Zusammenfassung
Daß Organisationen Bestand haben; wie sie „funktionieren“; daß sie zielgerichtet sind und effizient funktionieren; daß Untergebene verstehen und tun, was man ihnen sagt; daß Vorgesetzte wissen, was sie tun; daß Entscheidungsprozesse rational verlaufen und vernünftige Resultate zeitigen und das Ganze trotz starker zentrifugaler Kräfte, Konflikte und Interessendivergenzen zusammenhält: das alles ist der Organisationsforschung in diesem Jahrhundert immer fraglicher und frag-würdiger geworden.
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Anmerkungen
Der Arbeiter arbeitet unter der Kontrolle des Kapitalisten, dem seine Arbeit gehört“ (Marx, MEW 23, 199; vgl. auch 315:) Die „Autorität des Kapitalisten” tritt den Arbeitern „als Macht eines fremden Willens“ gegenüber, „der ihr Tun seinem Zweck unterwirft”: da sah Marx keine Probleme.
Und vor ihm schon Commons (1924). Bei ihm und noch mehr in der von Coase, Arrow und Williamson begründeten Transaktionskostentheorie liegt der Akzent allerdings stärker auf der Vorteilhaftigkeit des Arbeitsvertrages (und damit insoweit von Organisationen im Vergleich zu Märkten): man „kauft“ eine Art General-Konsens und braucht weder viele Einzelweisungen noch gar eine Vielzahl einzelner Werkverträge o.ä.
Da in diesem Ansatz eine kritische „theory of the firm“ sich zumindest in Umrissen abzeichnet (vgl. dazu z.B. Bowles 1985; Duda, Fehr 1986), bietet sich hier eine ernstzunehmende Chance einer Verbindung von Untemehmungs-und Organisationstheorie: sozusagen das kritische Gegenstück der Coase-Williamsonschen Theorie. Wie darin die Transaktionskosten, spielen im Ansatz der Radicals die Kontrollkosten die tragende Rolle, führen zur Ineffizienz der — überorganisierten — kapitalistischen Firma, bestimmen die Technikwahl mit etc. Diese Ähnlichkeit ist kein Zufall: Bowles und Edwards (1986, 1) zählen Coase ausdrücklich zu den Mitgliedern ihrer Ahnenreihe. Zu den Radical Economics jetzt das instruktive Schwerpunktheft der Schriftenreihe ‘mehrwert’, Nr. 28, Bremen 1986, mit ausführlicher Bibliographie.
Das wohl schlagendste Beispiel dafür stammt von H.A. Simons Spiritus rector Chester Barnard, auf dessen „zone of indifference“ Simons „area of acceptance” zurückgeht, und der uns in Sachen Macht und Konsens einen Generalmajor namens Harbord in Erinnerung gerufen hat, dessen Verdienst für Barnard (1938, 164) in der Einsicht lag, „daß die größte aller Demokratien eine Armee ist. Disziplin und Kampfmoral beeinflussen das unausgesprochene Votum, das von Menschenmassen augenblicklich abgegeben wird, wenn der Befehl kommt, vorwärts zu gehen…“ (Übers. G.O.).
Aus solchen Gründen teile ich die von Axel Honneth (1985) vorgetragene Kritik an Habermas’ reifizierender Auseinanderlegung von System und Lebenswelt. Der Witz ist gerade, daß große Organisationen, auch Unternehmungen, wären sie nicht immer auch Orte der Lebenswelt, nicht überleben könnten. Noch so sehr systemisch verselbständigte Machtkomplexe bleiben auf soziale Interaktion, Kommunikation und übrigens auch normativ und organisationskulturell vermittelte Konsensbildung angewiesen.
Das haben zuletzt besonders Seltz (1986) und Seltz, Hildebrandt (1985) gefunden. Die Beschäftigten sehen auch in informationstechnisch neuartigen Kontrollprozeduren durchaus Sinn, auch im Lichte eigener Interessen etwa an geordneten Arbeitsabläufen.
Vgl. auch das Vorwort der Herausgeber in Seltz, Mill, Hildebrandt (1986) und das Plädoyer von Littek und Heisig (1986) für eine genauere Betrachtung betrieblicher Entscheidungsprozesse.
Für eine differenzierte Erörterung des Politikbegriffs im vorliegenden Zusammenhang vgl. Narr (1984).
Zum folgenden ausführlicher Küpper, Ortmann (1986).
