Zusammenfassung
Wie bei vielen Völkern standen auch bei den Griechen der Frühzeit die fundamentalen Regeln des gesellschaftlichen Lebens unter dem Schutz derjenigen Gottheiten, die für das Gemeinwesen und sein Territorium zuständig waren. Die gesellschaftliche Ordnung wurde also von denselben Mächten sanktioniert, von deren Gaben wie Gesundheit oder Fruchtbarkeit, über die Menschen nicht verfügen konnten, das Überleben und Gedeihen der Gruppe abhing.1 Gerechtigkeit im Zusammenleben der Menschen, also Konformität mit diesen Regeln, erschien somit als gesellschaftlicher Aspekt einer göttlichnatürlichen Ordnung. Seuchen und Naturkatastrophen auf der einen, Wohlergehen und Gesundheit auf der anderen Seite konnte man dann als Strafe oder Lohn der Gottheit für das Verhalten der Menschen verstehen—so etwa der Dichter Hesiod in der Zeit um 700 v.C.2 Die für die ungestörte Beziehung zur Gottheit verantwortlichen Führer betrachtete man folgerichtig gern als Abkömmlinge oder Beauftragte der Götter, womit u.a. ihre Berufung zur Jurisdiktion begründet war. Weil in der Familie die Übereinstimmung natürlicher und gesellschaftlicher Zusammengehörigkeit besonders sinnfällig wird, waren frühe Staatsbildungen oft echte oder dann auch fiktive Gentilverbände.3
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Referenzen
Zum Thema F. Heinimann (1945), Physis und Nomos, Basel;
J. de Romilly (1971), La loi dans la pensie grecque des originesä Aristote, Paris;
O. Behrends/W. Sellert (Hg.) (1995), Nomos und Gesetz, Göttingen sowie
J. Assmann u.a. (Hg.) (1998), Gerechtigkeit — Richten und Retten in der abendländischen Tradition und ihren altorientalischen Ursprüngen, München.
Hesiod, Werke u. Tage, 225ff.; vgl. Homer, Ilias 16, 384ff.
Schon Aristoteles (Staat der Athener, 21) weist darauf hin, daß die von Kleisthenes am Ende des 6. Jh.v.C. eingeführte neue Phylen- oder Stammesordnung, welche die alte gentilizische Gliederung des attischen Territoriums zerschlug, ihrerseits fiktiv-gentilizischen Charakter hatte.
Thesmos »Satzung« ist das ältere Wort, mit dem z.B. Solon am Beginn des 6. Jh.v.C. seine Kodifikation bezeichnete (fr. 31,2; 36 West). Vermutlich hängt das Aufkommen des Terminus Nomos mit der Reform des Kleisthenes zusammen. Zur Bedeutungsgeschichte der beiden Wörter vgl. A. Dihle, in: O. Behrens/W. Seilen o.Anm. 1,118f.
Phokylides fr. 4 Diehl.
Die Überlieferung von zahlreichen Kodifikationen der älteren griechischen Geschichte läßt ein gemeinsames Muster erkennen: Es ging um die Beseitigung sozialer Spannungen, die sich in der Forderung nach Aufzeichnung des geltenden, von Adelsfamilien als Traditionsgut mündlich weitergegebenen Rechtes, Erlaß der Schulden, die sich bei den kleinen Leuten als Folge der Umstellung auf die Geldwirtschaft angesammelt hatten, und der Neuaufteilung des Grundbesitzes ausdrückte. Daneben hören wir von gesetzgeberischen Akten aus dem 7. bis 5. Jh.v.C. im Zusammenhang der Gründung von Kolonialstädten.
Isonomia bei Herodot (3, 80ff.) in einem Text, in dem das erste Mal die drei Grundtypen der Verfassung, Monarchie, Aristokratie und Demokratie nebeneinandergestellt werden. Der ältere Terminus Eunomia »Gute Ordnung«, den z.B. Solon gebraucht hatte, wurde später zum Schlagwort aristokratischer Opposition gegen demokratische Tendenzen.
Heraklit B 44 Diels/Kranz.
