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Die methodologischen Grundlagen Simmels und Webers

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Georg Simmel und Max Weber
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Zusammenfassung

Vor den soeben dargestellten ideengeschichtlichen Hintergründen sollen im folgenden Teil nun die methodologischen Dimensionen bei Simmel und Weber dargestellt werden. Zu betrachten sind dabei die verstehende Methode einerseits und die idealtypische Methode Webers und die analogisierende Methode Simmels andererseits. Sieht Weber die Kulturwissenschaften und die Soziologie als verstehende Wissenschaft an, so ordnet Simmel das Verstehen doch eigentlich der Methodik der historischen Wissenschaft zu, aber nicht der soziologischen Wissenschaft. Die Diskussion über seine Theorie des Verstehens ist jedoch für ein angemessenes Verständnis seiner Gedankenwelt unabdingbar, weil Simmel sich intensiv mit dieser Problematik beschäftigt hat. Nicht von ungefähr betrachtet man die erkenntnistheoretische Diskussion der Verstehensmethodik als eines der wichtigen Interessengebiete in der zweiten Phase von Simmels Werk.1 Mehr noch: Für die entwicklungsgeschichtliche Studie zur verstehenden Soziologie bei Weber kommt man nicht an der Simmelschen Konzeption des Verstehens vorbei. Denn Weber hat sich mit Simmel, der sich früher als jener mit der Verstehensproblematik zu befassen begonnen hatte, auseinandergesetzt. Die Konzeption des Verstehens bei Weber ist insofern in einem engen Zusammenhang mit seiner Konzeption des Idealtypus zu betrachten, als die verstehenden Kulturwissenschaften und die verstehende Soziologie nach seiner Auffassung nur aufgrund der idealtypischen Begriffs- und Theoriebildungsmethode möglich sind. Demgegenüber besteht Simmel nachdrücklich darauf, daß sich die Soziologie mit der analogisierenden Methode zu begnügen hat, die mit Beispielen vorgeht und daher die soziologische Erkenntnis inhaltlich Fragmente bleibt. Auf der anderen Seite ist sein grundlegendes methodisches Prinzip der Soziologie — und zugleich auch seiner Historik — dennoch auch „idealtypisch“ fundiert.

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Literatur

  1. Vgl. Michael Landmann, „Einleitung des Herausgebers“, in: Georg Simmel, Das individuelle Gesetz. Philosophische Exkurse, a.a.o., S. 7ff.

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  2. Dilthey wirft der apriorischen Erkenntnistheorie Kants „Zauberkunst einer transzendentalen Macht“ vor und faßt die Erkenntnistheorie als „Psychologie in Bewegung, und zwar sich nach einem bestimmten Ziele bewegend” auf. Der Grund hierfür ist: „Der seelische Zusammenhang bildet den Untergrund des Erkenntnisprozesses.“ Vgl. Wilhelm Dilthey, Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie (1894), in: Gesammelte Schriften, Bd. 5: Die geistige Welt. Einleitung in die Philosophie des Lebens, Stuttgart/Göttingen 1957 (2. Auflage), S. 151.

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  3. Vgl. Ernst Wolfgang Orth, „Einleitung: Dilthey und die Philosophie der Gegenwart“, in: ders. (Hrsg.), Dilthey und die Philosophie der Gegenwart, Freiburg/München 1985, S. 727. Eine ausführliche Studie zum Verhältnis von Krisenbewußtsein und Philosophie bei Dilthey gibt es bei Jong-Uk Choi, Die geistig-gesellschaftliche Krise des 19. Jahrhunderts und die Aufgaben der Diltheyschen „Kritik der historischen Vernunft”. Eine Untersuchung über das Motiv der Philosophie Diltheys, Trier 1987.

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  4. Wilhelm Dilthey, Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften (1910), in: Gesammelte Schriften, Bd. 7, S. 161. Vgl. zur Diltheyschen Erlebniskonzeption Wilhelm Dilthey, Das Erlebnis und die Dichtung. Lessing, Goethe, Hölderlin, Göttingen 1965 und ferner Karol Sauerland, Diltheys Erlebnisbegriff. Entstehung, Glanzzeit und Verkümmerung eines literaturhistorischen Begriffs, Berlin 1972.

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  5. Wilhelm Dilthey, Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften, S. 141.

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  6. Rainer Prewo, Max Webers Wissenschaftsprogramm. Versuch einer methodischen Neuerschließung, a.a.O., S. 165.

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  7. Vgl. dazu Heinrich Anz, „Hermeneutik der Individualität. Wilhelm Diltheys hermeneutische Position und ihre Aporien“, in: Hendrik Birus (Hrsg.), Hermeneutische Positionen. Schleiermacher — Dilthey — Heidegger — Gadamer, Göttingen 1982, S. 59–88, hier: S. 66f. sowie Jean Grondin, Einführung in die philosophische Hermeneutik, Darmstadt 1991, S. 116.

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  8. Wilhelm Dilthey, Der Autbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften, S. 191.

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  9. Vgl. dazu Heinrich Anz, „Hermeneutik der Individualität. Wilhelm Diltheys hermeneutische Position und ihre Aporien“, a.a.O., S. 67 u. Johannes Weiß, „Das Verstehen des Lebens und die verstehende Soziologie (Dilthey und Weber)”, in: Soziologisches Jahrbuch 8/1992, S. 353–383, hier: S. 364.

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  10. Vgl. dazu Heinrich Anz, „Hermeneutik der Individualität. Wilhelm Diltheys hermeneutische Position und ihre Aporien“, a.a.O., S. 78.

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  11. Vgl. Rainer Prewo, Max Webers Wissenschaftsprogramm Versuch einer methodischen Neuerschließung, a.a.O., S. 176ff. Realhistorisch gesehen spiegelt der Historismus die politische Resignation des deutschen Bürgertums nach dein Scheitern der 1848er Revolution wider. „Nicht zufällig“, so betont M. Riedel dies, „gewinnt der Begriff ‚Geschichtlichkeit‘ erst in jener Epoche 1848 feste Konturen, als das Bürgertum unter dem Eindruck der gescheiterten Revolution den von der klassischen deutschen Philosophie erhobenen Anspruch der Vernunft und damit seine eigenen Ansprüche auf eine vernünftige Leitung der Gesellschaft preisgab und politisch resignierte” (zitiert nach: ebd., S. 179, Anm. 41).

