Zusammenfassung
Im Bereich der Koalitionsforschung ist Italien eines der am meisten studierten Beispiele. Das über Jahrzehnte relativ stabile Mehrparteiensystem drängte sich lange Zeit für Fallstudien geradezu auf, da es eine hinreichende und dennoch übersichtliche Zahl von gleichbleibenden Akteuren bot1. Seit dem politischen Umbruch der Jahre 1992/93, der im Gefolge einer Serie von Korruptionsskandalen und einer durch Referendum erzwungenen Wahlreform zu einem weitgehenden Strukturwandel des Parteiensystems und zum Austausch der wichtigsten Akteure geführt hat, gilt diese Bedingung nur noch eingeschränkt2.
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Literatur
Einen der vollständigsten Versuche zur Analyse der Koalitionsbildung in Italien unter Anwendung spieltheoretischer Modelle hat zuletzt in deutscher Sprache Dirk Schönrock unternommen, dessen chronologischer Abriss der Koalitionsmanöver mit ihrer sterilen Monotonie ein eher desolates Panorama der politischen Instabilität Italiens in den letzten fünfzig Jahren bietet. Dirk Schönrock,Koalitionsbildung nach dem Mehrheitsprinzip? Die Anwendung systemtheoretischer Koalitionsmodelle auf die Regierungsbildung in der italienischen Republik, Baden-Baden 1997.
Markus Schaefer,der sich mit dem durch die Wahlrechtsreferenden der Jahre 1991 und 1993 angestoßenen Wandel beschäftigt hat, spricht in diesem Zusammenhang von „einem grundlegenden Strukturwandel“, der „als party system transformation bezeichnet werden muss”. Markus Schaefer, Referenden, Wahlrechtsreformen und politische Akteure im Strukturwandel des italienischen Parteiensystems (Politische Parteien in Europa 3), Münster 1998, S. 109.
Die ausführlichsten Darstellungen der italienischen Demokratie im Umbruch Linden sich in Luigi Vittorio Graf Ferraris/Günter Trautmann/Hartmut Ullrich (Hrsg.), Italien auf dem Weg zur „zweiten Republik“? Die politische Entwicklung Italiens seit 1992, Frankfurt am Main u.a. 1995 und Ernst Ulrich Große/Günter Trautmann (unter Mitarbeit von Ernst Arnold), Italien verstehen, Darmstadt 1997. Vgl. ferner Elisabeth Fix, Italiens Parteiensystem im Wandel. Von der Ersten zur Zweiten Republik, Frankfurt/Main 1999, sowie Valeska von Rogues, Die Stunde der Leoparden. Italien im Umbruch, Wien/München 1996 und Peter Weber, Die neue Ära der italienischen Mehrheitsdemokratie: Fragliche Stabilität bei fortdauernder Parteienzersplitterung, in: ZParl 28. Jg. (1997), H. 1, S. 85–116.
Vgl. Carmine Chiellino/Fernando Marchio/Giocondo Rongoni Italien, 2. neubearb. Auflage, München 1989, S. 141–184.
Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro hat dies während seiner Amiszeit (1992–1999) offenbar anders interpretiert und scheint in mindestens einem Falle Eingriffe in die Ministerliste vorgenommen zu haben.
Vgl. Paolo Armaroli, Italiens Regierungen — Im Schatten des Quirinal-Palastes, in: Ferraris/Trautmann/Ullrich, a.a.O., S. 73–105.
Vgl. ebenda und Ernst Ulrich Große/GünterTrautrnann, a.a.O., S. 10–15.
Vgl. Carmine Chiellino/Fernando Marchio/Giocondo Rongoni, a.a.O., S. 118–127.
Vgl. ebenda, S. 118–140; Dirk Schönrock, a.a.O., S. 161–232 und Ernst Ulrich Große/GtinterTrautmann, a.a.O., S. 27–46. Vgl. auch Friederike Hausmann, Kleine Geschichte Italiens von 1945 bis heute, Berlin 1997.
Vgl. La Repubblica vom 2. Juni 1992, S. 7 („II raddoppio dei ministri da De Gasperi a De Mita“).
Ein interessantes Beispiel für die dabei angewandte Strategie der lottizzazione war die parteipolitische Aufteilung im Staatsfernsehen RAI: Der erste Kanal RAI I,.gehörte’ den Christdemokraten, RAI 2 war dagegen von den laizistischen Parteien (vor allem den Sozialisten) kontrolliert, und seit Ende der 70er Jahre hatte man den dritten Kanal RAI 3 den Kommunisten überlassen.
