Zusammenfassung
Die Schweiz weist außerordentlich stabile Regierungskoalitionen auf. Der Bundesrat, die oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes, wird im Anschluss an jede Nationalratswahl von der Vereinigten Bundesversammlung, gebildet aus Nationalrat (200 Mitglieder) und Ständerat (46 Mitglieder), gewählt. Die Regierung besteht aus sieben Mitgliedern, arbeitet nach dem Kollegialitätsprinzip und ist während einer Legislaturperiode nicht abwählbar. Der Bundespräsident wird für die Dauer eines Jahres von der Bundesversammlung aus dem Kreis der Bundesratsmitglieder gewählt, die Wiederwahl für das kommende Jahr oder die anschließende Wahl als Vizepräsident ist unzulässig. Dies erleichtert die Rotation des Amtes. Es gibt keinen Regierungschef. Der Präsident führt als primus inter pares den Vorsitz im Bundesrat, er hat weder die Richtlinienkompetenz, noch kann er die anderen Bundesratsmitglieder auswählen oder entlassen.
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Literatur
Dieser Aufsatz stellt eine erweiterte und überarbeitete Version eines Artikels in der Österreichischen Zeitschrift für Politikwissenschaft (Heft 4/1999) dar. Ich danke der ÖZP-Redaktion für die Erlaubnis zum Wiederabdruck der entsprechenden Passagen. Der Beitrag wurde erstmals auf der Kooperationstagung der Hanns-Seidel-Stiftung und der DVPW-Sektion „Vergleichende Politikwissenschaft“, Kloster Banz, Staffelstein, 9.-11. Juli 1999, vorgetragen. Für Kritiken und Anregungen bedanke ich mich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung sowie bei meinen Berner Kollegen Reto Wiesli und Adrian Vatter. Dieser Aufsatz stützt sich unter anderem auf Daten und Forschungsergebnisse, die in zwei Projekten erarbeitet wurden (Handlungsspielraum des Nationalstaates im Zeitalter der Globalisierung; Sociopolitical orientations of employees. Alignments, membership in and hostility to interest organizations and political parties). Diese Forschungsvorhaben wurden dankenswerter Weise vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung unterstützt.
Wechsel der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung geschehen zuweilen auch auf Ebene der kantonalen Regierungen; vgl. Adrian Vatter,Konstanz und Konkordanz. Die Stabilität kantonaler Regierungen im Vergleich, in: Revue Suisse de Science Politique 4, 1998, No. I, S. 9 und 11.
Paul V. Warwick,Government Survival in Parliamentary Democracies, Cambridge/New York 1994, S. 6.; Jan-Erik Lane/Svante O. Ersson,Politics and Society in Western Europe, 4. Aufl., London u.a. 1999, S. 303; Wolfgang C. Müller/Keaare Strom,Schluß: Koalitionsregierungen und die Praxis des Regierens in Westeuropa, in: dies. (Hrsg.), Koalitionsregierungen in Westeuropa. Bildung, Arbeitsweise und Beendigung, Wien 1997, S. 705–749, S. 738.
Vgl. Jürg Steiner, Switzerland: „Magic Formula“ Coalitions, in: Eric C. Browne/Joni Dreij- manis (Hrsg.), Government Coalitions in Western Democracies, New York/London 1982.
Paul V. Warwick,a.a.O., S. 6.
Dabei werden einige hilfreiche Zusammenstellungen aus neueren Publikationen verwendet; vgl. Uwe Jun,Koalitionsbildung in den deutschen Bundesländern. Theoretische Betrachtungen, Dokumentation und Analyse der Koalitionsbildungen auf Länderebene seit 1949, Opladen 1994; Paul V. Warwick,a.a.O.; Bernard Grofinan/Peter Van Roozendaal,Review Article: Modelling Cabinet Durability and Termination, in: British Journal of Political Science 27, 1997; Adrian Vatter,a.a.O., S. 1–21.; Jan-Erik Lane/Svante O. Eason,a.a.O., S. 301–315.
Erich Gruber, 100 Jahre Wirtschaftspolitik. Etappen des Interventionismus in der Schweiz, in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 100, 1964, S. 67.
Im Sinne von Gòsta Esping-Andersen,The Three Worlds of Welfare Capitalism, Princeton 1990.
