Zusammenfassung
Den Anspruch, die Wahrheit zu finden, erheben in den weiterentwickelten Wissenschaften des 20. Jahrhunderts kaum noch Forscher. Das Wissen, das sie hervorbringen, wird durch statische Begriffspolaritäten wie „wahr“ oder „falsch”, „richtig“ oder „unrichtig“ nicht sinnvoll beurteilt. Die Kriterien für den Wert wissenschaftlicher Arbeit beziehen sich heute vielmehr auf die Position des einzelnen neuen Wissens im Erkenntnisprozeß, orientieren sich, wie Norbert Elias formuliert, an der „Dynamik der wissenschaftlichen Prozesse, in deren Ablauf das theoretisch-empirische Wissen größer, richtiger, angemessener wird:“ (WiS, 54) Statt die „wahren“ Gesetze von Natur und Gesellschaft zu entdecken, beschränken sich Wissenschaftler darauf, den Zusammenhang wahrgenommener Ereignisse angemessener als bisher beschreiben zu wollen. Der Fortschritt der Wissenschaften ist eine Frage des mehr oder weniger adäquaten oder wirklichkeitsorientierten Wissens. Neueres Wissen wird stets an der Erklärungskraft des älteren Wissens gemessen. Das Bild des einzelnen Forschers, der sich allein und als erster Mensch der zu erklärenden Welt gegenübersieht, ist dem Wissenschaftler, wie er tatsächlich vorgeht, nicht angemessen. „Kein Mensch“, schreibt Elias, „ist ein Anfang“ (Schäfers, 236), ein „Neuerer aus dem Nichts“; jeder steht in einer Generationenkette (Notizen, 59). Jeder Forscher „setzt fort“ (Credo, 114). Oder an anderer Stelle: „Menschliches Wissen (...) ist das Ergebnis des langen, anfangslosen Lernprozesses der Menschheit. Jeder einzelne Mensch, wie groß sein innovatorischer Beitrag auch sein mag, baut auf einem schon vorhandenen Wissensschatz auf und setzt ihn fort.“ (Zeit, XII) Nie tritt ein einzelner Mensch „ganz für sich allein vor die Welt hin, das Subjekt vor die Objekte, und beginnt zu erkennen.“ (Zeit, XI)
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Bartels, HP. (1992). Fortschritt der Wissenschaften. In: Logik und Weltbild. Kieler Beiträge zur Politik und Sozialwissenschaft, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10682-1_9
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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