Zusammenfassung
Neuere Untersuchungen weisen erstaunlich enge Beziehungen zwischen den familialen Generationen bei über 40jährigen nach (z.B. Kohli/Künemund 2000). Solche Befunde widersprechen geläufigen Alltagsmythen. Auch wenn im erfahrbaren persönlichen Lebensumfeld die meisten der über 40jährigen für ihre älter werdenden Eltern einiges tun, gute Verhältnisse zu ihnen die Regel sind und im Pflegefall auch geholfen wird, nehmen viele an, das immer öfter den alternden Eltern zu wenig Zuwendung entgegengebracht werden würde. Zuweilen bleibt in der Selbstreflexion das Gefühl zurück, evtl. doch noch nicht genug getan zu haben oder in ausreichendem Maße helfen zu können. Die Folklore des Halbwissens2 über intergenerationelle Beziehungen beruft sich auf Geschichten, die von kaltherzigen Kindern, in Pflegeeinrichtungen abgeschobenen Alten und undankbaren Juniorchefs handeln, die familiäre Traditionen missachten und die Gefühle der abtretenden Generation verletzen. Sie stärken den Eindruck, in einer immer egoistischer werdenden Welt zu leben, die ihre eigenen Vorfahren verlässt, vergisst und schließlich verrät. Solche Ängste gibt es sicher schon lange. Sie erscheinen immer brandaktuell und sie erfahren immer wieder neuen Auftrieb.
„Die ländliche Bevölkerung lebt größtenteils familienweise zusammen, die städtische dagegen zu einem stärkeren Teile vereinzelt. Diese Vereinzelung nimmt zu, je mehr die großen Städte Großstädte werden.“
Willhelm Heinrich Riehl (1853)
Dieser Beitrag wäre ohne die enge Zusammenarbeit mit Harald Künemund und seine Hilfestellung bei den Berechnungen nicht zustande gekommen, wofür ich an dieser Stelle ausdrücklich danke. Für den Inhalt und eventuelle Fehler ist der Autor allerdings ganz alleine verantwortlich.
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Brauer, K. (2002). Ein Blick zurück nach vorn. In: Burkart, G., Wolf, J. (eds) Lebenszeiten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10626-5_11
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