Klaus Armingeon,Renegotiating the Swiss Welfare State, in: Gerhard Lehmbruch/Frans
von Waarden (Hrsg.), Renegotiating the Welfare State, London 2002; Herbert Obinger,Politische Institutionen und Sozialpolitik in der Schweiz. Der Einfluß von Nebenregierungen auf Struktur und Entwicklungsdynamik des schweizerischen Sozialstaates, Frankfurt am Main 1998.
Klaus Armingeon,Consociationalism and Economic Performance in Switzerland 1968–1998, in: Jürg Steiner/Thomas Ertman (Hrsg.), The Fate of Consociationalism, im Erscheinen.
Vgl. Manfred G. Schmidt, Demokratietheorie, 3. Aufl., Opladen 2000, S. 351–354.
Alan Siaroff,Corporatism in 24 Industrial Democracies: Meaning and Measurement, in: European Journal of Political Research, 36, 1999, S. 175–205.
Klaus Armingeon,Swiss Federalism in Comparative Perspective, in: Ute WachendorferSchmidt (Hrsg.), Federalism and Political Performance, London 2000.
Vgl. zur direkten Demokratie in der Schweiz insbesondere: Wolf Linder, Schweizerische Demokratie - Institutionen, Prozesse, Perspektiven, Bern 1999.
Leonhard Neidhart,Plebiszit und pluralitäre Demokratie. Eine Analyse der Funktionen des schweizerischen Gesetzesreferendums, Bern 1970.
Jan-Erik Lane/Svante O. Ersson,a.a.O., S. 145.
Manfred G. Schmidt,When Parties Matter: A Review of the Possibilities and Limits of Partisan Influence on Public Policy, in: European Journal of Political Research 30, 1996, No. 2, S. 164.
Andreas Ladner,Das Schweizer Parteiensystem und seine Parteien, in: Ulrich Klöti/Peter Knoepfel/Hanspeter Kriesi/Wolf Linder/Yannis Papadopoulos (Hrsg.), Handbuch der Schweizer Politik, Zürich 1999, S. 214–260.
Klaus Armingeon,Sozialdemokratie am Ende? Die Entwicklung der Macht sozialdemokratischer Parteien im internationalen Vergleich 1945–1988, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 18, 1989, No. 4, S. 321–345; Jan-Erik Lane/Svante O. Ersson,a.a.O., S. 142–143.
Jan-Erik Lane/David McKay,Political Data Handbook. OECD Countries, 2. Aufl., Oxford u. a. 1997.
Vgl. Paul V. Warwick,a.a.O.
Vgl. Adrian Vatter,a.a.O., S. 6.
Vgl. Année Politique Suisse (1993–1998), Vol. 29–34, Universität Bern, Institut für Politikwissenschaft.
Vgl. World Bank, World Development Report 1997. The State in a Changing World, New York 1997, S. 231.
Vgl. Gerhard Lehmbruch, Consociational Democracy and Corporatism in Switzerland, in: 26 Vgl. Gerhard Lehmbruch, Die korporative Verhandlungsdemokratie in Westmitteleuropa, in: Klaus Armingeon/Pascal Sciarini (Hrsg.), Deutschland, Österreich und die Schweiz im Vergleich ( Sonderheft der Revue Suisse de Science Politique ), Zürich 1996, S. 19–41.
Vgl. Leonhard Neidhart, a.a.O.; Wolf Linder, Schweizerische Demokratie - Institutionen, Prozesse, Perspektiven, Bern 1999.
Dies gilt nicht für die erstmalige Aufnahme der Sozialdemokratie im Jahr 1943. In diesem Zusammenhang argumentiert Kriesi, in den demokratischen Ländern wären in diesem Zeitraum häufig Sozialdemokraten in die Regierungskoalitionen aufgenommen worden, und aus Gründen der internationalen Reputation hätte es sich die Eidgenossenschaft nicht leisten können, der politisch organisierten Arbeiterbewegung keine exekutiven Mitwirkungsrechte einzuräumen. Vgl. Hanspeter Kriesi, Le Système Politique Suisse, Paris 1995.
Vgl. Hanspeter Kriesi,Entscheidungsstrukturen und Entscheidungsprozesse in der Schweizer Politik, Frankfurt am Main/New York 1980; sowie ders.,Le Système, a.a.0.; Wolf Linder,a.a.0.