Vgl. Theodor Wiese/Frederic Spotts,Der Fall Italien, Dauerkrise einer schwierigen Demokratie, 2. aktualisierte Auflage, München 1988, S. 13–161 und Peter Weber, Italiens demokratische Erneuerung. Anpassungsprobleme einer „schwierigen“ Demokratie, in: Winfried Steffani/Uwe Thaysen (Hrsg.), Demokratie in Europa: Zur Rolle der Parlamente, Sonderband zum 25jährigen Bestehen der Zeitschrift für Parlamentsfragen, Opladen 1995, S. 178–203.
Vgl. Dirk Schönrock a.a.O., S. 233–240 und Peter Weber Wege aus der Krise. Wahlreform und Referenden in Italien, in: APuZ, B 34/94, S. 20–27.
Die Interessenkonflikte Berlusconis sind mindestens dreifacher Natur: (L) Als Unternehmer ist er einer der größten Steuerzahler des Landes, weshalb die Finanzpolitik des Regierungschefs erhebliche Rückwirkungen auf seinen persönlichen Wohlstand hat. (2.) Als Eigentümer des größten Medienkonzerns mit den drei wichtigsten privaten Fernsehsendern kann er beträchtlichen Einfluss auf die Agendabildung in der öffentlichen Meinung ausüben, während er als Regierungschef indirekt auch noch über das staatliche Fernsehen RAI gebietet, das zugleich der stärkste Konkurrent seines eigenen Konzerns ist. Mit der Medienpolitik der Regierung, der Vergabe von Rundfunklizenzen und der Privatisierung von Teilen der RAI kann der Ministerpräsident die Marktbedingungen in diesem Bereich bestimmen. Als Verleger und Eigentümer der größten Werbeagentur des Landes hat Berlusconi außerdem eine beherrschende Stellung gegenüber den meisten Unternehmern Italiens. Als Regierungschef verfügt er schließlich über einen der größten Staatssektoren der westlichen Welt. (3.) Als Angeklagter in zahlreichen Prozessen hat Berlusconi konkrete Interessen im Strafrecht, insbesondere im Hinblick auf die Prozessordnung sowie die Strafbarkeit und die Verjährungsfristen bestimmter Vergehen. Als Ministerpräsident und Vorsitzender der größten Partei im Parlament kann er sich durch eine Justizreform Verfahrensvorteile und Freisprüche wegen Verjährung sichern. Auch die Regeln zur Berufung der Richter und die von der Regierung gepflegten Prozeduren beim internationalen Austausch von Ermittlungsergebnissen könnten von ihm zum eigenen Vorteil revidiert werden.
Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Flügeln der Volkspartei führte bis vor die Gerichte und wurde schließlich dahingehend entschieden, dass der linke Flügel den Parteinamen behielt, während Buttigliones neue Partei CDU das Parteisymbol zugesprochen bekam. Vgl. Peter Weber,Die neue Ara, a.a.O., S. 91f. und Dirk Schrnrock,a.a.O., S. 247256.
Vgl. Dirk Schónrock,a.a.O., S. 115–119.
Vgl. ebenda, S. 256–260 und Ulrich Beuttler/Georg Gehlhoff, Neues Parteiengefüge und politische Reformen in Italien, in: APuZ, B 28/98, S. 3–14.
Vgl. Peter Weber, Italien: Nach langwierigem Tauziehen ist die Verfassungsreform gescheitert. Ein marodes Parteiensystem erringt wieder einmal einen Pyrrhus-Sieg, in: Das Parlament, Nr. 27 vom 26. Juni 1998, S. 16.
Vgl. Peter Weber, Ohne grundlegende Reformen wird keine dauerhafte Stabilität zu erreichen sein - Hoffnungsloser Fall Italien? Die Parteien treiben mit dem Land ein böses Spiel, in: Das Parlament, Nr. 29–30 vom 14. Juli 2000.
Antonio Di Pietro war 1992 der prominenteste unter den Mailänder Staatsanwälten, die das Geflecht der Korruption im politischen System ans Licht brachten, was ihm in kurzer Zeit höchste Popularität eintrug. Zwei Jahre später trat er als Staatsanwalt zurück, um in die Politik zu gehen.
Rutelli hatte seine politische Lehre bei der Radikalen Partei absolviert, gehörte dann zu den Gründungsmitgliedern der Grünen, hatte später als Kandidat der Progressistcn das Römische Rathaus erobert und sich zuletzt der Bewegung Romano Prod is angeschlossen. Der Kandidat der Mitte-Links-Koalition hat fast das halbe politische Spektrum durchwandert und repräsentiert damit recht gut den italienischen Durchschnittsparlamentarier.
