Zusammenfassung
In mancher Beziehung wirkt Unzufriedenheit als Antriebsmoment; aber wenn sie chronisch wird, wirkt sie sich oft eher lähmend aus. Eine chronische Unzufriedenheit kann man auf dem Felde der Militärsoziologie ausmachen, und zwar rundum. Die Wissenschaftler beklagen die Distanz, die das Verhalten der Militärbürokratie ihnen gegenüber kennzeichnet, und die daraus folgenden Restriktionen für ihre Arbeit. Sie fühlen sich auch oft genug mißverstanden, wenn es um die Beurteilung ihrer Arbeitsergebnisse geht. Umgekehrt ärgern sich viele Soldaten, insbesondere in höheren Diensträngen, über die Art und Weise, wie Sozialwissenschaftler über die Streitkräfte forschen und sprechen, und halten die sich darin ausdrückende Distanz für völlig unangemessen. Nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland gilt im großen und ganzen, was Zoll vor einigen Jahren so formulierte: „In der einschlägigen Literatur ist es unbestritten, daß die Geschichte des Verhältnisses von Militär und Wissenschaft durch eine ‚Militärfeindlichkeit‘ der Wissenschaft und eine ‚Wissenschaftsfeindlichkeit‘ des Militärs gekennzeichnet sei.“1
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen
Ralf Zoll: Militär und Gesellschaft in der Bundesrepublik — Zum Problem der Legitimität von Streitkräften, in: Ders. (Hrsg.): Wie integriert ist die Bundeswehr?, München 1979, S. 19
Vgl. u.a. auch Klaus v. Schubert: Zum Verhältnis von Militär und Wissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland, in: aus politik und zeitgeschichte, B 44/1972
Schließlich kann man die Fragestellung von Zoll bezüglich der Bundeswehr auch auf die Militärsoziologie selbst anwenden und fragen: Wie integriert ist die Militärsoziologie? Über das Optimum an Integration und Unabhängigkeit militärsoziologischer Forschung(sinstitute) gehen die Meinungen weit auseinander.
Gerade dieses gegenwärtig in den Vordergrund öffentlicher Aufmerksamkeit gerückte Thema und die Art, wie es militärsoziologisch behandelt wird, sind ein gutes Beispiel für eine oft allzu hastig vorgenommene Instrumentalisierung militärsoziologischer Arbeit zu Zwecken bürokratisch-politischer Planung. Würden hier die Fristen verlängert werden können, die zwischen Problemdefinition und Vorlage der Untersuchungsergebnisse liegen, könnte die Forschung möglicherweise besser fundierte Ergebnisse vorlegen.
Fast überflüssig ist es, darauf hinzuweisen, daß solche Untersuchungen natürlich auch im Westen angefertigt werden. Die durchaus vorhandene,Ostblock`-Militärsoziologie ist teils an die Kandare politischer Geheimhaltung gelegt, teils Propaganda.
Obwohl eine,junge` Disziplin, hat die Militärsoziologie doch zahlreiche „Gesamtnabelschauen“ hervorgebracht, an die sich leicht anknüpfen läßt. Vgl. z. B.:.Morris Janowitz: Armed Forces and Society: A World Perspective, in: J. van Doom (Hrsg.); Armed Forces and Society, Den Haag 1968, S. 15 ff.; Ders.: On the Current State of the Sociology of Military Institutions, in: SOWI-Berichte, 17 (1979), S. 11ff.; Gwynn Harries-Jenkins; Charles C. Moskos: Armed Forces and Society, in: Current Sociology, 29. Jg. 1981, H. 3
Paul Klein, Ekkehard Lippert, Militär und Gesellschaft. Bibliographie zur Militärsoziologie, München 1979, S. 3 — der Einleitungsaufsatz zu dieser Bibliographie liest sich auch heute noch frisch.
Günther Wachtler (Hrsg.): Militär, Krieg, Gesellschaft. Texte zur Militärsoziologie, Frankfurt/M. 1982, S. 12 — die beiden folgenden Zitate von Wachtler dort auf S. 22.
Im folgenden verengt sich die Blickweite etwas, weil primär auf die westdeutsche Militärsoziologie Bezug genommen wird.
Zur einführenden Information über das Archipel der Ethnomethodologie vgl.: Werner J. Patzelt: Ein alltagsanalytisches Paradigma? Bericht über das ethnomethodologische Schrifttum und den Forschungsstand, in: Neue Politische Literatur, 29. Jg. 1984, H. 1 (S. 3ff.) und H. 2 (S. 187 ff.); das wörtliche Zitat dort auf S. 3.
Es soll nicht verschwiegen werden, daß der erste Anstoß zu diesen Überlegungen zur Erweiterung der Militärsoziologie von einem Buch ausgegangen sind, daß sich mit einem völlig anderen mir aus einer zweijährigen hochschuladministrativen Tätigkeit leidvoll bekannt war, den Mechanismen der Hochschulpolitik. In dem Buch „Morality and Expediency. The Folklore of Academic Politics“ (Oxford 1977) beschreibt F. G. Bailey, Professor für Anthropologie, die Gremien-und Komitee-Arbeit zur Leitung der akademischen Angelegenheiten einer Universität mit denselben Begriffen, mit denen der Ethnologe ein Dorf-oder Stammesregime beschreibt. Das ist kein Jux, wenn auch ungemein amüsant!
Andre Thiéblemont: Cantonnement militaire et militaires cantonnés, Background paper at the 1983 IUS Conference an Armed Forces and Society, Chicago, 21. bis 23. 10. 1983.
André Thiéblemont: Protest Rites at Saint-Cyr, in: Armed Forces and Society, 7. Jg., H. 4, Sommer 1981, S. 586.
Vgl. z.B. Christian Schulze u.a.: Menschlichkeit in der Kaserne? Selbstzeugnisse von Soldaten, in: H. W. Ganser (Hrsg.), Technokraten in Uniform. Die innere Krise der Bundeswehr, Reinbek 1980, S. 83ff.
Hubert Treiber: Wie man Soldaten macht. Sozialisation in,kasernierter Vergesellschaftung’, Düsseldorf 1973.
Nur am Rande erwähnt sei ein österreichisches Beispiel aus jüngster Zeit: Josef Baum: Tagwache! Erfahrungen eines Präsenzdieners beim österreichischen Bundesheer, 3. Aufl., Wien 1984.
Dies meint aber in anderem Zusammenhang und parteipolitisch akzentuiert: G. Hubatschek: Wertewandel in der Bundeswehr, in: Die Welt v. 11. 11. 1982.
Luden Mandeville: Centre d’Etudes et de Recherches sur l’Armée (Univ. Toulouse), Doc. 80–2: La remise de la Fouragé re (Kopie in meinem Archiv).
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1988 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
von Bredow, W. (1988). Erkundungsziel: „Militärwelt“ Vorüberlegungen zu einer ethnomethodologischen Erweiterung der Militärsoziologie. In: Vogt, W.R. (eds) Militär als Lebenswelt. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10803-0_9
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-10803-0_9
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-0532-8
Online ISBN: 978-3-663-10803-0
eBook Packages: Springer Book Archive