Vgl. Sibylle Hardmeier/ Barbara Good,Der Sozial-und Verwaltungsstaat von morgen: Regierungspolitik und Reformbedarf aus Sicht der Stimmberechtigten (UNIVOX Teil 11 A Staat 1998), Bem/Zürich 1998.
Diese Schlussfolgerung wird nicht dadurch geschmälert, dass das Institutionenvertrauen in der Schweiz rückläufig ist. Noch immer liegen jedoch die Vertrauenswerte über dem europäischen Durchschnitt und die Verringerung des Vertrauens lässt sich eher als konvergente Bewegung zum europäischen Mittel denn als Krise interpretieren.
Vgl. Klaus von Beyme, Regierungswechsel, in: Manfred G. Schmidt (Hrsg.), Lexikon der Politik, Band 3, Die westlichen Länder, München 1992, S. 403.
In einigen wenigen Fällen entschieden sich Bundesräte aufgrund persönlicher Verfehlungen oder massiver öffentlicher Kritik zum Rücktritt. So beispielsweise Paul Chaudet (Mirage-Affäre, 1966) oder Elisabeth Kopp (Kopp-Affäre, 1989); allerdings sind Skandale und darauf folgende Rücktritte bis heute eine Rarität in der Schweizer Politik. Vgl. Urs Altermatt, Bundesrat und Bundesräte: Ein historischer Aufriß, in: ders. (Hrsg.), Die Schweizer Bundesräte. Ein biographisches Lexikon, Zürich/München 1991, S. 82–86, S. 88–91.
Vgl. Jan-Erik Lane/Svante O. Ersson,a.a.O., S. 313.
Vgl. Jan-Erik Lane/David McKay,a.a.O., S. 117.
Vgl. Adrian Vouer,a.a.O., S. 4.
Vgl. Jaap Woldendorp/Hans Kenwn (Hrsg.), Political Data 1945–1990. Party Government in 20 Democracies (Special Issue of the European Journal of Political Research), Vol. 24, 1993, No.1.
Vgl. Wolf Linder,a.a.O., S. 220–223; Ulrich KIM,Regierung, in: Ulrich Klidi/Peter Knoepfel/Hanspeter Kriesi/Wolf Linder/Yannis Papadopoulos (Hrsg.), a.a.O., S. 166–168.
Erich Gruner,Freiheit und Bindung in den Bundesratswahlen, in: Schweizerisches Jahrbuch für politische Wissenschaft, 6, 1967, S. 18.
Ruth Nabholz,Das Wählerverhalten in der Schweiz: Stabilität oder Wandel? Eine Trendanalyse von 1971–1995, in: Hanspeter Kriesi/Wolf Linder/Ulrich Klliti (Hrsg.), Schweizer Wahlen 1995, Bern u.a. 1998, S.17–44; Andreas Ladner,Das Schweizer Parteiensystem und seine Parteien, in: Ulrich Khti/Peter KnoepfeUHanspeter Kriesi/Wolf Linder/Yannis Papadopoulos (Hrsg.), a.a.O., S. 225.
Vgl. Jan-Erik Lane/Svante O. Ersson,a.a.O., S. 128.
Vgl. Jan-Erik Lane/David McKay,a.a.O., S. 123.
Vgl. Adrian Vatter,a.a.O., S. 5.
Vgl. Hanspeter Kriesi,Entscheidungsstrukturen und Entscheidungsprozesse, a.a.O., 5.693696.
Vgl. Urs Altermatt,a.a.O., S. 87.
Ebenda, S. 86–87.
Vgl. Wolf Linder, a.a.O., S. 197–199.
Alois Riklin/Silvano Möckli,Milizparlament?, in: Parlamentsdienste (Hrsg.), Das Parlament — „Oberste Gewalt des Bundes“? Festschrift der Bundesversammlung zur 700-Jahr-Feier, Bern/Stuttgart 1991; Thomas Hasler,„Dienen, nicht verdienen, soll das oberste Gebot des Politikers sein”: wie der Staat seine Bundesräte, Nationalräte und Chefbeamten besoldet, Chur/Zürich 1998; Reto Wierli,Schweiz: Miliz-Mythos und unvollkommene Professionalisierung, in: Jens Borchert (Hrsg.), Politik als Beruf. Die politische Klasse in westlichen Demokratien, Opladen 1999, S. 415–438.