Rifondazione Comunista kam auf elf Abgeordnete und drei Senatoren. Auf die sonstigen Parteien (Südtiroler Volkspartei u.a.) entfielen vier Sitze in der Abgeordnetenkammer und sieben Sitze im Senat. Der Senat wird schließlich vervollständigt durch derzeit neun Senatoren auf Lebenszeit. Kurios waren die Effekte des komplizierten Wahlrechts zur Abgeordnetenkammer. Hier hatten die Parteien des Freiheitspols eine Gesetzeslücke ausgemacht, die es ihnen erlaubte, durch sogenannte „Tarnlisten“ für die Direktkandidaten die Anrechnung der Erststimmen auf die proporzionale Quote (scorporo) zu umgehen. Im Ergebnis hatte diese, von den kleineren Parteien als illegal angeprangerte Praxis zur Folge, dass Forza Italia mehr Sitze gewann, als Kandidaten aufgestellt worden waren. Elf Sitze in der neuen Kammer blieben daher bisher vakant, über die Besetzung muss noch entschieden werden. Vgl. Corriere della Sera vom 30. Mai 2001, S. 5 („Forza Italia ritrova 5 seggi ma può perderne 11”).
Die neue Abgeordnetenkammer hat daher acht Fraktionen: Forza Italia (178 Abgeordnete), Nationale Allianz (99), CCD-CDU (40) und Lega Nord Padania (30) im Regierungslager, Linksdemokraten DS (136), Margerite (83) und Rifondazione Comunista (11) in der Opposition sowie die Gemischte Fraktion (42) mit sechs Untergruppen. Im Senat gibt es sogar neun Fraktionen: Forza Italia (82), Nationale Allianz (45), CCD-CDU (29) und Lega Nord Padania (17) sowie Linksdemokraten DS (65), Margerite (42), Grüne (10), Regionalisten (I0) und die Gemischte Fraktion mit 23 Senatoren. Vgl. Corriere della Sera vom 30. Mai 2001, S. 5 („Forza Italia ritrova 5 seggi ma può perderne 11“) sowie die Internetseiten http://www.camera.it und http://www.senato.it.
Das Gesetz Bassanini hat sich damit schon beim ersten Test als unrealistisch erwiesen Auch die Einführung neuer Abstufungen im Kabinett (Minister erster und zweiter Klasse, Vizeminister) zeigt erneut die Tendenz zu komplizierten Lösungen, der von allen politischen Kräften weiter Vorschub geleistet wird. Vgl. Corriere della Sera vom 12. Juni 2001, S. 5.
Vgl. Massimo Giannini, Il governo dei colonnelli, in: La Repubblica vom 11. Juni 2001. S. 1 u. 13.
Vgl. Dirk Schönrock, a.a.O., S. 240–247 und Markus Schaefer, a.a.O., S. 55–116.
Wenn man von den beiden Senatoren auf Lebenszeit Giulio Andreotti und Francesco Cossiga absieht, dann haben in der XIII. Legislaturperiode insgesamt 80 Senatoren (von 315) die Partei gewechselt. Da viele es nicht bei einem Wechsel beließen, gab es insgesamt 153 Übertritte. Den Rekord schaffte der Senator Alessandro Meluzzi (ursprünglich Forza Italia), der sich nacheinander acht Fraktionen anschloss. In der Abgeordnetenkammer war die Zahl der Fraktionsübertritte insgesamt noch deutlich höher. Vgl. http://www.camera.it und http://www.senato.it.
Paolo Franchi, Quel tripudio in Aula, in: Corriere della Sera vom 14. Februar 1997, S. 1. Vgl. Arrivano i soldi per 44 „partiti“, in: Corriere della Sera vom 4. März 1997, S. 4.
Vgl. Günter Trautmann, Italiens Finanz-und Wirtschaftspolitik im Hinblick auf die europäische Währungsunion, in: APuZ, B 28/98, S.16–26 und Andreas Weber, Entwicklungsprozess von Presse und Rundfunk in Italien. Strukturelle Grundlagen des italienischen Journalismus, Berlin 1997.
Eine Einigung ist indes nicht in Sicht, da die von großen und kleinen Parteien geforderten Garantien kaum in einem einzigen Gesetz realisierbar scheinen. Die in den letzten Parlamentswahlen erfolgte Rationalisierung mit nur noch zwei Parteien pro Koalition könnte hier allerdings neue Möglichkeiten geöffnet haben. Vgl. Peter Weber, Die neue Ära, a.a.0., S. 113f.
Vgl. ebenda, S. 99–103 und S. 114–116.
Giovanni Sartori, Per una difesa della logica scientifica, in: Cambiare la Costituzione. Il Dibattito Italiano sulla Grande Riforma, Tivoli 1996, S. 157–167.
Silvio Berlusconi, zitiert nach Paolo Armaroli, a.a.O., S.73.
Vgl. Dirk Schlinrock,a.a.O., S. 240–247 und Markus Schaefer, a.a.O., S. 100–1 16.
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Weber, P. (2002). Koalitionen in Italien: Frenetischer K(r)ampf im Netz der Parteiinteressen. In: Kropp, S., Schüttemeyer, S.S., Sturm, R. (eds) Koalitionen in West- und Osteuropa. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10487-2_7
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