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Forschungsobjekt Korruption

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Part of the book series: Forschung ((FS,volume 156))

Zusammenfassung

In den 1990er Jahren geriet in Deutschland ein Phänomen, das bis dahin kaum als besonders gravierendes gesellschaftliches Problem wahrgenommen worden war, zum Gegenstand teilweise heftiger öffentlicher Beunruhigung. Mit der Aufdeckung einer nicht abreißenden Kette skandalträchtiger Fälle im Zuge einer sich allmählich intensivierenden Strafverfolgung rückte die Korruption in der öffentlichen Verwaltung zunehmend in den Lichtkegel massenmedialer Aufmerksamkeit und auf die Tagesordnung der politischen Institutionen. Den Grundtenor einer neuen Problemdefinition hatte am deutlichsten wohl der Frankfurter Staatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner vorgegeben. „Bei Bestechung und Bestechlichkeit“, konstatierte er (1990: 507), „handelt es sich nicht mehr nur um Einzelfälle abweichenden Verhaltens. Vielmehr ist die Korruption in der öffentlichen Verwaltung ein Kriminalitätsphänomen, das bereits seit Jahren sich zu festen Beziehungsstrukturen verdichtet hat und in den gesamten Staatskörper metastasenartig eindringt. Korruption ist flächendeckend anzutreffen. Sie durchzieht die Amtsstuben ganzer Behörden und Verwaltungen.“ Bereits zwei Jahre zuvor war der Spiegel, unter dem Eindruck einer steigenden Zahl einschlägiger Fälle und durch Expertenmeinungen bestärkt, zu dem Urteil gelangt, Bestechung sei „in westdeutschen Amtern an der Tagesordnung“. Vorbei die Zeiten jener selbstzufriedenen Gewissheit, „daß Korruption in den Amtsstuben zwar überall auf der Welt zu erwarten ist, hierzulande jedoch nur im Ausnahmefall“. Neuerdings zeigten sich deutsche Staatsdiener „in ganzen Rudeln bestechlich“.1 Kaum ein Bereich staatlichen Wirkens schien von den zunehmend sichtbar werdenden korruptiven Praktiken unberührt geblieben zu sein. Geschmiert werde, so lautete bald ein geflügeltes Wort, „von A wie Ausländerbehörde bis Z wie Zulassungsstelle.“2 Besonders im öffentlichen Bauwesen überstiegen die bruchstückhaft zu Tage tretenden Strukturen einer inzwischen so genannten „organisierten Wirtschaftskriminalität“ offenbar alles, was man bislang im eigenen Land für möglich gehalten hatte. Korruption in Deutschland — ein Phänomen kollektiver Devianz, eine neue Form von Massenkriminalität?

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Literatur

  1. Der Spiegel Nr. 27/1988, S. 46 ff.: „’Wer etwas geschickt ist, fällt nicht auf’. Korruption im öffentlichen Dienst: Wie Beamte und Angestellte den Staat anzapfen“.

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  2. Ein Zitat, das in vielen Publikationen zur Korruption erscheint und nicht mehr persönlich zugeordnet werden kann“ (Mischkowitz u.a. 2000: 95). Vgl. z.B. Schaupensteiner (1995: 96; 1996a: 7; 1997a: 28), Walter (1995: 46, 1997: 148), ein Leserbrief in Focus Nr. 53/1993.

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  3. Vgl. z.B. BT-Protokoll 3/76, S. 4175 ff. Anlass der Debatte war eine Große Anfrage der oppositionellen SPD-Fraktion gewesen („betr. Korruptionsfälle in der Bundesverwaltung“, BT-Drucksache 3/824).–Aufschlussreiche Darstellungen zur Korruption in den frühen Jahren der Bundesrepublik finden sich etwa bei Kiehne (1957), Middendorf (1959: 60, 70 ff.), Pickel (1959) oder Zirpins/Terstegen ( 1963: 687–761 ).

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  4. Neben dem bereits erwähnten, initialen Beitrag Schaupensteiners vgl. z B Sielaff (1992), Steinke (1992), Krieglsteiner (1992), Seidel (1993), Lang (1993), Müller (1993), Schaupensteiner (1994) oder Zachert (1994).

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  5. Vgl. etwa die umfangreichen Beiträge der Wochenzeitungen Stern (Nr. 8/1992: „Bananenrepublik Deutschland“; Nr. 5/1995: „Volkssport Betrug”), Der Spiegel (Nr. 50/1994: „Die alltägliche Korruption: Deutschland wie geschmiert“), Die Woche (Nr. 29/1995: „Das süße Gift der Korruption. Bosse, Politiker, Beamte - Bestechung zersetzt die Gesellschaft”), Focus (Nr. 29/1995: „Korruption - Nehmer in Nadelstreifen“), Die Zeit (Nr. 36/1996: „Unter der öffentlichen Hand”).

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  6. Der Sumpf“ (Roth 1995), „Korruption in Deutschland. Die schmutzigen Finger der öffentlichen Hand” (Scholz 1995), „Wirtschaften ohne Korruption“ (Rügemer 1996), „Die Republik der Schein-Heiligen” (Raith 1996), „Auf unsere Kosten! Mißwirtschaft und Korruption in Deutschland“ (Köpf 1997) oder „Bananenrepublik Deutschland. Korruption - der ganz alltägliche Skandal” (Berg 1997).