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  12. Hier ist vorauszuschicken, daß Simmel keinen wesentlichen Unterschied von aktuellem Verstehen und historischem Verstehen anerkennt. Dies kann darauf zurückgeführt werden, daß er einerseits beide Arten des Verstehens gleichmäßig als Wechselwirkung bzw. Kommunikation des Geistes mit dein anderen Geist betrachtet und andererseits das Verstehen für die umbildende und formende Auffassung des fremden Geisteslebens durch das Subjekt hält. So sind wir alle „die Historiker unser selbst“ oder „die gleichsam embryonalen Historiker unser selbst”. Der zwischen den beiden Verstehensarten bestehende wichtige Unterschied ist vielleicht der, daß historisches Verstehen bloß „verlängerten Zugangsstraßen“ als aktuelles Verstehen bedarf. Vgl. Georg Simmel, „Die historische Formung”, S. 148 u. ders., „Vom Wesen des historischen Verstehens“ (1918), in: Brücke und Tür. Essays des Philosophen zur Geschichte, Religion, Kunst und Gesellschaft (herausgegeben von Michael Landmann), Stuttgart 1957, S. 59–85, hier: S. 60 u. S. 69.

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  13. Vgl. Klaus Lichtblau, „Das Verstehen des Verstehens. Georg Simmel und die Tradition einer hermeneutischen Kultur- und Sozialwissenschaft“, a.a.O.; ders., „Simmel, Weber und die ‚verstehende‘ Soziologie”, in: Berliner Journal für Soziologie 3/1993, S. 141–151.

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  14. Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (1. Aufgabe), S. 422f.

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  15. Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (2. Auflage), S. 62 u. S. 26.

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  16. Ebd., S. 36; ders., Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (1. Auflage), S. 338. Der wesentliche Unterschied des historischen Interesses gegenüber dem psychologischen Interesse besteht Simmel zufolge vor allem darin, daß, während jenes sich auf die historische Individualität bezieht, es bei diesem „um Abstraktionen,um die Feststellung von gesetzlichen oder den gesetzlichen analogen Relationen“ geht, „die überall gelten, wo ihre Bedingungen gegeben sind, selbst wenn dies in der Wirklichkeit nur ein einziges Mal geschähe”. Die psychologische Erörterung bedeutet daher „die Anwendung zeitlos psychologischer Zusammenhänge auf historisch Gegebenes, aber nicht mehr bloße Psychologie“. Die Grenze der beiden Dimensionen liegt also in der „Seins-Tatsache”. Vgl. Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (2. Auflage), S. 142.

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  17. Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (2. Auflage), S. 34 u. ders., Soziologie, S. 53f.

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  18. Wilhelm Dilthey, Einleitung in die Geisteswissenschaften (= Gesammelte Schriften, Bd. 1), Stuttgart/Göttingen 1959 (4. Auflage), S. 94: „Wenn Ranke einmal ausspricht, er möchte sein Selbst auslöschen, um die Dinge zu sehen, wie sie gewesen sind, so drückt dies das tiefe Verlangen des wahren Geschichtsschreibers nach der objektiven Wirklichkeit sehr schön und kräftig aus.“

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  19. Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (2. Auflage), S. VI.

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  20. Ebd., S. Vlf. F. Fellmann behauptet mit Recht, daß sich Simmel mit seiner Kantischen erkenntnistheoretischen Position bezüglich der Verstehensmethodik hauptsächlich gegen Dilthey wendet. Vgl. dazu Ferdinand Fellmann, „Historisches Erkennen als Fremderfahrung bei Simmel“, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 59/1977, S. 56–72 sowie ders., „Georg Simmels Theorie des historischen Erkennens und die Befreiung vorn Historismus”, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 62/1980, S. 164–184. Zum DiltheySimmel-Verhältnis siehe ferner Uta Gerhardt, „Immanenz und Widerspruch. Die philosophischen Grundlagen der Soziologie Georg Simmels und ihr Verhältnis zur Lebensphilosophie Wilhelm Diltheys“, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 25/1971, S. 276292; Klaus Christian Köhnke, „Die Wechselwirkung zwischen Diltheys Soziologiekritik und Sinumels soziologischer Methodik”, in: Dilthey-Jahrbuch für Philosophie und Geschichte der Geisteswissenschaften 6/1989, S. 303–326; Uta Gerhardt, „Die Konzeption des Verstehens und der Begriff der Gesellschaft bei Georg Simmel im Verhältnis zu Wilhelm Dilthey“, in: Soziologisches Jahrbuch 8/1992, S. 245–304; Carlo Mongardini, „Von den Geisteswissenschaften zur Soziologie der Vergesellschaftungsformen — Dilthey und Simmel”, in: Soziologisches Jahrbuch 8/1992, S. 305–352.

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  21. Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (1. Auflage), S. 324; (2. Auflage), S. 168; Klaus Lichtblau, „Das Verstehen des Verstehens. Georg Simmel und die Tradition einer hermeneutischen Kultur- und Sozialwissenschaft“, a.a.O., S. 36; ders., „Simmel, Weber und die ‚verstehende‘ Soziologie”, a.a.O., S. 145.

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  22. Georg Simmel, „Die historische Formung“, S. 120f.; ders., Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (2. Auflage), S. 50 u. S. 41. In der Diskussion über die Erkenntnistheorie der Historik bei Simmel kann man die Bedeutung der Kunst — insbesondere der bildenden Kunst — nicht genug betonen. Es scheint mir angebracht zu sein, diesen Punkt ausführlich in einem anderen Teil zu behandeln, der spezifisch dein Verhältnis von Wissenschaft, Philosophie und Ästhetik gewidmet werden soll. Siehe dazu das Kapitel VII. 2 der vorliegenden Arbeit.

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  23. Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (2. Auflage), S. 53.

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  24. So Klaus Lichtblau, „Das Verstehen des Verstehens. Georg Simmel und die Tradition einer hermeneutischen Kultur- und Sozialwissenschaft“, a.a.O., S. 37.

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  25. Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (2. Auflage), S. 22, S. 25 u. S. 35. Methodologisch ist es von großer Bedeutung, daß diese Persönlichkeit niemals als solche direkt wahrgenommen und konstatiert werden kann, sie wird vielmehr grundsätzlich idealtypisch konstruiert. Siehe dazu ausführlich das Kapitel VI. 2 der vorliegenden Arbeit.

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  26. Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (2. Auflage), S. 34.

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  27. Georg Simmel, „Vom Wesen des historischen Verstehens“, S. 66f.

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  28. Georg Simmel, „Das Problem der historischen Zeit“, in: ders., Brücke und Tür. Essays des Philosophen zur Geschichte, Religion, Kunst und Gesellschaft (im Verein mit Margarete Susman herausgegeben von Michael Landmann), Stuttgart 1957, S. 43–58, hier: S. 46.

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  29. Georg Simmel, „Vom Wesen des historischen Verstehens“, S. 73; ders., „Die historische Formung”, S. 132.

