Zusammenfassung
Unabhängig von der jeweiligen Sichtweise, was unter europäischer Sicherheit zu verstehen ist, wie sie politisch definiert und implementiert werden kann und soll und welche Sicherheitsarchitektur dazu erforderlich ist, sind sich politische Eliten und wissenschaftliche Experten in einem Aspekt dieses Themas einig: die bestehenden parlamentarischen Versammlungen, die sich direkt mit Sicherheitspolitik im engeren wie weiteren Rahmen beschäftigen und entsprechenden Institutionen zugeordnet sind — d.h. Nordatlantische Versammlung (NAV), Parlamentarische Versammlung der WEU und Parlamentarische Versammlung der OSZE — haben deutlich weniger Sach- und Machtkompetenz als nationale Parlamente und politisch lediglich eine supplementäre und keine konstitutive Funktion. So spricht die vorliegende Studie von Heinrich Buch von der Korrekturfunktion der NAV in bezug auf die Interpretation eines Rüstungskontrollabkommens, der Beitrag von Uwe Jun und Ernst Kuper weist der Parlamentarischen Versammlung der WEU in erster Linie eine Konsultations- und Kommunikationsfunktion zu und weist auf die qualitativ geringe bzw. kaum ausgeprägte Kontrollfunktion1 hin, und die Analyse der Parlamentarischen Versammlung der OSZE von Esther Barbé und Nora Sainz diagnostiziert nur eine politische bzw. handwerkliche Ausbildungsfunktion. Das Bild ändert sich auch nicht, wenn man diejenigen parlamentarischen Organisationen, die sich wie das Europäische Parlament nur bedingt2 oder wie die Parlamentarische Versammlung des Europarates nur mit allgemeinpolitischen Aspekten europäischer Sicherheit befassen, ebenfalls berücksichtigt. Sie haben noch geringeren Kontrollwert bzw. politisches Gewicht — erstens aufgrund der geringen Bedeutung ihrer Bezugsorganisationen für Sicherheitspolitik und zweitens aufgrund des dort ebenso vorhandenen mehr oder weniger ausgeprägten Kontrolldefizits.
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Anmerkungen
Die von Christoph Lotter vorgelegte Untersuchung der Parlamentarischen Versamm-lung der WEU (Lotter, Christoph (Hrsg.) (1996), The Changing European Security Environment, Weimar) setzt andere Akzente; die Kontrollfunktion wird größer als bei Jun/Kuper bewertet und die „parlamentarischen“ Defizite in anderen Bereichen gesehen. Allerdings stimmt auch Lotter der Auffassung zu, daß die gegenwärtigen Muster und Mechanismen keineswegs ausreichen, um eine angemessene Kontrolle durchzuführen.
Das EP hat schon früh und lange vor den Maastrichter Verträgen–und formal jenseits seiner Kompetenzen–sich mit Sicherheits-und sogar Verteidigungsfragen beschäftigt; für die ersten diesbezüglichen Aktivitäten siehe Seidelmann, Reimund (1984): European Security and the European Communities, in: Journal of European Integration, 7, S. 221–251.
Hier sei ausdrücklich auf den Unterschied zwischen europäischer und amerikanischer Parlamentsentwicklung hingewiesen. Es gehört zu den wesentlichen Charakteristika des amerikanischen Kongresses, daß er traditionell sich nicht nur ausfürlich mit Sicherheitspolitik beschäftigt, sondern in der Vergangenheit immer wieder initiativ wurde, um seine sicherheitspolitischen Machtkompetenzen auf Kosten des Präsidenten zu vergrößern.
Auch die neueren Diskussionen, z.B. über den Einsatz von Bundeswehr bei peace-keeping-Operationen der UNO haben daran nichts geändert; sie sind mehr Ausdruck populistischen Opportunismus als sachkompetenter Beitrag.
Es ist kein Zufall, daß bei dem Visegrad-Projekt die ostmitteleuropäischen Länder nicht in der Lage waren, eine politisch so naheliegende Kooperationsstruktur wenigstens mittelfristig aufrechtzuerhalten.
Frankreich unter de Gaulle ist ein klassisches Beispiel für diesen Zusammenhang.
Hier sei z.B. an die Weigerung der französischen Nationalversammlung erinnert, die EVG-Verträge zu ratifizieren.
Vgl. Seidelmann, Reimund (1992): Zur Neuordnung der westeuropöischen Sicher-heitspolitik, in: Martin Kreile (Hrsg.), Die Integration Europas, Opladen (PVS-Sonderheft 23 ), S. 335–361.
Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Außen-und Verteidigungsminister der großen Mitgliedsländer, die - weil sie sich in allen Organisationen - Ministerrat der EU und WEU, NATO-Rat, Außenministertreffen der OSZE - regelmäßig treffen, die nötige Koordination der Entscheidungsabläufe in Personalunion durchführen.
Einen Versuch stellt Telo, Mario (Hrsg.) (1995), Démocratie et construction Eu-ropéenne,Brüssel, dar.
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Seidelmann, R. (1997). Einführung: Europäische Sicherheit und ihre parlamentarische Kontrolle. In: Kuper, E., Jun, U. (eds) Nationales Interesse und integrative Politik in transnationalen parlamentarischen Versammlungen. Reihe Europa- und Nordamerika-Studien, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10878-8_6
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