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  7. Vgl. u.a. Braum (1996), Geerds (1996), Hettinger (1996), Kerner/Rixen (1996), König (1996), Littwin (1996), Möhrenschlager (1996), Ostendorf (1996), Ransiek (1996), Schaupensteiner (1996), Duttge (1997), Möllering (1997); daneben Beiträge zur verwaltungsinternen Korruptions-Prävention (Munzert 1996; Schneider 1997) oder zu wirtschaftsethischen Fragen (Schmidt 1995; Homann 1997 ).

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  8. Etwa Friedrich-Ebert-Stiftung, 16./17. Februar 1995 und 6. September 1996; Justizministerium Baden-Württemberg, 4. April 1995; Haus Neuland (11. Rechtspolitische Akademietagung), 29./30. Apri11996; Bund Deutscher Kriminalbeamter, 7./8. November 1996; Bund Katholischer Unternehmer, Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer und Institut der Deutschen Wirtschaft, 18./19. April 1997. Mit der Frage „Empfehlen sich Änderungen des Straf-und Strafprozeßrechts, um der Gefahr von Korruption in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wirksam zu begegnen“ (Dölling 1996) befasste sich im September 1996 in Karlsruhe auch die Abteilung Strafrecht des 61. Deutschen Juristentages (vgl. Ständige Deputation des Deutschen Juristentages 1996, Bände II/1 und II/2, Teil L).

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  9. Zu den zitierten Redebeiträgen vgl. Plenarprotokolle 13/125, S. 11233 und 13 /184, S. 16654. Das „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption“ (BGBl. I, S. 2038 ff.) trat am 20. August 1997 in Kraft.

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  10. Zuletzt war es im Sommer 2001 wieder die Main-Metropole Frankfurt, die mit einem großen Korruptionsskandal bundesweit für Schlagzeilen sorgte. „200 Verdächtige und ein Millionen-Schaden. Mitarbeiter der Baubehörde sollen jahrzehntelang Absprachen mit privaten Firmen getroffen haben und dafür gütlich honoriert worden sein“, titelte die Süddeutsche Zeitung (12. 7. 2001, S. 5 ).

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  11. Als ‘Verdichtungssymbolik’ (condensation symbolism) - in Abgrenzung zu ‘Verweisungssymbolik’ (referential symbolism) - bezeichnet Sapir (1934: 493) „a highly condensed form of substitutive behavior for direct expression, allowing for the ready release of emotional tension in conscious or unconscious form“. Verdichtungssymbole „wecken die Emotionen, die mit einer Situation verknüpft sind. […] Die Masse will Symbole, keine echten Nachrichten.” (Edelman 1976: 5 ff.)

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  12. Die StGB-Paragraphen 331 (Vorteilsannahme), 332 (Bestechlichkeit), 333 (Vorteilsgewährung) und 334 (Bestechung) bilden den ‘harten Kern’ der Korruptionsdelikte; diese Feststellung betrifft sowohl ihre Qualität als Amtsdelikte in einem engeren Sinne wie auch ihr quantitatives Gewicht im Rahmen der erfassten Kriminalität. Um weitere einschlägige Strafnormen handelt es sich gegenwärtig bei den §§ 108e (Abgeordnetenbestechung) und 299 (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr). Letzterer ist erst mit dem Korruptionsbekämpfungsgesetz 1997 als Tatbestand eines neuen Abschnitts „Straftaten gegen den Wettbewerb“ ins Strafgesetzbuch aufgenommen und damit gegenüber seinem Vorgänger, dem § 12 UWG (Angestelltenbestechung), aufgewertet worden. Ich beschränke mich bei der weiteren Darstellung auf die §§ 331 ff., die auch das Abgrenzungskriterium für die empirische Erhebung bildeten.

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  13. Strafgesetzgebungspolitik im Felde der Anti-Korruption vollzieht sich derzeit weitgehend unter den Bedingungen des Kaum-oder-Nicht-Wissens.“ (Kerner/Rixen 1996: 364) „Zu Umfang und Struktur der Korruption in der Bundesrepublik Deutschland lassen sich nur wenige gesicherte Aussagen treffen.” (Dölling 1996: 109) „Die empirische Datenlage im Bereich der Korruption ist auch heute noch dürftig.“ (Ahlf 1998: 12) In der zweiten BKA-Studie wird wiederum festgestellt, dass es „nach wie vor in Deutschland an empirischen Untersuchungen zur Korruption fehlt” (Mischkowitz u.a. 2000: 7).

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  14. Eine sicherlich zutreffende Annahme, die im Übrigen den Bemühungen der Politik um eine Entdramatisierung des Korruptionsdiskurses entgegenkommt und zugleich die Demonstration von Entschlossenheit bei der Korruptionsbekämpfung ermöglicht. Ein Schlaglicht: Laut ‘Lagebild Korruption 1998’ des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen stieg die Anzahl der wegen Korruptionsdelikten eingeleiteten Ermittlungsverfahren zwischen 1994 und 1998 um mehr als das sechsfache. Dazu kommentierte Innenminister Behrens: „Korruption wird in Nordrhein-Westfalen effektiv und schonungslos bekämpft. Das zeigen die neuesten Zahlen deutlich.“ (Pressemitteilung des NRW-Innenministeriums unter http://www.im.nrw.de/news_313.htmZugriff 4.1.2001)

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Höffling, C. (2002). Forschungsobjekt Korruption. In: Korruption als soziale Beziehung. Forschung Soziologie , vol 156. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10540-4_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-10540-4_1

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