Z.B. in Aischylos’ Tragödien Perser und Hiketiden.
Herodot 3,38; Pindar fr. 169 Snell/Maehler. Vergleichbar Heraklit B 114 Diels/Kranz; Empedokles B 135 . Diels/Kranz; Orphiker fr. 160 Kern.
Thaies A 1 Diels/Kranz; daß gegenläufige göttliche Kräfte das kosmische Geschehen bestimmen, steht z.B. auch bei dem Philosophen Empedokles im 5. Jh.v.C. (B 17; 30 Diels/Kranz).
Schon der frühste unter den vorsokratischen Philosophen, Anaximandros von Milet, entwarf ein vollständiges Modell der Erde und des Universums.
Heraklit B 50 Diels/Kranz; in die gleiche Richtung weist Parmenides Lehre von der Entsprechung von Sein und Denken (B 8, 34ff. Diels/Kranz).
Anaximandros B 1 Diels/Kranz; ähnlich Heraklit B 94 Diels/Kranz und Alkmaion B 4 Diels/Kranz.
Xenophanes fr. 10–14 Diehl = B 1 lf und 14–16 Diels/Kranz bzw. fr. 19–22 Diehl = 23–26 Diels/Kranz.
Hippokrates, Prognosen, 25 bzw. Von der ärztlichen Kunst, 12.
Hippokrates, Von der Heiligen Krankheit, 1; Von der Ernährung, 1,4; Prognosen, 1.
Hippokrates, Von der Umwelt, 12; 16; 23 u.ö. Zur Sitte der Schädeldeformation ebd. 14. Der Philosoph Demokrit sprach von der »Herstellung von Natur« durch Gewohnheiten (B 33 und 242 Diels/Kranz). Den Zusammenhang zwischen freiheitlicher Verfassung und Kriegstüchtigkeit erwähnt auch Herodot (5,78).
Den technisch-rationalen Charakter sophistischer Erziehung hebt eine erhaltene Inschrift hervor, die unter der Gorgias bald nach seinem Tod errichteten Ehrenstatue in Olympia stand (A 8 Diels/Kranz). Es wird doch gerühmt, daß Gorgias »eine Techne (lehrbare Methode) für die Wettkämpfe menschlicher Tüchtigkeit« erfunden habe. Der Komiker Aristophanes rügt demgegenüber wiederholt, vor allem in den Wolken, eine moderne Erziehung, die sich an Theorien orientiert und nur das Argumentieren und Reden vermittelt, dabei aber die traditionellen moralisch-politischen Werte, wie sie die alte Dichtung und Musik überliefert, ebenso vernachlässigt wie die Ausbildung des Körpers (z.B. 133ff.; 1353ff.).
Antiphon B 44 A I Diels/Kranz; der Dichter Euripides bezieht sich in seinen Tragödien wiederholt auf Themen sophistischer Spekulation, darunter auch das von der Unwiderstehlichkeit natürlicher Triebe, z.B. Hippolytos, 433ff.; Phoinissen, 499ff.; vgl. auch fr. 920 Nauck (2. Aufl.).
Daß man Gerechtigkeit als Gehorsam gegenüber den Gesetzen verstehen müsse, ist eine vielfach geäußerte Ansicht, z.B. Thukydides 7,77; Lysias, Rede, 25,28 u.v.a. Auch die Sophisten stimmten dem zu (Antiphon o. Anm. 20; Thrasymachos B 8 Diels/Kranz). Nach dem Bericht Piatons im Kriton verweigert Sokrates vor seiner Hinrichtung die Flucht aus dem Gefängnis, weil er den Gesetzen seiner Stadt treu bleiben will, obgleich das über ihn ausgesprochene Todesurteil ungerecht ist.
Piaton, Gorgias, 482 Cf; Aristophanes, Wolken, 1321 ff.; Euripides, Kyklop, 314; Sisyphos-Drama Tragi-corum Graecorum Fragmenta 43 F 19 Snell. Ähnliche Erklärungen der Entstehung der Religion bei dem Sophisten Prodikos (B 5 Diels/Kranz) und dem Philosophen Demokrit (B 5 Diels/Kranz).