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  30. Vgl. Klaus Lichtblau, „Simnel, Weber und die ‚verstehende‘ Soziologie“, a.a.O., S. 144.

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  31. Dagegen faßt Husserl Psychologie und Mathematik als zwei heterogene Wissenschaften auf: Die Psychologie ist „die empirische Wissenschaft von den psychischen Tatsachen überhaupt“; über Reales geben die mathematischen Sätze überhaupt keine Aussage, weder über das Objekt des mathematischen Operierens noch über den operierenden Akt. Das mathematische Operieren wird durchweg „in abstrakter Reinheit und ldealität” durchgeführt. Vgl. ebd., S. 172f. u. S. 175.

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  32. Max Weber, „Geschäftsbericht und Diskussionsreden auf dein ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt“ von 1910, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, Tübingen 1988 (2. Auflage, zuerst 1924), S. 431–483, hier: S. 468; ders., Wissenschaftslehre, S. 430. Hinter dieser Auffassung steht offensichtlich seine Vorstellung des Kulturmenschen, daß dieser eigenen Willen hat und auch fähig ist, beim durch Affekt und Gefühl bedingten Sich-Verhalten die blinde psychische Macht zu beherrschen, ihm subjektiv Sinn beizumessen und zugleich auch sich auf das andere Sichverhalten zu beziehen: „Subjektiv sinnhaft auf die Außenwelt und speziell auf das Handeln anderer bezogen sind nun auch die Affekthandlungen und die für den Ablauf des Handelns, also indirekt, relevanten ‚Gefühlslagen‘, wie etwa: ‚Würdegefühl‘, ‚Stolz‘, ‚Neid‘, ‚Eifersucht‘.” (Max Weber Wissenschaftslehre, S. 429f.).

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  33. Edmund Husserl, Cartesianische Meditationen, S. 92f. Gekennzeichnet wird mit Evidenz auch „eine Erfahrung von Seiendem und So-Seiendem, eben ein Es-selbst-geistig-zu-Gesicht-bekommen“ (ebd., S. 52). W. Reimer hat versucht, die phänomenologische Evidenzkonzeption nach folgenden Kriterien in eine übersichtliche Zusammenfassung zu bringen: die Vorbedingung der theoretischen Geltung; die Intentionalität, die materialen Bedingungen; Gegebenheit und Intention, die methodische Bedingung; die Systematik sowie die transzendentale Bedingung; das Erlebnis (des Selbstbewußtseins). Vgl. Wilhelm Reimer, „Der phänomenologische Evidenzbegriff‚, in: Kant-Studien 23/1919, S. 269–301.

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  34. Karl-Heinz Nusser, Kausale Prozesse und sinnerfassende Vernunft. Max Webers philosophische Fundierung der Soziologie und der Kulturwissenschaften, a.a.O., S. 182.

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  35. Iso Kern, Husserl und Kant. Eine Untersuchung über Husserls Verhältnis zu Kant und zum Neukantianisinus, a.a.O., S. 393f.

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  36. Edmund Husserl, Logische Untersuchungen, Bd. 1, S. 184. Zur Problematik der Evidenz bei Wundt siehe Wilhelm Wundt, Kleine Schriften. Erster Band, Leipzig 1910, passim. Vgl. auch Nicole D. Schmidt, Philosophie und Psychologie. Trennungsgeschichte, Dogmen und Perspektiven, a.a.O., S. 84ff.

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  37. Edmund Husserl, Cartesianische Meditationen, S. 95. Vgl. auch Wilhelm Reimer, „Der phänomenologische Evidenzbegrift“, a.a.O., S. 290ff., insbesondere S. 300f.

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  38. Edmund Husserl, Cartesianische Meditationen, S. 95f. ln diesem Sinne kann die Problematik der Evidenz nur „durch reflexive Analyse der noetisch-noematischen Strukturen des intentionalen Bewußtseins“ aufgeklärt werden. Vgl. Elisabeth Ströker, „Husserls Evidenzprinzip. Sinn und Grenzen einer methodischen Norm der Phänomenologie als Wissenschaft”, a.a.O., S. 13.

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  39. Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 116. D. Henrich erblickt Grund und Quelle dieser phänomenologischen Evidenz, die Weber die zugrundeliegende erkenntnistheoretische Möglichkeit der rationalen Verstehensmethode des menschlichen Handelns anbietet, „in dem Bewußtsein, das im anderen abgelaufene ‚Erleben‘ als mögliches eigenes denken zu können, um sich dadurch des gemeinsamen Ursprungs solchen verständlichen Tuns inne zu werden“: Dieter Henrich, Die Einheit der Wissenschaftslehre Max Webers, a.a.O., S. 37.

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  40. Dieter Henrich, Die Einheit der Wissenschaftslehre Max Webers, a.a.O., S. 37. Vgl. Auch Edmund Husserl, Cartesianische Meditationen, S. 98.

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  41. Vgl. hierzu Johannes Weiß, „Das Verstehen des Lebens und die verstehende Soziologie (Dilthey und Weber)“, a.a.O., S. 363.

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  42. In diesem Punkt ist D. Henrich weitgehend zuzustimmen, wenn er formuliert: „Verstehen meint also ein abständiges Eingehen auf das Eigentliche dessen, zu dem es sich im Abstand befindet. Indern sich das Verstehen in der Distanz vom zu Verstehenden hält, kann es dem Erlebnis zum Bewußtsein seiner selbst verhelfen. Das Verstehen deckt auf, indem es sich nicht selbst in die Verstecktheit des bloßen Erlebens flüchtet. Es vollzieht sich in der bewußt gewahrten Kühle, bei der eigener Affekt ausgeschaltet bleibt.“ (Dieter Henrich, Die Einheit der Wissenschaftslehre Max Webers, a.a.O., S. 41).

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  43. C. Antoni charakterisiert die religionssoziologischen Studien Webers, wobei es einerseits um die asketische protestantische Ethik in ihrer Bedeutung für die okzidentale Entwicklungsgeschichte und andererseits um die wichtigen Weltreligionen im vergleichenden Hinblick auf die Besonderheiten und Eigentümlichkeiten des Protestantismus geht, als „eine Reihe von negativen Experimenten“. Vgl. Carlo Antoni, Vom Historismus zur Soziologie, Stuttgart 1950, S. 219.