Freilich darf man sich diese Abgrenzung nicht allzu scharf vorstellen. Gerade die großen unternehmungspolitischen Entscheidungen sind Gegenstand heftigsten mikropolitischen Gerangels und insofern auch unseres Interesses. Und ferner kann auch in den Beziehungen organisationsinterner Verbindungsleute oder -stellen zu „Relais“ der Umwelt hohe mikropolitische Brisanz liegen; man denke etwa an machtstiftende Beziehungen zu EDV-Herstellern, Gewerkschaften, Banken etc.
Vgl. seine Formulierung: „Das Lehrbuch-Verhalten des erfolgreichen Vorgesetzten ist… Zielsetzung, Problemlösung, Entscheidung, Organisation, Information, Kontrolle… Neben diesem ‘offiziellen’ Verhalten gibt es jedoch ein Schattenreich, in dem sich tabuisierte Vorgänge abspielen: Intrigen, Günstlingswirtschaft, Machtkämpfe, materielle und psychische Korruption usw“ (Neuberger 1984, 144 ).
Für eine frühe empirische Untersuchung im Geiste dieses Ansatzes vgl. Pettigrew (1973). Vgl. ferner die jüngeren Arbeiten von Perrow (1981, 1983 ) über „normal accidents“ etwa in Chemiefabriken, Atomkraftwerken, auf Schiffen und Flugzeugen. Per-row zeigt, daß und wie diese Unfälle induziert sind durch eine Technik, deren Gestaltung ihrerseits den Imperativen einer Organisations-, Macht-und Belohnungsstruktur folgt, die sich auf diese Weise weiter verfestigt.
Vgl. dazu das geistreiche und überraschende Buch von Jon Elster: „Logik und Gesellschaft“ (1981); neuerdings auch Elster (1987) mit einer ausgezeichneten Einleitung von Helmut Wiesenthal; das Verdienst an dieser Übersetzung wird geschmälert durch die Wahl des deutschen Titels „Subversion der Rationalität”, der zwar dem Zeitgeist Konzessionen, aber den (durchaus rationalistischen) Intentionen Elsters keine Ehre macht.
Allerdings muß man für diese Behauptung auf die so problematische Konstruktion eines objektiven Interesses rekurrieren, die Crozier und Friedberg zweifellos ablehnen würden.
Zum Beispiel zwischen einem Maschinenbediener und „seinem“ Einrichter, dessen Fähigkeiten und Hilfsbereitschaft dem ersteren große Zeitgewinne (oder eben: -verluste) bescheren kann.
Vgl. Burawoy (1979, 58, 80); Arbeiter rechnen im Akkord oft nicht genau die tatsächliche Leistung ab, sondern etwas weniger — z.B. um günstige Akkorde nicht zu gefährden —, und horten nicht abgerechnete Verdienste für spätere Gelegenheiten.
Dazu neigen Crozier und Friedberg allerdings gelegentlich, so, wenn sie von ihrem Ansatz (1979, 34) sagen: „Letztlich gibt es in dieser Betrachtungsweise… kein irrationales Verhalten mehr.... Um einen Grenzfall zu nehmen: man wird in der gleichen Weise von der ‘rationalen Strategie’ eines Schizophrenen sprechen können, der mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln einen extrem starken Druck, dem er ausgesetzt ist, nicht begegnen kann und deshalb ein schizophrenes Verhalten ‘annimmt’...“ Das löst natürlich den Rationalitätsbegriff schon auf der Ebene der Handlung auf (und ist wohl schwerlich mit ihrer Betonung individueller Freiräume und Wahlmöglichkeiten vereinbar). An anderen Stellen, z.B. (1979, 305), wird das Konzept der rationalen Strategien weit weniger angreifbar eingeführt, nämlich als Forschungshypothese von großer heuristischer Fruchtbarkeit; ganz ähnlich übrigens Elster (1981, 261, dazu Anmerkung 173, S. 377).
Dies letztere ist vielleicht noch zu rationalistisch formuliert. Vielleicht sollte man hinzufügen: oder einfach aus unerträglicher Langeweile, innerer Leere, oder einfach „nur so“.
Und überhaupt alles, was unter dem Rubrum Identitätsbehauptung, Widerstands-und Abwehrformen thematisiert wird; vgl. Volmerg 1978, Hoffmann 1981, Schimank 1981.
Diese anderen Quellen — zum Beispiel Identifikations-und Überlebensbedürfnisse der Menschen — werden „der Organisation“ allerdings beschert, nicht autopoietisch durch sie selbst gesetzt; zum Konzept der Autopoiesis vgl. den Beitrag von Luhmann, zur Kritik an deren Ausschließlichkeit den Beitrag „Revisionen der Rationalität” in diesem Band.
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Ortmann, G. (1988). Macht, Spiel, Konsens. In: Küpper, W., Ortmann, G. (eds) Mikropolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10802-3_1
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