Z.B. Sophokles, König ödipus, 863ff.; Euripides, Hekabe, 799ff.; Aristophanes fr. 490 Kassel/Austin.
Die Lehre von der natürlichen Gleichheit aller Menschen (Antiphon B 44 A II Diels/Kranz) ist im bewußten Kontrast zu der Einsicht formuliert, daß sich die Menschen in ihren Sitten und Werturteilen, die auf Konventionen beruhen, gerade unterscheiden. In den sog. Dissoi Logoi, einem Text aus dem sophistischen Unterricht, sind zahlreiche Beispiele für extrem verschiedene Sitten und moralische Urteile bei den einzelnen Völkern gesammelt. Der Autor, der in die Zeit bald nach 400 v.C. gehören wird, konnte sich auf eine ethnographische Literatur stützen, die sich mit den Sitten und Gesetzen der Nichtgriechen beschäftigte (z.B. Hellanikos, in: F. Jacoby, Fragmente der griechischen Historiker, Nr.4 F 72/73).
Protagoras’ Lehre vom Urzustand der Menschen und vom Ursprung gesetzlicher Ordnung hat Piaton im Dialog Protagoras (320 Cff.) nacherzählt. Von der spezifisch menschlichen Fähigkeit, nicht dem Naturtrieb zu folgen, sondern gerecht zu handeln, spricht schon eine Fabel des Dichters Hesiod (Werke und Tage, 274ff.). Dabei gingen die Meinungen auseinander, ob es sich dabei um eine eigene Errungenschaft der Menschheit handele (Xenophanes fr. 16 Diehl) oder um eine Gabe der Götter (Euripides, Hiketiden, 196ff. wo die gottgegebenen Bestattungssitten auch als Strafe für den Übeltäter nicht verletzt werden dürfen). Protagoras selbst trat als Gesetzgeber der i. J. 443 v.C. gegründeten Kolonie Thurioi in Unteritalien hervor (Diogenes Laertios, Leben der Philosophen, 9,50).
Das sagt ein anonymer Sophist, dessen Traktat in einer dem Demosthenes zugeschriebenen Rede erhalten blieb (Ps. Demosthenes 25,15ff.). Der Traktat kommt zu dem Schluß, daß, recht verstanden, gerade die unveränderliche Natur die Achtung der veränderlichen Gesetze gebietet (ebd. 93ff.). Ähnlich äußert sich ein anderer Sophist, aus dessen Werk der Neuplatoniker Iamblich etliches erhalten hat (Iamblichos, Protreptikos, p. 97/98 Pistelli).
Herodot 7,101ff. besonders 104,4/5.
Am deutlichsten ist die Vertragstheorie bei dem Sophisten Lykophron ausgebildet (B 3 Diels/Kranz), aber auch Antiphon kennt sie (B 44A II Diels/Kranz). Dazu C.H. Kahn bei G.B. Kerferd (Hg.) (1981), Hermes Einzelschriflen, 44, 92ff. Da die Kontrastierung von Physis und Nomos, Natur und Konvention, auf viele Gebiete, z.B. auch die Sprache, angewendet werden konnte — so in Piatons Dialog Kratylos -lag es nicht fern, diese Vorstellung in der Staatslehre zu einer Vertragstheorie zu präzisieren.
Besonders kommt die Vorstellung von der göttlich-natürlichen Würde sehr alter Traditionen in den Bacchen des Euripides zum Ausdruck (890ff.; vgl. ders., Hiketiden, 196ff.). Aber auch der zweite in Anm. 26 zitierte Anonymus kennt sie (S. 101 Pistelli) und der Sophist Thrasymachos (B 1 Diels/Kranz). Zur parallelen Lehre von der Veränderung der Natur durch langandauernde Gewohnheiten s.o. Anm. 18. Noch Aristoteles vermutet, daß alles Alte der Natur näher sei (Rhetorik, 1387 a 16).
Thukydides 6,18,7; ähnlich Aristoteles, Politik, 1269 a 5ff.
