Zusammenfassung
Die Ausbildung von Identität setzt ein Objekt voraus, das sich als Einheit versteht, gegen andere abgrenzt und als solches selbst beschreibt. Für Kollektive sind die Objekte ihrer Identität institutionalisierte Ordnungsvorstellungen, die einen normativen Gehalt haben und verhaltensprägend wirken. Bei der kulturellen Identität spielen in der Regel mehrere Ordnungsvorstellungen eine Rolle. Sprachkultur, ästhetische Kultur, regionale Kultur, politische Kultur, religiöse Kultur, Berufskultur sind alles Aspekte kollektiver kultureller Identitäten mit je verschiedenen Objektbezügen. Kulturelle Identität ist insofern immer heterogen und umfaßt konfligierende Ordnungsvorstellungen. Je nachdem, welche Ordnungen zu Objekten der Identitätsbildung werden und mit welcher Kraft sie sich normativ und verhaltensstrukturierend durchsetzen, ergeben sich unterschiedliche Grade der Homogenisierung kultureller Identitäten. Repräsentiert etwa die Kirche die Religion eines geschlossenen Territoriums, bestimmt sie die ästhetischen Vorbilder, strukturiert sie das Alltagsverhalten, herrscht auch noch eine einheitliche Sprache und ist die sozialstrukturelle Differenzierung gering, so werden die kulturellen Identitäten in hohem Maße religiös homogenisiert. In den europäischen Nationalstaaten, wie sie sich im 19. Jahrhundert herausgebildet haben, dominierte das politische System die Homogenisierung der Kulturen. Die kulturellen Identitäten wurden nationalstaatlich überformt, die politische Nation wurde zum herausgehobenen Objekt. Wenn man von den Minderheiten absieht, die die staatliche Ordnung, in der sie leben, ablehnen, wie etwa die Basken, so sind die kulturellen Identitäten in Europa staatlich gefaßt.
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Lepsius, M.R. (1999). Bildet sich eine kulturelle Identität in der Europäischen Union?. In: Reese-Schäfer, W. (eds) Identität und Interesse. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10324-0_4
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