Zusammenfassung
Das Bild der Städte verändert sich laufend; heute steht die Stadt besonders unter dem Einfluss der verstärkten Entwicklung globaler wirtschaftlicher Verflechtungen. Städte sind Arbeits- und/oder Wohnort für die meisten Menschen dieser Erde. Damit erlangt auch für Kinder und Jugendliche die Stadt als Lebensort, als Ort des Aufwachsens eine wichtige Bedeutung.
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Literatur
Während die empirische Untersuchung mit Jugendlichen im Alter von 14–18 Jahren durchgeführt wurde, soll in diesem ersten Kapitel der allgemeine Zugang zu den sozialräumlichen Forschungs-und Theorieansätzen über das Heranwachsen in der Stadt breiter gefasst und es sollen Kinder, Kids, sowie auch junge Erwachsene mit einbezogen werden.
In diesem Zusammenhang wird auch von „dual cities“ oder „two cities” gesprochen. (vgl. dazu Alisch/Dangschat 1998, S. 87).
Dabei geht es z.B. bei einem Drogenproblem nicht mehr darum, dass das Sozialamt einer Stadt Sozialarbeiter anstellt und ein Interventionsplan erstellt wird, sondern mit der Lösung wird eine Privatfirma beauftragt. Dies spart Kosten, welche für die soziale Sicherheit der Beamten ausgegeben werden müssten. Meistens wird der Auftrag der kostengünstigsten Firma übertragen, was wiederum Konsequenzen auf die Arbeitsbedingungen der Angestellten dieser Firmen hat.
Die neuere Armutsforschung geht von dem direkten Zusammenhang der Steigerung der Armut durch den verbreiteten Wohlstand aus (Alisch/Dangschat 1998; Dangschat 1999).
Soziale Brennpunkte` sind Wohngebiete, „in denen Faktoren, die die Lebensbedingungen ihrer Bewohner und insbesondere die Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen negativ bestimmen, gehäuft auftreten“ (Deutscher Städtetag 1979, S. 12) — nach Häußermann „ein Sprachgebrauch, den man inzwischen vermeidet, weil er ein Bild hervorruft, es handle sich um punktuelle Probleme, die man rasch mit der Feuerwehr löschen könne” (2001, S. 38).
Berger/Schalfeld beschreiben die Strategien, die zur Beibehaltung des sozialen Friedens dienen. In diesem Zusammenhang wird von der „sozialen Großstadtstrategie“ gesprochen (1999, S. 329 ff.).
Es wird zwischen dem Begriff der,Gentrification’ (als Zustand) und,Gentrifizierung` (als Prozess) unterschieden. Dabei wird der Begriff,Gentrification` verwendet,zur Beschreibung eines schnellen Ansteigens des Anteils an Bewohnern der (oberen) Mittelschicht in ehemaligen Arbeiterwohnquartieren bzw. in zuletzt von Arbeitern bewohnten Gebieten. Dieser Vorgang geht einher mit einer Modernisierung des Wohnungsbestandes sowie der Umwandlung von Miet-in Eigentumswohnungen“ (Blasius 1993, S. 14). „Gentrifizierung ist die Verdrängung der ehemaligen Bewohner durch jüngere, besser ausgebildete und in der Regel mit höherem Einkommen versehene Haushalte in innenstadtnahen Wohngebieten. Mit Verdrängungen sind Auszüge aufgrund von Mietsteigerungen oder Umwandlungen ehemaliger Mietwohnungen in Eigentumswohnungen gemeint. Damit einher geht in einem Wechselwirkungsprozeß eine Veränderung des Wohnungsbestandes in Richtung überdurchschnittlicher Modernisierung, Mietpreissteigerung und der Umwandlung von Miet-in Eigentumswohnungen resp. eine Veränderung der Infrastruktur, die zunehmend den Bedürfnissen der neu Hinzuziehenden entspricht” (Dangschat 1991, S. 32).
Meistens wird unter Segregation die ungleiche Verteilung der Wohnbevölkerung in einer Stadt verstanden; man spricht dann auch von der residentiellen Segregation. Für die vorliegende Arbeit soll die Segregation weiter gefasst werden: Unter Segregation soll allgemein die ungleiche Verteilung von Einheiten (z.B. sozialen Gruppen, unterschiedlichen Handlungsformen) im Raum verstanden werden (vgl. dazu Friedrichs 1999 ).
Diese Tendenz ist aber weiterhin in modernen Städten zu beobachten. Dazu wohl auf eindrücklichste Weise die von der französischen Rechtsregierung unter Le Pen geführten Stadtpolitiken im Süden von Frankreich, in denen sämtliche Kommunikationsmöglichkeiten von Bewohnern von Satellitenstädten, meistens marokkanische resp. algerische Einwanderer, abgeschnitten werden (vgl. Loch 2000 ). Sie bleiben in diesen Satellitenstädten isoliert und haben gar nicht die Möglichkeit, ins Zentrum zu gelangen. „Die räumliche Ausgrenzung verhindert häufig […] die Teilhabe an und die Erreichbarkeit von Ausbildungseinrichtungen und Arbeitsplätzen, angemessenem Wohnraum und gut ausgestatteten Wohnquartieren sowie öffentlicher und privater Infrastruktur“ (Dangschat 1999, S. 14 ).