Vgl. die berühmte Definition des Menschen als eines »politischen Lebewesens« bei Aristoteles, Politik, 1253 a 3. Man muß dabei bedenken, daß die Wortgruppe politikos, politeuesthai u.a. immer nur in Bezug auf die spezifisch griechische Polis verwendet wurde, die man allenfalls auch bei Karthagern und Etrus-kern wiederfand. Die großen Monarchien wie das Perser- oder Alexanderreich oder auch das römische Imperium waren aus griechischer Sicht keine Staaten in dem Sinn, daß sich in der Beteiligung an ihrem Leben die Verwirklichung der Menschennatur ergeben hätte. Darum gab es in allen diesen Großstaaten auch kein Recht der Staatsangehörigkeit. Das Bürgerrecht bezog sich stets auf eine Stadt, darunter auch die Stadt Rom.
Protagoras B 1 Diels/Kranz.
Piaton, Phaidros, 2760–217A.
Gute und knappe Einführung in die platonische Philosophie bei H. Görgemanns (1994), Piaton, Heidelberg; dort 87ff. über die sog. Ideenlehre.
Piaton, Staat, 435 Eff. über die Entsprechung Seele/Staat; ebd. 540 D über die Berufung des Philosophen zur Herrschaft.
Zu den verschiedenen Ansätzen in den Dialogen Staat, Politikos und Gesetze vgl. Görgemanns (o.Anm. 34), 150ff.
Die Vorstellung vom Herrscher als »beseeltes Gesetz« (J.A. Aalders, 1978, Palingenesia, 4, 315ff.) spielte in der hellenistisch-römischen Herrscherideologie, zuerst bei einigen pythagoreischen Philosophen des 3. und 2. Jh.v.C. bezeugt, eine bedeutende Rolle. Sie spitzte sich in der Praxis auf die Frage zu, ob der Herrscher an die Gesetze seines Landes gebunden sei. In Philosophie und Jurisprudenz wurde die Frage meist verneint (Plutarch, An den ungebildeten Herrscher, 3f; Symmachus, Relation, 2; 6; Gaius, Institutionen, 1,5; Ulpian, Digesten, 1,4,1). Die öffentliche Meinung dagegen akzeptierte weithin die charismatisch legitimierte Sonderstellung des Kaisers über dem Gesetz, z.B. der Historiker Cassius Dio im 273. Jh.n.C. (58,18). Seine Würde unter den Menschen spiegelte die des alles lenkenden Weltgottes im Universum, wie es ein dem Aristoteles zugeschriebenes Traktat des 1. Jh.n.C. formuliert (Ps. Aristoteles, Über den Kosmos, 398 a 1 lff.). In der Kaiserpanegyrik sah man im Gesetzesgehorsam dessen, der selbst Quelle des Rechtes ist, ein sittliches Verdienst (Plinius, Panegyrikus aufTrajan, 65,1).
Die sophistische Entdeckung des Unterschiedes zwischen Natur und Gesellschaft wirkt in der praktischen Philpsophie des Aristoteles darin nach, daß unter Menschen, in Ethik und Politik, »die Dinge auch anders sein können«. Auf diesem Gebiet gibt es also keine beweisbaren und stets geltenden Aussagen wie in der Natur (Nikomachische Ethik, 1140 b 20ff.; 1152 a 32ff. u.v.a.). So ist das Gerechte, das sich an einem geltenden Gesetz bemißt, auch nur »irgendwie gerecht« (ebd. 1129 b 13) und nicht mit dem von Natur aus, also prinzipiell Gerechten identisch (ebd. 1140 a 30 u.ö.; Politik, 1252 a 24ff.).
Zur hellenistischen Schulphilosophie als ars vitae für das Individuum A. Dihle (1966), Reallexikon für Antike u. Christentum, 6, 746ff. und ders. (1986), Entretiens de la Fondation Hardt, 32, 185ff.; zur philosophischen Meditation und Psychagogie I. Hadot (1969), Seneca und die griechisch-römische Tradition der Seelenleitung, Berlin.
