Zusammenfassung
Edward Joseph Flanagan ist zusammen mit A. S. Makarenko, A. S. Neil und Pater Silva der bekannteste559 Vertreter der Heim-Selbstverwaltung / Selbstregierung. Die Selbstverwaltung ist die bekannteste Eigenschaft von Boys Town, durch die das Heim überhaupt erst weltberühmt wurde. Trotzdem liegt Flanagans Bedeutung nach meiner Überzeugung nicht auf dem Gebiet der Selbstverwaltung / Selbstregierung! Die Selbstverwaltung in Boys Town ist eher ein Präfektensystem als eine wirkliche Selbstverwaltung, die Funktion der gewählten Vertreter ist nicht ersichtlich, und selbst Flanagans Anhänger sprechen offen davon, daß die Selbstverwaltung Illusion und Vortäuschung sei. Die besondere Betonung der Selbstverwaltung dient vermutlich vor allem (erfolgreich!) der Publicity des Heims.
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Literatur
Artikel über Flanagan oder Boys Town findet man in vielen allgemeinen Lexika (Colliers Encyclopedia; Encyclopedia Americana, Encyclopaedia Britannica, Meyers Enzyklopädie). Auch in meinen Gesprächen mit Pädagogen waren Hinweise darauf häufig, ebenso in pädagogischer Literatur. Zur Publizität dürften auch die beiden Spielfilme über Boys Town beigetragen haben. Literatur über Boys Town: Flanagan (1951, Artikelsammlung, posthum; 1965 [1947/48], Kurzdarstellung), Oursler (1951, brauchbares Standardwerk), Wagner (1957, religiös eifernd, unkritisch, euphorisch), Wegner (1971, Lexikonartikel), Adlhoch (1951, gute Beschreibung) sowie Bergler (1955) und Zielinski (1950).
Diese Farm — das heutige Heimgelände, der Ort Boys Town — liegt an der Straße Nr 30, 10 Meilen westlich vin Omaha, Nebraska.
Boys Town wurde insbesondere in Deutschland und Italien häufig als Vorbild genannt, manchmal wohl in Unkenntnis. Die Jungenstadt Buchhof (vgl. Kapitel 22..6.2.) berief sich ebenso auf Boys Town wie Pater Silva (Bemposta) und Carroll-Abbing (Città dei Ragazzi Rom).
Oursler (1951: 248–254); Wagner (1957: 91–92, 136–137, 197–198).
Eine 1883 in Großbritannien aus der Sonntagsschul-Arbeit entstandene, dann auch in den Kolonien und den USA sich verbreitende Bewegung zur Förderung der Moral und Bürgertugend (Förderung des Königreichs Christi, des Gehorsams, Disziplin und Selbstrespekt und allem, was Jungen zu wahrhaft christlicher Männlichkeit fuhrt). In diesen den Pfadfindern vergleichbaren uniformierten und militärisch wie religiös organisierten Gruppen waren eine Viertelmillion Jungen in Tausenden von Kompanien organisiert. 1902 wurden die Boys Brigades um eine beträchtlich kleinere Girls' Life Brigade ergänzt. Vgl. die Lexikonartikel dazu bei Monroe (Ed. 1911) und in der Encyclopaedia Britannica.
Siehe Ende des Kapitels 10.10. Starr legte Wert darauf, der Urheber des Flanagan-Mottos Einen schlechten Jungen gibt es nicht zu sein.
Körperstrafen sind eine entwürdigende Strafe und vertragen sich nicht mit einer auf Selbstachtung aufbauenden Erziehung. Sie waren nicht nur in allen Kinderrepubliken, sondern auch in etlichen anderen Einrichtungen verboten, manchmal schon seit Jahrhunderten. Interessant ist die unterschiedliche Darstellung des Verbots z. B. bei Neill und Flanagan: Neill sieht Körperstrafe als gemeines Verbrechen, über das er nur mit Abscheu berichtet. Beschreibungen des Körperstrafe-Verbotes von Boys Town dagegen berichten eher mit staunender Bewunderung von der schwer vorstellbaren Merkwiirdigkeit, daß der Pater in seiner unermeßlichen Güte sogar auf die Ausübung seines (selbstverständlichen und völlig unangezweifelten) Züchtigungsrechtes freiwillig verzichtet! Diese unterschiedlichen Sichtweisen offenbaren (bei gleichem beobachtbaren Verhalten) eine ganz unterschiedliche Haltung zu den Rechten von Kindern und Erwachsenen.
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Kamp, JM. (1995). Flanagan in Boys Town. In: Kinderrepubliken. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10478-0_21
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