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  44. Dies weist auf Webers Intention hin, das kultur- und sozialwissenschaftliche Erkenntnisziel mit dem durch die moderne Naturwissenschaften errungenen streng-exakten Wissenschaftlichkeitsideal zu verbinden. Vgl. hierzu Karl-Otto Apel, Die Erklären:VerstehenKontroverse in transzendentalpragmatischer Sicht, Frankfurt am Main 1979, S. 40. Für Weber ist die Bedeutung der naturwissenschaftlichen Erkenntnismethode viel größer als im allgemeinen angenommen wird. Weber ist zwar fest davon überzeugt, daß die Naturwissenschaften seiner Soziologie keinen Gegenstand und keine Methode, oder anders ausgedrückt: keine Grundlage der soziologischen Erkenntnis ermitteln können, dennoch sieht er gerade in ihnen dos Vorbild der empirischen Wissenschaften. Dies macht Weber auf dem 1. Deutschen Soziologentag in Frankfurt 1910 sehr deutlich: „Wir als Männer der empirischen Wissenschaft“ — so heißt es dort — „haben ja gerade von den Naturwissenschaften gelernt, und werden hoffentlich noch mehr lernen, die Art, mit denen sie Fakta eben rein als Fakta zu behandeln pflegt. Auf diesem Gebiete liegen die Unterschiede der empirischen Wissenschaften nicht”: Max Weber, „Geschäftsbericht und Diskussionsreden auf dein ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt“ von 1910, S. 482 u. S. 478. Dem entspricht, daß Webers Behandlungsweise des Erkenntnisobjekts den Naturwissenschaften näher als den damals gängigen historischen und Sozialwissenschaften steht: Während die letzteren basierend auf der ontologischen Unterscheidung von Natur- und Geisteswelt die Möglichkeit der Berechenbarkeit und Zerlegbarkeit von Persönlichkeit und Handeln leugnen, betrachtet Weber die soziale Welt als wissenschaftliches Erkenntnisobjekt wie die „tote Natur”, die nach dem Erkenntnisinteresse und -ziel des Wissenschaftlers zerlegt, synthetisiert sowie beurteilt wird. Denn die „Zurechnung ‚verständlicher‘ Vorgänge erfolgt nach logisch ganz denselben Grundsätzen wie die Zurechnung von Naturereignissen“. Für ihn gibt es also „innerhalb des Kausalitätsprinzips auf dein Boden des Empirischen nur einen Knick: er liegt da, wo die Kausulgleichung als mögliches oder als ideales Ziel der wissenschaftlichen Arbeit endet”: Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 139, S. 133 u. S. 135, Anm. Diese Stellungnahme Webers zur naturwissenschaftlichen Erkenntnis spiegelt die damalige wissenschaftliche Situation in Deutschland wider, daß zur Entwicklung ‚einer‘ empirischen Soziologie viele sich nicht auf das empirisch handelnde Subjekt beziehende geistes- und sozialwissenschaftliche Traditionen zu bekämpfen sind. Vgl. dazu Joseph A. Schumpeter, „Max Webers Werk“, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft 7/1963: Max Weber zum Gedächtnis, S. 64–71, hier: S. 67.

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  45. Ebd., S. 149. Angesichts dieser zentralen Position des zweckrationalen Verstehens bei Weber kann man „statt von einem ‚Hilfsmittel‘ auch von einem ‚ersten Grundprinzip‘ oder sogar vom Fundamentalprinzip Webers“ sprechen. Vgl. Karl-Heinz Nusser, Kausale Prozesse und sinnerfassende Vernunft. Max Webers philosophische Fundierung der Soziologie und der Kulturwissenschaften, a.a.O., S. 166.

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  46. Vgl. zur Verstehensmethode bei der Grenznutzenschule Ludwig M. Lachmann, „Die geistesgeschichtliche Bedeutung der österreichischen Schule in der Volkswirtschaftslehre“, in: Zeitschrift für Nationalökonomie 26/1966, S. 152–167.

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  47. Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 92ff., S. 146, S. 426 u. ders., Wirtschaft und Gesellschaft, S. I. Vgl. auch Klaus Lichtblau, „Das Verstehen des Verstehens. Georg Simmel und die Tradition einer hermeneutischen Kultur- und Sozialwissenschaft“, a.a.O., S. 28. Mit der modernen Logik hat Weber offensichtlich die der Kantischen Philosophie entspringende subjektivistische Erkenntnislogik vor Augen, nach der das erkennende Subjekt angesichts der Unendlichkeit und Sinnlosigkeit des zu erkennenden Objekts diesem Ordnung und Struktur sowie Sinn verleiht. Daß Weber hinsichtlich der Verstehensmethodik mit der traditionellen hermeneutischen Tradition gebrochen hat, steht in engem Zusammenhang mit dein Tatbestand, daß er kaum Bezug auf Dilthey nimmt, der die umfangreichste und systematischste hermeneutische Theorie des Verstehens entworfen hatte.

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  48. Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (2. Auflage) , S. 7, S. 20f. u. S. 38; vgl. auch Klaus Lichtblau, „Simmel, Weber und die ‚verstehende‘ Soziologie“, a.a.O., S. 145f.

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  49. Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 439. In diesem Diskussionszusammenhang ist K.-H. Nusser zuzustimmen, wenn er behauptet: „Berücksichtigt man, daß bei Simmel das ‚Psychologische‘ nicht Gegenstand der wissenschaftlichen Psychologie, sondern des die historische Wirklichkeit verstehend und forschend betrachtenden Menschen ist, dann ist die Differenz der Weberschen Position zu der von Simmel geringfügig.“ (Karl-Heinz Nusser, Kausale Prozesse und sinnerfassende Vernunft. Max Webers philosophische Fundierung der Soziologie und der Kulturwissenschaften, a.a.O., S. 188).

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  50. Simmel meint, „daß man kein Cäsar zu sein braucht, um Cäsar wirklich zu verstehen, und kein zweiter Luther, um Luther zu begreifen“: Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (2. Auflage), S. 57. Die Frage nach der Möglichkeit, Cäsar zu verstehen bzw. Luther zu begreifen, hat Simmel „zu einer Art biologischer Umformung des platonischen Anamnesis-Gedanken” geführt (Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 100, Anm. 2). Damit hat Weber die folgende Formulierung Simmels vor Augen: „Wenn wir längst entschwundene Menschen mit der ganzen Fülle ihrer innerlichsten Triebe in uns nachbilden, wenn uns aus der fragmentarischen Überlieferung ihr Charakter entgegenblickt, der sich unter völlig fremden, nie von uns angeschauten Verhältnissen gebildet hat, so ist es offenbar vergebens, diese Fähigkeit aus den Erfahrungen des individuellen Lebens erklären zu wollen, ebenso wie man die Zweckmäßigkeit instinktiver Bewegungen oder Richtung und Richtigkeit sittlicher Impulse nicht aus dieser Quelle herleiten kann. Wie aber unser Körper die Errungenschaften vieltausendjähriger Entwicklung in sich schließt und in den rudimentären Organen noch unmittelbar die Spuren früherer Epochen bewahrt, so enthält unser Geist die Resultate und die Spuren vergangener psychischer Prozesse von den verschiedenen Stufen der Gattungsentwicklung her; nur daß die Rudimente, die psychischen Wert haben, gelegentlich noch zweckmäßig funktionieren. Das ganze Maß unseres Verständnisses auch für solche Mitlebende, die von unserer eigenen Sinnesart sehr abweichen, mag daher kommen, daß unsere Erbschaft von der Gattung außer unserem wesentlichen Charakter doch noch Spuren anderer Ahnencharaktere enthält und uns so das Verstehen — d. h. das Vollziehen der gleichen psychischen Prozesse wie jene — ermöglicht.“ (Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie [2. Auflage], S. 59f.).