Gute Einführung in die hellenistische Philosophie bei A.A. Long/D.N. Sedley (1987), Hellenistic Philosophers VU, Cambridge (Sammlung der wichtigsten Texte mit Einleitung, Übersetzung und Kommentar).
Die epikureische Lehre vom Gesetz referiert Plutarch, Gegen Kolotes, 30. Daß die »freie Lebensführung« des Weisen nicht vom Nomos geregelt werden kann, hat Epikur mehrfach erörtert (fr. 134; 196 Usener; Grundregeln, 37).
Isokrates, Lobrede auf Helena, 12f; Gegen die Sophisten, lff.; Nikokles, 8f; Panathenäenrede, 86. Der Rückgriff auf populäre Lebensregeln und Sprichworte wird in der rhetorischen Ausbildung immer wieder empfohlen, z.B. Aristoteles, Rhetorik, 1376 a 2ff.; Anonymer Kommentar zur Statuslehre des Hermoge-nes, 248ff., Rabe u.v.a. Für Aristoteles und mehrere seiner Schüler sind Sammlungen von Sprichwörtern bezeugt (Diogenes Laertios, Leben der Philosophen, 5,21; 45). Der Epikureer Polystratos verfaßte einen Traktat Gegen die törichte Verachtung der Vulgärmeinungen, der sich gegen den von Piatonikern und Stoikern statuierten scharfen Unterschied zwischen Alltagsverstand und philosophischer Einsicht richtete (dazu M. Gigante, 1981, Scetticismo ed Epicureismo, Roma), und die Skeptiker, die jede Möglichkeit sicheren, beweisbaren Wissens ausschlössen, empfahlen für den Lebensvollzug die Orientierung an traditionellen Meinungen (z.B. Sextus Empiricus, Gegen die Mathematiker, 9, 31; 35). 43 Die stoische Lehre vom Schicksal (Heimarmene) verlegte die Freiheit des Menschen ganz in sein Bewußtsein, für dessen Beschaffenheit er allein die Verantwortung trägt. Daß die Walze, die einen Stoß bekommt, den Berg herunterrollt, hat einen äußeren Grund. Wie sie rollt, hängt aber von ihrer eigenen Beschaffenheit ab, hat also einen inneren Grund (Stoicorum veterum fragmenta, 2,974ff.). Der dumme Hund, an einem Wagen festgebunden, läßt sich jaulend mitschleifen, der kluge trottet zufrieden hinterher (ebd. 1,527; Seneca, Brief, 108).
Seit Aristoteles (fr. 13; 35 Rose) gab es in der Philosophie die Vorstellung von einem Urwissen der Menschheit, das durch Naturkatastrophen und soziale Fehlentwicklungen verschüttet wurde, dessen Reste aber in Sprichworten und vor allem in den Weisheitstraditionen exotischer Völker überlebten (Me-gasthenes bei F. Jacoby, Fragmente der griech. Historiker, Nr.715 F 3 über Indien). Vor allem die Stoiker interessierten sich für dieses Motiv (Poseidonios fr. 49; 300; 324 Edelstein/Kidd). Chrysipp, ihr produktivster Vertreter, veröffentlichte eine Sammlung kommentierter Sprichworte.
Die Stoiker definierten den Menschen als ein zur Gemeinschaft bestimmtes Lebewesen (Stoicorum veterum fragmenta, 3,686), weshalb die Verwirklichung seiner Natur (Oikeiosis) stets auch sein Verhältnis zu den Mitmenschen betrifft (ebd. 1,197; 3,497).
Zur Lehre von den Gesetzen des positiven Rechtes als »Zusätze« zum allgemeinen Vernunftgesetz, durch das alle Menschen eine Gemeinschaft bilden, vor allem Stoicorum veterum fragmenta, 3,323; zu den verschiedenen Funktionen des Vernunftgesetzes ebd. 3,314; 317; 321; 343f.
Zur stoischen Vorstellung von der Kosmopolis Stoicorum veterum fragmenta, 3, 334–337.
