl. Dreßler 1999). Länder wie Großbritannien und die Niederlande — so die Argumentation — könnten ob dortiger staatlicher Mindestlöhne oder eines Letztentscheids in strittigen Tariffragen bei der Regierung leichter mit Flexibilität umgehen (vgl. Dreßler 1999 ). Arbeitslosen-, Renten-und Krankenversicherung hätten weder Wirtschaft noch Staat in der BRD überfordert, sondern hätten sich bewährt. Die Pflegeversicherung trügen die Versicherten ohnedies selbst (vgl. Dreßler 1999 ).

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  95. Scharping wurde am 23. August 1999 in Saarbrücken zum Geschäftsführenden Vorsitzenden der neuen Programmkommission ermannt, die im Blick auf 2004 ein grundlegend neues Grundsatzprogramm erarbeiten soll. Bei einem Interview, das ich mit dem SPD-Parteireferenten Malte Ristau bereits im Juni 1999 war freilich noch von einem Datum zwischen 2006 und 2007 die Rede (1999).

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  96. Wörtlich heißt es im Clement-Papier (1999): „Freiheit und soziale Gerechtigkeit, Fairness, Solidarität und Verantwortung für andere: Diese Werte sind nach wie vor die Grundlage unseres Handelns.“ (NRW 2000plus 1999: 2). Die Formulierung „nach wie vor” ist das wenig verklausulierte Eingeständnis einer tiefen Vertrauenskrise zwischen SPD und ihren Wählern.

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  97. Es könne zwar immer weniger Verteilungsgerechtigkeit gewährleistet werden, so das Clement-Papier im Geiste des Wettbewergsparadigmas, als Ausgleich müsse indes „Chancengleichheit“ gesichert werden. Wörtlich: „Denn ohne die echte Chance auf gleichberechtigte Teilhabe wird es nicht gelingen, die Menschen zur aktiven Mitwirkung bei der Bewältigung des Wandels zu bewegen” (NRW 2000plus 1999: 3).

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  98. Wörtlich: „Politische,Null-Summen-Spiele’, in der der Eine zu gewinnen glaubt, was der Andere verliert, lösen keine Probleme.“ (NRW 2000plus 1999: 3)

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  99. Wörtlich: „Politische,Null-Summen-Spiele’, in der der Eine zu gewinnen glaubt, was der Andere verliert, lösen keine Probleme.“ (NRW 2000plus 1999: 3)

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  100. Der Titel des ersten Kapitels im Antrag heißt bezeichnenderweise „Unsere Grundwerte haben Bestand“ (vgl. Innovation und Gerechtigkeit 1999: 2).

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  101. Diese Innovation von Wirtschaft und Gesellschaft soll durch Qualifizierung, Bildung, Ausbildung, Forschung und Entwicklung bis hin zur konsequenten Umsetzung in Produkte und Dienstleistungen. (vgl. IuG 1999)

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  102. Wörtlich heißt es: „Wir verfolgen eine Politik, die auf Teilhabe möglichst vieler setzt. Nur dem, der über materielle und soziale Sicherung verfügt, wird diese Möglichkeit in vollem Umfang gegeben. Eine Teilhabegesellschaft muss am Prinzip der Gerechtigkeit orientiert sein. Gesellschaftlicher Konsens über die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, Sicherung von Chancengleichheit und Zusammehalt und die lebendige demokratische Kultur sind Grundelemente einer modernen Teilhabegesellschaft.“ (IuG 1999: 3 )

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  103. Der Antrag versucht — anders als das Schröder-Blair-Papier und das Wahlprogramm „Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit“ — immerhin im Ansatz eine Realanalyse und nennt folgende Herausforderun- gen/Handlungsrestriktionen für die Sozialdemokratie: Globalisierung (mache gezielte europäische und internati-„Deshalb glauben wir nicht an politische Konzepte, die die Gesellschaftspolitik auf die Logik des Marktes reduzieren will.” (IuG 1999: 3). anale Koordinierung nötig; vgl. IuG 1999: 4), Europäisierung, technologischer Wandel, Wandel der Arbeit, Veränderung der Sozialstruktur, Prozeß der deutschen Einheit (4–5).

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  104. Weiter heißt es: „Der Sozialstaat ist für uns nicht ein Instrument, um den Schwachen in dieser Gesellschaft zu helfen, sondern ein Grundprinzip für den sozialen Ausgleich, für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die Vision, eine gerechte Gesellschaft zu verwirklichen.“ (IuG 1999: 3).

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  105. Auch hier wird jedoch eher auf Zwang und Pflichten abgestellt, anstatt die Dialektik von Rechten und Pflichten zu betonen: Niemand soll sich auf Kosten der Allgemeinheit vor zumutbarer Arbeit drücken.“ ((IuG 1999: 10). Diese Diktion erinnert eher an wilhelminisch-autoritäre Kaiserreichs-Traditionen denn an eine sozialdemokratische Aktivierungspolitik.