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  51. Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (2. Auflage), S. B.

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  52. Max Weber et al., „Geleitwort“ der Herausgeber zum Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 19/1904, S. VI.

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  53. Vgl. auch Dirk Käsler, Max Weber. Eine Einführung in Leben, Werk und Wirkung, a.a.O., S. 229f.

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  54. Georg Simnel, Soziologie, S. 31, Anm. I. Vgl. zu Simmels fragmentarischem Argumentationsstil etwa: Lewis A. Coser, „Georg Simmel‘s Style of Work: A Contribution to the Sociology of the Sociologist“, in: The American Journal of Sociology 63/1958 (DurkheimSimmel Commemorative Issue). S. 635–640; Charles D. Axelrod, ,, ‚Toward an Appreciation of Simmel‘s Fragmentary Style”, in: The Sociological Quarterly 18/1977, S. 185–196.

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  55. Max Weber, „Georg Simmel als Soziologe und Theoretiker der Geldwirtschaft“, S. IOf. Vgl. zu Webers Auffassung der Sozialwissenschaft als Wirklichkeitswissenschaft, die gesellschaftliche und geschichtliche Erscheinungen und Geschehnisse in ihrer Eigenart und in ihrem Kausalzusammenhang zu betrachten hat: Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 170f. Hier sei ganz kurz darauf hingewiesen, daß sich Weber in seiner Habilitationsschrift über Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht aus dem Jahre 1891 auf die Analogiemethode bezog, die darin besteht, die bereits geklärten späteren Verhältnisse auf die noch nicht geklärten früheren Verhältnisse zu übertragen, und zwar mit dein Erkenntnisziel, „eine Anschauung von den Ausgangspunkten der agrarischen Entwicklung Roms zu gewinnen” (Max Weber, Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht: Max Weber Gesamtausgabe 1/2, Tübingen 1988, S. 97). Dementsprechend hat Weber in der Tat den Meitzenschen Begriff der „Flurgemeinschaft“ bezüglich der germanischen Agrarverfassung auf die römischen Agrarverhältnisse angewendet. Entscheidend ist dabei jedoch der Sachverhalt, daß sich Weber bereits in seinem Artikel Agrarverhältnisse im Altertum für die erste Auflage (1897) und für die zweite Auflage (1898) des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften von dieser Untersuchungsmethode distanziert hat. Angesichts der historischen Eigenart jeder Erscheinung und deren besonderen Kausalzusammenhangs ist die Analogie — so nun Weber — „gänzlich unverläßlich und oft deshalb direkt schädlich für die unbefangene Erkenntnis” (Max Weber, „Agrarverhältnisse im Altertum“, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften 1898: 2. Auflage, S. 57–85, hier: S. 59). Mehr noch: In der 3. Auflage des soeben genannten Wörterbuchartikels aus dem Jahre 1909 sagt Weber, daß seine Analogiebildung der römischen Agrargeschichte mit derjenigen der germanischen Gesellschaft Resultat seiner „Jugendsünde” sei, so daß er „in manchen von Anfang an auf irrigem Weg“ gewesen sei (Max Weber, „Agrarverhältnisse im Altertum”, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, Tübingen 1988 [2. Auflage, zuerst: 1924], S. 1288, hier: S. 287). Vgl. zur analogisierenden Methode Webers in seinen Antikestudien Duk-Yung Kim, Der Weg zum sozialen Handeln, a.a.O., S. 4ff.

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  56. Diesbezüglich Schrader-Kleberz, die Simmels soziologische Aprioritäten, die im kleinen Exkurs Wie ist Gesellschaft möglich? erkenntnistheoretisch-sozialontologisch entwickelt wurden, als „die methodische Realisierung der regulativen Idee der Gesellschaft“ begreift; sie haben also „nicht nur die Funktion, Phänomenalität und Faktizität in soziologische Bestimmtheit aufzuheben, sondern auch die Grenzen und damit die unautholbaren Voraussetzungen der phänomenologischen Bestimmtheit aufzuweisen”: Karin Schrader-Kleberz, „Der Begriff der Gesellschaft als regulative Idee. Zur transzendentalen Begründung der Soziologie bei Georg Simmel“, a.a.O., S. 110.