So diente der Stoiker Persaios (3. Jh.v.C.) als Ratgeber des Makedonenkönigs Antigonos Gonatas, der Stoiker Blossios (2. Jh.v.C.) inspirierte den ersten, von den Gracchen unternommenen Versuch einer Sozialreform im republikanischen Rom.
Die Hochschätzung des Gesetzgebers zeigt sich in vielen, teils an halbmythische (z.B. Lykurg in Sparta), teils an historische Personen (z.B. Drakon und Solon in Athen) anknüpfende Überlieferungen. Piaton spricht von der göttlichen Inspiration des guten Gesetzgebers (Gesetze, 624 A; Ps.Platon, Minos, 319 B), was daran erinnert, daß wir von Gesetzgebungen älterer Zeit wissen, die vom Orakel in Delphi sanktioniert wurden. Wie Piaton, dessen letztes großes Werk der Gesetzgebung gewidmet ist, mißt auch Aristoteles die Qualität eines Staatswesens an seinen Gesetzen und schreibt diesen die Aufgabe zu, die Bürger zu erziehen (Politik, 1280 b 10; 1286 a 1 lff. u.ö.) und nennt die Gesetze »das Heil der Polis« (Rhetorik, 1360 a 19).
Zu Entstehung und Wesen des Zwölftafelgesetzes F. Wieacker (1967), Entretiens de la Fondation Hardt, 13, 291ff.
Vgl. F. Wieacker (1988), Römische Rechtsgeschichte I, München, vor allem 618ff.
Cicero, Über die Gesetze, 3,1,2–3. Es gibt freilich auch griechische Parallelen zu diesem Ausspruch. Der Rhetor Alkidamas (4. Jh.v.C.) bezeichnete den Nomos als »König der Stadt« (bei Aristoteles, Rhetorik, 1406 a 23), und Aristoteles selbst sprach vom Gesetz als »Vernunft ohne Triebe« (Politik, 1287 a 32), weil es anders als die Seele des lebenden Menschen nicht rationale mit irrationalen und darum unberechenbaren Kräften in sich vereint.
Im Jahr 155 v.C. schickte Athen die Häupter der akademischen, peripatetischen und stoischen Philosophenschulen in einer politischen Mission nach Rom, wo ihre Lehrvorträge großes Aufsehen erregten. In der Folgezeit verschlug es viele griechische Rhetoren, Gelehrte und Philosophen nach Rom, auch als kriegsgefangene Sklaven. Sie eröffneten bald Unterrichtsstätten, vor allem aber wurden sie als Hauslehrer in den Notabeinfamilien tätig. Das führte dazu, daß zur Erziehung des jungen Römers aus gehobenen Kreisen die Ausbildung in griechischer Rhetorik oder/und Philosophie gehörte, oft dann auch in den Lehrstätten der griechischen Welt. Das Griechische übernahm in Rom die Rolle des Französischen im Deutschland des 18. Jh. und behielt sie lange, obwohl die Werke Ciceros das Latein mit einer philosophischen Fachsprache ausstatteten. Der griechische Hausphilosoph als Lebensberater wurde für Jahrhunderte eine verbreitete Erscheinung. Das Vorbild griechischer Lehr- und Fachbücher stand an der Wiege der römischen Rechtswissenschaft (M. Fuhrmann, 1960, Das systematische Lehrbuch, Göttingen).
J. Gaudemet (1967), Institutions de l’antiquite, Paris, 600ff.
Das Problem ausführlich erörtert mit Bezugnahme auf ältere Literatur bei Seneca, Briefe, 94 und 95. Die meditative Vergegenwärtigung philosophischer Grundlehren besonders derutlich in den sog. Selbstbetrachtungen des Kaiser Marc Aurel. Dazu P. Hadot (1992), La citadelle Interieure, Paris.
Porphyrios, An Markella, 27; vgl. Iamblichos, Protreptikos, 55, 18ff. Pistelli.
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Dihle, A. (2001). Die Legitimation sozialer Ordnung im griechischen Denken. In: Dux, G., Welz, F. (eds) Moral und Recht im Diskurs der Moderne. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10841-2_7
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