Zusammenfassung
‘Kommunen sind der Hort der Demokratie‘, ‘Kommunen sind das Trainingsfeld einer demokratischen Bürgerschaft‘. Diese Thesen klingen plausibel. Sie gehören zum Standardrepertoire politikwissenschaftlicher Forschung. Ihre empirische Gültigkeit ist bislang jedoch kaum belegt. Die Frage, inwieweit die lokale Ebene tatsächlich dazu in der Lage ist, die Einstellungen der Bürger gegenüber der Demokratie zu stärken, ist noch unbeantwortet. Dasselbe gilt für mögliche Ursachen, die eine entsprechende Sozialisations-bzw. Legitimationsfunktion von Kommunen über ihre Grenzen hinaus fördern. Gibt es strukturelle Faktoren, die entsprechend positive Einstellungstransfers begünstigen? Spielen lokale Autonomie oder die lokale Institutionenstruktur diesbezüglich eine Rolle? Diese Fragen bilden den Kern der vorliegenden Arbeit. Sie sollen im europäischen Vergleich beantwortet werden. Mit der Konzentration auf Orientierungen gegenüber der lokalen Politik unterscheidet sich diese Arbeit von den meisten Untersuchungen der politischen Einstellungsforschung. Zumeist stehen dabei im Rahmen der Politischen Kultur Forschung Orientierungen gegenüber der nationalen Politik im Vordergrund, ungeachtet der Bedeutung, die den Gemeinden sowohl aus partizipationstheoretischer und kommunitaristischer Sicht als auch im Zuge der zunehmenden Globalisierung zugeschrieben wird Ähnliches Neuland stellt die Untersuchung kontextueller Größen in Bezug auf die Einstellungen der Bürger gegenüber der lokalen Politik dar.
„Und doch ruht die Kraft der freien Völker in der Gemeinde. Die Gemeindeinstitutionen sind für die Freiheit, was die Volksschulen für die Wissenschaft sind; sie machen sie dem Volke zugänglich; sie wecken in ihm den Geschmack an ihrem friedlichen Gebrauch und gewöhnen es daran. Ohne Gemeindeinstitutionen kann sich ein Volk eine freie Regierung geben, aber den Geist der Freiheit besitzt es nicht.“
(Alexis de Tocqueville 1985: 52)
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Literatur
Die Begriffe „unterste Ebene eines politischen Systems“, „lokale Politik”, „Kommunen“, „Städte und Gemeinden” werden in dieser Arbeit synonym verwendet. Ihnen liegen in Anlehnung an Marshall (1965, zit. nach Sharpe 1970: 154) drei Merkmale zugrunde, die als Definition der „lokalen Politik“ verstanden werden können: Sie ist auf ein festgelegtes geographisches Territorium begrenzt, zumindest ein Teil ihrer Funktionsträger wird über lokale Wahlen bestimmt und sie genießt einen gewissen Grad an Autonomie, der die Verfügungsgewalt über eigene finanzielle Mittel umfasst.
Auf weitere Legitimationsaspekte der lokalen Ebene wie die Sicherung individueller Freiheiten, die Stärkung der Gewaltenteilung oder des Pluralismus (vgl. Young 1986; Sharpe 1970), die in der Literatur zum Teil kritisch diskutiert werden, wird hier nicht eingegangen, da sie im Rahmen der Fragestellung weniger relevant sind.
Zur Reform der lokalen Gebietseinheiten in den Ländern der Europäischen Union von 1952 bis 1992 vgl. Councn. OF Europe (1995: 16). In Deutschland nahm die Zahl der Städte und Gemeinden während dieses Zeitraums um 67 Prozent ab, in Dänemark um 80 Prozent, Schweden 87 Prozent, Belgien 78 Prozent, Großbritannien 76 Prozent, Norwegen 41 Prozent, Österreich 42 Prozent, den Niederlanden 36 Prozent.
Entsprechend negative Beurteilungen national agierender politischer Akteure und Institutionen durch die Bürger belegen fir Deutschland u.a. Walz (1996), fir die USA u.a. Erikson/ Luttbeg/Tedin (1991) oder Lidset/Schineider (1987).
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Vetter, A. (2002). Einstellungen zur lokalen Politik als Gegenstand politikwissenschaftlicher Analyse. In: Lokale Politik als Ressource der Demokratie in Europa?. Reihe: Städte und Regionen in Europa, vol 10. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10686-9_1
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-10686-9_1
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