Siehe dazu zum Beispiel die Zonenmodelle von Burguess 1925 etc (in Leuthold 1998).
Die verselbständigte und entfremdete Gestalt, welche die kapitalistische Produktionsweise überhaupt den Arbeitsbedingungen und dem Arbeitsprodukt gegenüber dem Arbeiter gibt, entwickelt sich also mit der Maschinerie zum vollständigen Gegensatz.“ (Marx 1972, S. 455). Hier wird auch deutlich, dass für Marx,kapitalistische Produktionsweise gleichbedeutend mit,industrieller` war.
Dabei wird davon ausgegangen, dass die gesellschaftlichen Bedingungen in den 70er-Jahren zu der hier vorgestellten Denkrichtung führten. Jedoch ist klar, dass es sich sowohl bei der Stadt der 70er-Jahre als auch um die der 90er-Jahre um Idealtypen handelt. Nicht der Zeitpunkt ist entscheidend (es werden durchaus Texte aus den 90er-Jahren, welche mit Modellen und Ideen aus den 70er-Jahren arbeiten, zu den 70er-Jahren gezählt), sondern die gesellschaftlichen Strömungen und (Handlungs-)modelle, die Art, wie sozialräumliche Probleme von Kindern und Jugendlichen erklärt werden und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Dies gilt für die ganze vorliegende Arbeit, in welcher immer mit den Idealtypen 70er-Jahre, 90er-Jahre und,Gegenwart` gearbeitet wird.
Siehe dazu zum Beispiel Chombart de Lauwe H.P und M.J. (1977), und später Zeiher (1983), Becker/EigenbrodtlMay (1984a, b), Böhnisch/Münchmeier (1990), Deinet (1991, 1999), Rolff/Zimmermann (1990).
Alexejew Nikolajew Leontjew ist wohl der bekannteste Vertreter dieser Schulrichtung, die von Wygotski gegründet wurde.
Alle Ergebnisse von menschlichen Handlungen, ob materiell oder immateriell, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, bezeichnet man in der Handlungstheorie als,Artefakte`.
Unter materieller Kultur wird für diese Arbeit alle vom Menschen hergestellten Bauten verstanden (Gebäude, Straßen Plätze etc.).
Manaster kommt nach der Durchsicht von über hundert Definitionen von,Jugend` zu diesem Schluss (in Olbrich 1984, S. 6). Wie im Kapitel über die aktuelle Situation in Spanien zu sehen ist, ist auch beim Gebrauch mit Zahlen zu Jugendlichen darauf zu achten, von welcher Altersspanne gesprochen wird. So ist zum Beispiel bei der Jugendarbeitslosigkeit von unter 25-jährigen die Rede.
Dies in Abgrenzung zu den 12- bis 14-jährigen, die als Kids bezeichnet werden sollen (siehe dazu Böhnisch 1999b).
Die Personen, die älter als 18-jährig und jünger als 30 sind, sollen als,junge Erwachsene` bezeichnet werden (siehe Stauber/Walther 2001).
In sozialisationstheoretischen Peergroup-Ansätzen wird die Wichtigkeit der räumlichen Dimension oft vernachlässigt; siehe dazu Krappmann 1991, Oerter/Montada 1987.
Dabei ist ein massiver Anstieg an Personalbedarf im Sicherheitsbereich, ein regelrechter Boom in diesem Dienstleistungssektor feststellbar: „Wachemänner braucht die Zeit. WacheAG“ — so die massive Werbung in einem schweizer Privatradio.
Bei den,90er-Jahren` gilt das gleiche wie bei den,70er-Jahren`: Es handelt sich um einen Idealtyp, um die Denkweise und die Modelle einzuordnen. Selbstverständlich bin ich mir bewusst, dass es sich um eine pointierte Zusammenfassung handelt und unterschiedliche Entwicklungsstränge gleichzeitig wirken.
Der wesentlichste Unterschied zu geläufigen Typologisierungen ist die Abkehr davon, die Gegenwart als Postmoderne oder Risikogesellschaft zu bezeichnen. Giddens „[…] These ist es, dass wir nicht im Zeitalter der Postmoderne leben, sondern vielmehr in einem Zeitalter, in dem die Konsequenzen der Moderne radikalisiert und universalisiert zum Tragen kommen“ (Werlen 1995a, S. 85).
Nach Giddens besteht das zentrale Merkmal von modernen und spätmodernen Gesellschaften in der enormen Steigerung der Fähigkeit, eine Gesellschaft über eine große raumzeitliche Distanz zu konstituieren, zu reproduzieren und aufrecht zu erhalten (vgl. Werlen 1995a, S. 110).
Die Reflexivität ist in modernen Institutionen aufs Engste mit dem Wissen über Situationen des Handelns verbunden. „Es geht also nicht nur um die Fähigkeit der Bewußtheit, sondern um Wissen um Situationen, Wissen, das eine rationale und reflexive Beziehung zu den verschiedenen Aspekten der Wirklichkeit ermöglicht. Die Reflexivität der Moderne richtet sich vor allem auf die reflexive Aneignung von Wissen“(Werlen 1995a, S. 130 ).