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  57. Bereits 1958 hat Friedrich H. Tenbruck darauf hingewiesen, daß diese „idealtypische oder: „typisierende“ — Methode nicht nur bei Weber allein, sondern vielmehr in den Sozialwissenschaften des 19. Jahrhunderts eine sehr wichtige Position gehabt hatte: „Das methodische Problem, ja die Eigenart solcher Begriffsbildung im Gegensatz zu bloßen Allgemein- und Durchschnittsbegriffen erkannt zu haben, gilt als Verdienst Max Webers. Richtig ist, daß Max Weber diesem methodischen Problem die erste systematische und ausführliche Betrachtung gewidmet hat. Nicht richtig dagegen ist, daß er als erster die Eigenart dieser Begriffe, ihre Problematik und Bedeutung gesehen hat.” Was spezifisch Simmel anbelangt, hat er — so Tenbruck — in seinen soziologischen Studien, in seiner Philosophie des Geldes und auch in seiner Geschichtsphilosophie von der typisierenden Methode gesprochen und auch zugleich angewendet. „Ist es möglich“, so fragt Tenbruck in diesem Zusammenhang weiterhin — „daß Max Weber, eingeklemmt in die sich zuspitzende Problematik des Methodenstreits seines Faches, über der Lektüre Simmels die volle Bedeutung der dort gegebenen Ansätze aufgestiegen ist? Weberinterpretation weiß davon freilich nichts zu melden. Sie hat auch hier völlige Urschöpfung vorausgesetzt. Bei Weber selbst aber liest es sich anders.” Als Beleg dafür, daß Simmel eine idealtypische Methode praktiziert hat, zitiert Tenbruck unter anderem den folgenden Satz aus der Philosophie des Geldes: ,,...auch unsere Begriffe von den Dingen bilden wir unzählige Male so, daß die Erfahrung sie in dieser Reinheit und Absolutheit überhaupt nicht zeigen, sondern daß erst Abschwächung und Einschränkung durch entgegengesetzt gerichtete ihnen eine empirische Form geben kann. Darum sind jene Begriffe nicht etwa verwerflich, sondern gerade durch dies eigentümliche, exaggerierende und wieder reduzierende Verfahren an Begriffen und Maximen kommt das unserer Erkenntnis beschiedene Weltbild zustande. Die Formel, mit der unsere Seele zu der ihr unmittelbar nicht zugängigen Einheit der Dinge gleichsam nachträglich nachbildend, ein Verhältnis gewinnt, ist, im Praktischen wie im Theoretischen, ein primäres Zusehr, Zuhoch, Zurein, dem zurückdämmende Gegensätze die Consistenz und den Umfang der Wirklichkeit wie der Wahrheit eintragen. So bleibt der reine Begriff ... völlig gerechtfertigt, obgleich die historische Wirklichkeit immer nur als Herabsetzung dieses Begriffes vermittels des entgegengesetzten ... auftritt. Unser Intellekt kann nun einmal das Maß der Realität nur als Einschränkung reiner Begriffe ergreifen und begreifen, die sich, wie sie auch von der Wirklichkeit abweichen, durch den Dienst legitimieren, den sie der Deutung dieser leisten.“ (Georg Simmel, Philosophie des Geldes, S. 135). Gegen die Hauptströmung, die Webersche Methodologie mit der neukantianischen Philosophie wie etwa Windelband und Rickert zu verknüpfen, vertritt Tenbruck die Meinung, daß Simmels methodische Ansätze den Weberschen Idealtypus beeinflußt hätten, daß die Methodenlehre Webers über Simmel weiterhin bis auf Diltheys Thema „im Besonderen das Allgemeine zu zeigen” zurückzuführen sei. Vgl. Friedrich H. Tenbruck, „Georg Simmel (1858–1918)“, a.a.O., S. 608f. Die von Tenbruck unterstellte Betrachtung von Dilthey, Simmel und Weber in einer kontinuierlichen Tradition scheint dennoch — im Lichte dessen, was wir bereits oben im Diskussionszusammenhang über die Verstehensmethodik ausführlich dargestellt haben — nicht begründet zu sein. Neben — und zugleich auch im Anschluß an — Tenbruck sieht auch J. Weiß die Affinität Simmels zur Weberschen idealtypischen Methode. Vgl. dazu Johannes Weiß, „Georg Simmel, Max Weber und die ‚Soziologie, a.a.O., S. 42. Überdies vertritt M. Maffesoli die Auffassung, daß die Form in der Simmelschen Soziologie die methodologische Funktion und Bedeutung des Idealtypus im Weberschen Sinne hat. Denn die Form ist das gedanklich konstruierte Unwirkliche zwecks der Erkenntnis des Wirklichen. Vgl. Michel Maffesoli, „Ein Vergleich zwischen Emile Durkheim und Georg Simmel”, in: Otthein Rammstedt (Hrsg.), Simmel und die frühen Soziologen. Nähe und Distanz zu Durkheim, Tönnies und Max Weber, Frankfurt am Main 1988, S. 163–180, hier: S. 170ff. Ferner ist Detlev Peukert erwähnenswert, der die Auffassung vertritt, daß „wie Weber selbst formuliert, ‘die exakte logische Formulierung‘ Rickerts auf ‚Ansätzen‘ Mengers, Diltheys, Simmels und Windelbands“ basiert: „Georg Simmel zumal hat in seiner Arbeit von 1892, also zehn Jahre vor Rickert, über ‘Die Probleme der Geschichtsphilosophie‘ sowohl die begriffliche Unterscheidung von ‚Gesetzes- und Wirklichkeitswissenschaften‘ geprägt, wie auch die des wertbezogenen Erkenntnisinteresses und das Konzept einer dem Idealtypus Webers vergleichbaren Begriffsbildung vorgeschlagen. Ebenso finden sich Ansätze einer Methode des rationalen Verstehens sinnhaften sozialen Handelns.” (Detlev J. K. Peukert, Max Webers Diagnose der Moderne, a.a.O., S. 16).

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  58. Weber klassifiziert die Erkenntnistheorie Simmels zusammen mit der neukantianischen Erkenntnistheorie von Windelband und Rickert in die Kategorie der „modernen“ Logik. Von dieser Stellungnahme ausgehend hat Weber für die Entwicklung seiner eigenen Methodenlehre neben Windelband und Rickert auch von der Simmelschen Erkenntnislogik profitiert. Auf den ersten Blick fällt auf, daß Weber im Gegensatz zur Anerkennung von Simmels Erkenntnislogik seiner soziologischen Methode gegenüber kritisierend und negierend steht. Dies impliziert, daß Weber einen seiner bedeutendsten Zeitgenossen eher für einen Philosophen als für einen Soziologen hält. Nicht von geringer Bedeutung ist diese Stellungnahme Webers zu Simmel insofern, als Weber die Moderne für das Zeitalter der empirischen Wissenschaften hält und sich der Philosophie durchweg als logisches Hilfsmittel zur Entwicklung der erfahrungswissenschaftlichen Methodologie bedient.

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  59. Vgl. zur ideengeschichtlichen Konstellation des Idealtypus bei Weber: Bernhard Pfister, Die Entwicklung zum Idealtypus. Eine methodologische Untersuchung über das Verhältnis von Theorie und Geschichte bei Menger, Schmoller und Max Weber, Tübingen 1928, Eugen Seiterich, Die logische Struktur des Typusbegriffes bei Wilhelm Stern, Eduard Spranger und Max Weber, Freiburg 1930 (Dissertation), S. 15ff., Werner Bienfait, Max Webers Lehre vom geschichtlichen Erkennen. Ein Beitrag zur Frage der Bedeutung des „Idealtypus“ für die Geschichtswissenschaft (Historische Studien 194) 1930, S. 73ff., Friedrich H. Tenbruck, „Die Genesis der Methodologie Max Webers”, S. 588 u. S. 623ff., Judith Janoska-Bendl, Methodologische Aspekte des Idealtypus. Max Weber und die Soziologie der Geschichte, Berlin 1965, S. 17ff., Thomas Burger, Max Weber‘s Theory of Concept Formation. History, Laws, and Ideal Types, a.a.O., S. 140ff., Wolfgang Schluchter, Religion und Lebensführung, Bd. 1, a.a.O., S. 52ff., Duk-Yung Kim, Der Weg zum sozialen Handeln, a.a.O., S. 152ff. sowie Milo§ Havelka, „Bis zu welchem Punkt kann man Max Weber neukantianisch nennen?“, in: Ernst Wolfgang Orth & Helmut Holzhey (Hrsg.), Neukantianismus. Perspektiven und Probleme, Würzburg 1994, S. 286–295, hier: S. 294f. Zu nennen sind neben dem Methodenstreit zwischen Menger und Schmoller als weitere ideengeschichtliche Hintergründe für die Entwicklung des Weberschen Idealtypus die wissenschaftlich-philosophischen Kontroversen um die Jahrhundertwende: die Kontroverse im Rahmen der Schulen des „Neoidealismus” (Wilhelm Dilthey, Edmund Husserl, Georg Simmel) und des „Neokantianismus“ (Heinrich Rickert, Rudolf Stammler, Wilhelm Windelband). Vgl. Dirk Käsler, Max Weber, Eine Einführung in Leben, Werk und Wirkung, a.a.O., S. 230.