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  106. Verwiesen wird lediglich auf „Marktanreizprogramm zugunsten erneuerbarer Energien“ (IuG 1999: 22): für die Photovoltaik-Förderung seien seit Januar im Rahmen des 100.000-Dächer-Solarstromprogramms insgesamt 1 Milliarde DM Staatshilfe bereitgestellt worden (IuG 1999: 22).

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  107. Vergleicht man das Programm AIG (1998) mit seinen unmittelbaren „Vorgängern“ — den Programmen Vogels (1983), Raus (1987), Lafontaines (1990) und Scharpings (1994) - und bildet man eine Achse von „intellektuell anspruchsvoll” (ein Prädikat, das von allen genannten Regierungsprogrammen mit weitem Abstand nur auf Lafontaines „Der neue Weg“ zutrifft) bis „intellektuell dürftig”, dann muß man das 98er Wahlprogramm inhaltlich und formal zweifelsohne in die unterste Kategorie einordnen. Hier geht es aber im folgenden um die Qualität, nicht um die formalen und analytischen Mängel des Wahlprogramms. Kurz: AIG (1998) ist eines der intellektuell schwächsten in den letzten zwanzig Jahren sozialdemokratischer Programmgeschichte und wirkt wie mit heißer Nadel gestickt.

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  108. Gemildert wird dieser Gesamteindruck nur durch seltsam fremd anmutende Einsprengsel hinsichtlich der Nachfrageorientierung in der ansonsten marktkonformen („innovativen“) Wirtschaftspolitik, einer (im krassen Gegensatz zu „Fortschritt ‘80 und „Der neue Weg”) völlig an den Rand gedrängten gedrängten Reformpolitik der ökologischen Modernisierung und bruchstückhaften, wie lose verkoppelte Programm-Anarchie anmutende, unzusammenhängende und in keine kohärente Gesamtstrategie eingepaßte Anleihen beim dänischen resp. skandinavischen Modell aktivierender Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik.

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  109. Das Bündnis wurde bezeichnenderweise kurz nach Regierungsantritt in „Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfdhigkeit“ (Hervorh. von mir; M.F.) umbenannt, als wolle man die Totalparalyse dieses Gremiums schon im Titel annocieren.

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  110. 247 Die beiden einzigen Nachfragepolitik-Forderungen des Programms — steuerliche Entlastung vor allem der Arbeitnehmer und Familien, konjunkturgerechte Finanzpolitik mit einer Verstetigung der öffentlichen Zukunftsinvestitionen „auf möglichst hohem Niveau“ (vgl. 16), ließen ebenfalls vieles im Unklaren: Die konkrete Politikpraxis der Regierung Schröder zeigte, daß die Entlastung der Familien und Arbeitnehmer keineswegs

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  111. 248 Es ist sogar davon die Rede, daß man die qualifizierte Mitbestimmung in Unternehmen nicht nur sichern, sondern auch weiterentwickeln wolle. Das novellierte betriebsverfassungsgesetz blieb jedenfalls hinter den Erwartungen des DGB und seiner Mitgliedsgewerkchaften zurück: eine Ausweitung der Mitbestimmung fand eo ipso nicht statt, eher noch eine Renovierung der alten Fassung.

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  112. Das Programm spricht von „Brücken in den Arbeitsmarkt” durch Lohnkostenzuschüsse fair Betriebe, die Arbeitslose einstellen (Kombilohn) und Einarbeitungshilfen (vgl. AIG 1998: 24), von Modellen staatlicher

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  113. Wörtlich: „Wir dürfen nicht länger auf Kosten der kommenden Generation leben“ (AIG 1998: 30).

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  114. Wörtlich heißt es: „Nicht alles, was wünschbar wäre, ist auch finanzierbar.“ Was das Wünschbare und was das Machbare ist, ist dem Programm nicht klar und eindeutig zu entnehmen. Stattdessen wird ein „Kassensturz” nach Regierungsübernahme angekündigt.

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  115. Im 94er Programm wird noch ohne Wenn und Aber die Notwendigkeit einer umfassenden ökologischen Steuerreform betont.

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  116. Erst im März 1999 — mit der „plebiszitären“ Landtagswahl in Niedersachsen — entschieden die dortigen Wahlbürger qua regionalem Volksentscheid über den SPD-Kanzlerkandidaten auf Bundesebene. Der Befund des kopflosen Wahlprogramms wird auch durch den Hinweis nicht geschmälert, daß beide potentiellen Kandidaten — Schröder und Lafontaine — ihre Unterschriften unters 1998er Regierungsprogramm setzten.

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Frenzel, M. (2002). Programmatischer Wandel im Vergleich. In: Neue Wege der Sozialdemokratie. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10891-7_5

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