Die handlungstheoretische Sozialgeographie ist als eine Forschungsperspektive konzipiert, welche eine inter-und transdisziplinäre sozialwissenschaftliche Erforschung der Alltagswelt ermöglichen soll. Aus der Konzentration auf das Handeln der Subjekte ergeben sich zwei wichtige Konsequenzen. Erstens ist,Raum` immer als vom erkennenden und handelnden Subjekt konstituiert zu begreifen. […] Zweitens wird davon ausgegangen, daß,Raum` immer handlungsspezifisch konstituiert wird.“ (Werlen 2000. S. 351 )
Von Geodeterminismus wird gesprochen, wenn menschliche Tätigkeiten nur auf physische Einflüsse wie Klima, geographische Lage, Landschaft, etc. reduziert und aus ihnen heraus erklärt werden: „Geodeterminismus: häufig auch synonym für Umwelt-oder Naturdeterminismus verwendet, ist ein Sammelbegriff für Ansätze geographischer Forschung, welche die kausale (Vor-)Bestimmtheit menschlichen Handelns durch den Raum bzw. die Natur postulieren. Gemäß der Grundthesen des Geodeterminismus sind alle menschlichen Kulturen und Gesellschaften als Ausdrucksformen natürlicher Bedingungen anzusehen und ursächlich auf diese zurückzuführen“ (Werlen 2000, S. 383 ).
Damit knüpft Werlen an der Idee von Hartke (1962) an, der als erster in der geographischen Disziplin die Analyse des,Alltäglichen Geographie-Machens’ als Forschungsgegenstand sozialgeographischer Untersuchungen forderte und die in der geographischen Diskussion verschiedentlich aufgegriffen und zum Beispiel in der Brachland-oder Aktionsraumforschung umgesetzt wurden (siehe dazu Werlens detaillierte Analyse der Paradigma-Entwicklung in der sozialgeographischen Forschung Werlen: 1997, 2000).
vgl. Pohlmann 1984 u. 1986; Büchler 1989; Lusk 1989; Treibel 1989; von Ducker 1992, 2001; Roggenbuck 1993.
Deutscher Ausdruck für,um Geld betteln’.
Dabei gibt es für die europäischen Verhältnisse andere unscharfe Bezeichnungen für die gleiche oder ähnliche Lebenslage von Heranwachsenden, wie zum Beispiel Schlüsselkinder, Obdachlose, Nichtsesshafte, Ausreißerinnen, KurvengängerInnen, Trebegängerinnen, Entlaufene, Fortgelaufene, Weggelaufene, Entwichene, Abgehauene, Untergetauchte, Vermisste, Herumtreiberinnen, Hängerinnen, Streunerinnen, Vagabundierende u.a. (vgl. zum Beispiel Jordan/Trauemicht 1981 ). Der Straßenkindbegriff bringt weder eine neue Erkenntnis, noch kann er sich genügend gegen altbekannte Konzepte abgrenzen.
Dabei ist zum Beispiel der Teil der Studie zum Straßenkindproblem in der Schweiz von Schenker/Etter 1997 zu nennen, welche eine durch die Medien vorangetriebene breite Welle der Empörung der Bevölkerung auslöste. Denn allein in der Stadt Zürich sollten laut der Studie zwischen 200–300 Straßenkinder leben. Was die Medienwelle nicht berücksichtigte war die Tatsache, wie die Verfasser auf diese Zahl gekommen waren. Es handelte sich dabei um einen einfachen Dreisatz, wobei man die Bevölkerungszahl von Deutschland mit desjenigen von Zürich verglich und die Straßenkinderzahl von 50.000 in Deutschland auf die Stadt Zürich aproximierte.
siehe auch Werlen 1995b, S. 2.
Doch ist diese Tendenz nicht Schlag auf Schlag geschehen: Vor zwei Jahren schon bezahlte eine der größten schweizer Kaufhausketten einer Familie eine größere Menge Geld dafür, dass sie einen Monat lang in ihren Schaufenstern und damit für alle Passanten einsehbar wohnen würde. Und auch,the big brother’ wird vielleicht bald überboten werden. Der amerikanische Horror-Bestsellerautor Stephen King hat diese Tendenz schon vorausgesehen und unter dem Pseudonym Richard Bachman ein Folgeszenario beschrieben, in welchem das Fernsehen die totale Kontrolle über das Leben der Menschen hat und sich die Gesellschaft spaltet in solche, die im Fernsehen sind (Programmen etc.) und solche, die nur noch auf die überall herumstehenden überdimensional großen TV-Screens von außen schauen.
aus: Tagesanzeiger vom 15. Dezember 2000
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Reutlinger, C. (2003). Zugänge zu einer Theorie der Sozialgeographie des Jugendalters in gespaltenen Städten. In: Jugend, Stadt und Raum. Stadtforschung aktuell, vol 93. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10440-7_2
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