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  60. Max Weber, Grundriß zu den Vorlesungen über Allgemeine („theoretische“) Nationalökonomie, S. 29f.

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  61. Max Weber, „Geschäftsbericht und Diskussionsreden auf dein ersten Deutschen Soziologentag in Frankfurt“ von 1910, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, Tübingen 1988 (2. Auflage, zuerst: 1924), S.431–483, hier: S. 483.

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  62. Carl Menger, Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften, und der politi‑ schen Ökonomie insbesondere, S. 68.

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  63. Carl Menger, „Zur Kritik der Politischen Oekonomie ‚ (1887), in: Gesammelte Werke, Bd. 3, Tübingen 1970, S. 99–131, hier: S. 128. Dies ergibt sich zunächst aus Mengers Position, daß er sich weniger für das erkenntnistheoretische Problem als die konkreten Theoriebildungen zum ökonomischen Leben interessiert: Die theoretische Volkswirtschaftslehre hat, so ist seine Meinung, ihre Aufgabe „das generelle Wesen und den generellen Zusununenhang der volkswirthschaftlichen Erscheinungen zu erforschen, nicht etwa die volkswirthschaftlichen Begrifft zu analysieren und die aus dieser Analyse sich ergebenden Consequenzen zu ziehen“ (Carl Menger, Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften, und der politischen Ökonomie insbesondere, S. 6, Anm. 4); sodann kann der ideengeschichtliche Zusammenhang des Mengerschen Gedankens hinzugefügt werden. 1m Anschluß an die Aristotelische Ontologie glaubt Menger, daß die Dinge der Welt unabhängig von der reflexiven Aktivität des menschlichen Geistes und denjenigen verständlich sind, die mit ihnen vertraut sind. Vgl. dazu: Barry Smith, „Preface: Austrian Economics from Menger to Hayek”, in: Wolfgang Grassi & Barry Smith (edited), Austrian Economics. Historical and philosophical Background, London/Sydney 1986, S.VII-X; ders., „Austrian Economics and Austrian Philosophy“, in: dems., S.1–36; ders., „Aristotle, Menger, Mises: an essay in the metaphysics of economics”, in: Bruce J. Caldwell (edited), Carl Menger and his legacy in economics, Durham/London 1990, S.263–288.

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  64. Ebd., S. 146, Anm. Deshalb ist der Verzicht auf die Erkenntnistheorie bei Weber nicht gleichbedeutend mit deren Auflösung in die Methodologie. Obwohl nicht deutlich getrennt vom Terminus „Methodologie“, verwendet er dennoch in seiner Wissenschaftslehre den Terminus „Erkenntnistheorie”. Vgl. Johannes Weiß, Max Webers Grundlegung der Soziologie, a.a.O., S. 182, Anm. 91.

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  65. Die deutsche historische Schule der Nationalökonomie, als deren „Kind“ er wissenschaftlich groß geworden ist, kritisiert Weber als zur antik-scholastischen Erkenntnislehre gehörend, und zwar in dein Maße, daß sie die Meinung vertritt, „es sei das Endziel, der Zweck, jeder Wissenschaft, ihren Stoff in einem System von Begriffen zu ordnen, deren Inhalt durch Beobachtung empirischer Regelmäßigkeiten, Hypothesenbildung und Verifikation derselben zu gewinnen und langsam zu vervollkommnen sei, bis irgend wann eine ‘vollendete‘ und deshalb deduktive Wissenschaft daraus entstanden sei. Für dieses Ziel sei die historisch-induktive Arbeit der Gegenwart eine durch die Unvollkommenheit unserer Disziplin bedingte Vorarbeit: nichts muß naturgemäß vorn Standpunkt dieser Betrachtungsweise aus bedenklicher erscheinen als die Bildung und Verwendung scharfer Begriffe, die ja jenes Ziel einer fernen Zukunft voreilig vorwegzunehmen trachten müßte. — Prinzipiell unanfechtbar wäre diese Auffassung auf dem Boden der antik-scholastischen Erkenntnislehre, welche denn auch der Masse der Spezialarbeit der historischen Schule noch tief im Blute steckt: als Zweck der Begriffe wird vorausgesetzt, vorstellungsmäßige Abbilder der ‚objektiven‘ Wirklichkeit zu sein; daher der immer wiederkehrende Hinweis auf die Unwirklichkeit aller scharfen Begriffe” (Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 208). Siehe über die Methode der deutschen historischen Schule der Nationalökonomie unter anderem: Ulla G. Schäfer, Historische Nationalökonomie und Sozialstatistik als Gesellschaftswissenschaften. Forschungen zur Vorgeschichte der theoretischen Soziologie und der empirischen Sozialforschung in Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Köln/Wien 1971, S. 89ff. u. Duk-Yung Kim, Der Weg zum sozialen Handeln, a.a.O., S. 123ff.

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  66. Vgl. Dieter Henrich, Die Einheit der Wissenschaftslehre Max Webers, a.a.O., S. 85ff., insbesondere S. 90f.

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  67. Tracy B. Strong, „Max Weber und Sigmund Freud: Berufung und Selbsterkenntnis“, in: Wolfgang J. Mommsen & Wolfgang Schwentker (Hrsg.), Max Weber und seine Zeitgenossen, Göttingen/Zürich 1988, S. 640–660, hier: S. 648.

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  68. Vgl. Weber, Wissenschaftslehre, S. 213. Tenbruck zufolge ist das eigentliche Ziel des „Objektivitätsaufsatzes“ der „Verzicht auf Objektivität”. Vgl. dazu Friedrich H. Tenbruck, „Die Genesis der Methodologie Max Webers“, a.a.O., S. 602.

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  69. Dieter Henrich, Die Einheit der Wissenschaftslehre Max Webers, a.a.O., S. 85 u. Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 193.

