Zusammenfassung
Zu allen Zeiten hat es Menschen gegeben, deren Geschlecht nicht eindeutig weiblich oder eindeutig männlich ist, bei denen nicht alle so genannten Geschlechtsmerkmale in dieselbe Richtung auf ‚eindeutig männlich‘ oder ‚eindeutig weiblich‘ weisen — sei es, dass bestimmte Merkmale fehlen oder nur schwach ausgeprägt sind, sei es, dass sowohl männliche als auch weibliche Merkmale vorhanden sind. Jahrhundertelang wurden solche Menschen Hermaphroditen1 oder Zwitter2 genannt. In der heutigen Medizin hat sich die Bezeichnung „Intersexuelle“3 eingebürgert; die medizinische Diagnose heißt entsprechend Intersexualität. Die Vorstellung von der exklusiven Zweigeschlechtlichkeit des Menschen — entweder Frau oder Mann, aber nichts jenseits und nichts dazwischen — ist allerdings so tief eingeschrieben in die bürgerliche Kultur und Gesellschaft, dass für Jahrzehnte Intersexuelle in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung treten konnten. Erst in allerjüngster Zeit nehmen die Medien sich dieses Themas an,4 nachdem bereits zuvor die Geschlechterforschung das Thema aufgegriffen hat (Foucault 1978/1998; Fausto-Sterling 1985 und 2000; Dreger 1998; Kessler 1998), vor allem aber seit Betroffene nicht länger schweigen, sich Selbsthilfegruppen gebildet haben und das Internet ein Forum bietet, auf dem sonst verschwiegene Themen einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden können.5 So ist erst dadurch außerhalb medizinischer Fachkreise bekannt geworden, was seit den 1950er Jahren mit intersexuell Geborenen geschieht. Ihr zweideutiges Geschlecht wird mittels Skalpell und Medikamenten eindeutig gemacht — durch Operationen bereits im Säuglingsalter, denen meistens weitere Operationen im Kindes- und Jugendlichenalter folgen müssen (Fausto-Sterling 2000, S. 86–91), und durch lebenslänglich verordnete medikamentöse Behandlung, um die dem zugewiesenen Geschlecht entsprechenden Hormone dem Körper zuzuführen, die dieser nicht selbst zu bilden vermag. Auf diese Weise trägt die Medizin zur Durchsetzung einer exklusiven Zweigeschlechtlichkeit bürgerlicher Gesellschaften bei — exklusiv in dem Sinne, dass jeder Mensch als männlich oder weiblich registriert wird und diese Eigenschaft grundsätzlich von Geburt bis zum Tod behält.
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Literatur
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Plett, K. (2003). Intersexuelle — gefangen zwischen Recht und Medizin. In: Koher, F., Pühl, K. (eds) Gewalt und Geschlecht. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10174-1_2
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