Diese Schwäche der Exekutive drückt sich im bescheidenen Umfang der Verwaltung des Bundes und der Tatsache aus, dass die Regierung seit 150 Jahren trotz gewachsener Aufgaben gleichbleibend nur aus sieben Ministern besteht. Der Versuch, zumindest eine breitere Basis durch mehr Staatssekretäre (derzeit gibt es nur drei) zu schaffen, ist in einer Volksabstimmung gescheitert. Gescheitert sind meist auch andere Versuche, dem Bund mehr Ressourcen zu geben. Das Misstrauen der Bevölkerung gegen eine starke Zentralregierung und die positive Wertung des Milizsystems zwingen mithin den Bundesrat, sich der Unterstützung nicht-staatlicher Akteure zu versichern.
Vgl. Wolf Linder,a.a.O., S. 299; Hanspeter Kriesi,Entscheidungsstrukturen, a.a.O.
Vgl. Ulrich Moti,a.a.O., S. 170–172.
Vgl. Winfried Steffani,Parlamentarisches und präsidentielles Regierungssystem, in: Manfred G. Schmidt (Hrsg.), Lexikon der Politik, Band 3, a.a.O., S. 288–295.
Insofern könnte auch der Begriff der Koalition in Bezug auf den Schweizer Bundesrat missverständlich sein, weil Koalitionen nach der Definition von Theodor Eschenburg Bündnisse von Parteien zur Regierungsbildung und parlamentarischen Unterstützung der Regierung auf Zeit sind.
Vgl. Wolf Linder,a.a.O., S. 220–223.
Vgl. Klaus Arrningeon,Renegotiating the Swiss Welfare State, a.a.O.
Vgl. Gerhard Lehmbruch,Parteienwettbewerb im Bundesstaat. Regelsysteme und Spannungslagen im Institutionengefüge der Bundesrepublik Deutschland, 2., erweiterte Auflage, Opladen 1998.
Raimund E. Germann/Ernest Weibel (Hrsg.), Handbuch: Politisches System der Schweiz, Band 3: Föderalismus, Bem/Stuttgart 1986; Hanspeter Kriesi,Le Système, a.a.O., S. 44–79; Klaus Armingeon/Markus Freitag,Deutschland, Osterreich und die Schweiz. Die politischen Systeme im Vergleich. Ein sozialwissenschaftliches Datenhandbuch, Opladen 1997, S. 27–29; Wolf Lindner,a.a.O., S. 135–191; Klaus Armingeon,Wirtschafts-und Finanzpolitik, in: Ulrich Klöti/Peter Knoepfel/Hanspeter Kriesi/Wolf Lindner/Yannis Papadopoulos (Hrsg.), a.a.O., S. 725–766; ders.,Swiss Federalism in Comparative Perspective, a.a.O.; ders.,Consociationalism and Economic Performance, a.a.O.; Raimund E. Germami,Die Kantone: Gleichheit und Disparität, in: Ulrich Klöti/Peter Knoepfel/Hanspeter Kriesi/Wolf Lindner/Yannis Papadopoulos (Hrsg.), a.a.O., S. 388–420; Walter Schenkel/Uwe Serdült,Bundesstaatliche 58 Vgl. Raimund E. Germann,a.a.O., S. 406; vgl. Hans Geser,Die Gemeinden in der Schweiz, ebenda, S. 449.
Die Einparteiregierung in dem 15000 Einwohner zählenden Gliedstaat Appenzell-Innerrhoden ist dies nur in einem formalen Sinne. Das Parteiensystem ist nur embryonal entwikkelt. Die politische Entscheidung geschieht in einem organisatorisch wenig ausdifferenzierten konkordanzdemokratischen System.
Vgl. Raimund E. Germann,a.a.O., S. 408.
Vgl. Adrian Vatter,a.a.O.
Vgl. William Ossipow,Le système politique suisse ou l’art de la compensation, in: Yannis Papadopoulos (Hrsg.), Elites politiques et peuple en Suisse. Analyse des votations fédérales: 1970–1987, Lausanne 1994, S. 9–55.
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Armingeon, K. (2002). Die Vier-Parteien-Koalition in der Schweiz: Gründe für extreme Regierungsstabilität. In: Kropp, S., Schüttemeyer, S.S., Sturm, R. (eds) Koalitionen in West- und Osteuropa. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10487-2_4
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