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  70. Das Verstehen und der Idealtypus, die zwei Formen der „Selbstorientierung der Vernunft“, bilden zusammen „die Grundlage der Verstehenden Soziologie”; sie sind „die komplementären ‚schöpferischen‘ Quellen der Verstehenden Soziologie“, oder die „methodischen Pendante”. Vgl. Karl-Heinz Nusser, Kausale Prozesse und sinnerfassende Vernunft. Max Webers philosophische Fundierung der Soziologie und der Kulturwissenschaften, a.a.O., S. 237, S. 241 u. S 245.

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  71. Dieter Henrich, Die Einheit der Wissenschaftslehre Max Webers, a.a.O., S. 98ff.; Johannes Weiß, Max Webers Grundlegung der Soziologie, a.a.O., S. 65ff. Nusser versucht den Idealtypus philosophisch zu interpretieren: „Das Prinzip der transzendentalen Freiheit“ bildet „das Zentrum und den transzendentalen Ursprung des Ideal-typus”, ein Prinzip, das Weber bis auf Ricken und Kant zurückführt. Vgl. Karl-Heinz Nusser, Kausale Prozesse und sinnerfassende Vernunft. Max Webers philosophische Fundierung der Soziologie und der Kulturwissenschaften, a.a.O., S. 235ff., insbesondere S. 238ff. Sinnvoll ist solch eine Deutung in systematischer Hinsicht — und sie kann sicherlich die Weberforschung bereichern — insofern, als man die transzendentale Freiheit so interpretiert, daß der Mensch für Weber ein vernünftiges Wesen ist. Nur: Eine transzendentalphilosophische Überlegung und Reflexion über die Grundlagen der Kulturwissenschaft und Soziologie liegt Weber ganz fern. Von vornherein hat er unverkennbar betont, daß die wirklichkeitswissenschaftliche Betrachtung des menschlichen Handelns allenfalls von der empirischen Freiheit auszugehen hat. Empirisch im doppelten Sinne, daß der Mensch einmal als Persönlichkeit handelt, und zum anderen nur in den sozialen Bedingtheiten. Nicht zufällig stellt Weber den Kulturmenschen als transzendentale Voraussetzung jeder Kulturwissenschaften; nicht zufällig greift Weber in seinen methodologischen Schriften ständig das zweckrationale Handeln auf, ein Handlungstypus, der durch den empirisch freien Kulturmenschen — auch und gerade durch das frühe okzidentale Wirtschaftsbürgertum — geführt wird. Frei ist der zweckhandelnde Mensch, wenn er in der Lage ist, nach seinem subjektiven Sinn und Wert sowie mit Berücksichtigung der Handlungssituation den Zweck seines Handelns zu bestimmen, die dafür erforderlichen Mittel einzusetzen und schließlich Folgen der Handlung zu bewerten. Eine transzendentalphilosophische Diskussion der kulturwissenschaftlichen und soziologischen Grundlagen würde nur eine unbegründete Übertragung der erkenntnistheoretischen Prinzipien, welche die apriorische Form des menschlichen Verstandes darstellen, auf das soziale Kulturleben zur Folge haben, das auf dem empirischen Boden vollzogen wird.

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  72. Vgl. Thomas Schwinn, „Max Webers Konzeption des Mikro-Makro-Problems“, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 45/1993, S. 220–237. Aufgrund des Abstraktionsniveaus der Begriffsbildung kann man mit gutem Grunde zwischen den „historischen” und „soziologischen“ Idealtypen unterscheiden. Vgl. hierzu etwa: Alexander von Schelting, „Die logische Theorie der historischen Kulturwissenschaft von Max Weber und im besonderen sein Begriff des Idealtypus”, a.a.O., Andreas Walter, „Max Weber als Soziologe“, in: Jahrbuch für Soziologie 2/1926, S. 1–65, Bernhard Pfister, Die Entwicklung zum Idealtypus. Eine methodologische Untersuchung über das Verhältnis von Theorie und Geschichte bei Menger, Schmoller und Max Weber, a.a.O., S. 170ff., Hans Freyer, Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft. Logische Grundlegung des Systems der Soziologie, Leipzig/Berlin 1930, S. 149f., Eugen Seiterich, Die logische Struktur des Typusbegriffes bei Wilhelm Stern, Eduard Spranger und Max Weber, a.a.O., S. 124ff. sowie Raymond Aron, Hauptströmungen des soziologischen Denkens, Bd. 2: Emile Durkheim, Vilfredo Pareto, Max Weber, Köln 1971, S. 195. Ferner über die unterschiedlichen Arten des Idealtypus siehe Thomas Burger, Max Weber‘s Theory of Concept Formation. History, Laws, and Ideal Types, a.a.O., S. 130ff.

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  73. “Das Verbindende aller dieser und aller außerdem denkbaren Möglichkeiten ist an dem zentralen Fall ‚Idealtypus von Ideen‘ abzulesen.” (Johannes Weiß, Max Webers Grundlegung der Soziologie, a.a.O., S. 71).

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  74. Max Weber, Wissenschaftslehre, S. 190f. u. S. 192. Der Tausch z. B. — so formuliert Weber im Aufsatz R. Stammlers „Überwindung“ der materialistischen Geschichtsauffssung aus dem Jahre 1907 — ist Idee des modernen ökonomischen Kulturlebens: „wir können fragen, welche gedanklichen Konsequenzen in dem ‚Sinn‘, den ‚wir‘ — die Betrachtenden — einem konkreten Vorgang dieser Art zusprechen, gefunden werden können oder wie sich dieser ‚Sinn‘ einem umfassenderen ‚sinnvollen‘ Gedankensystem einfügt. Von diesem so zu gewinnenden ‚Standpunkt‘ aus können wir alsdann eine ‚Wertung‘ des empirischen Ablaufs des Vorgangs vornehmen. Wir könnten z. B. fragen: wie ‚müßte‘ das ‚ökonomische‘ Verhalten Robinsons sein, wenn es in seine letzten gedanklichen ‘Konsequenzen‘ getrieben würde. Das tut die Grenznutzlehre. Und wir könnten dann sein empirisches Verhalten an jenem gedanklich ermittelten Standard ‚messen‘. Und ganz ebenso können wir fragen: wie ‚müßten‘ sich die beiden ‚Tauschenden‘ nach äußerlichem Vollzug der Hingabe der getauschten Objekte von beiden Seiten nun weiter verhalten, damit ihre Gebarung der ‚Idee‘ des Tausches entspreche, d. h. damit wir sie den gedanklichen Konsequenzen des ‚Sinns‘, den wir in ihrem Handeln fanden, konform finden könnten. Wir gehen also dann von der empirischen Tatsache aus, daß Vorgänge bestimmter Art mit einem gewissen, nicht im einzelnen klar durchdachten, sondern unklar vorschwebenden ‚Sinn‘ vorstellungsmäßig verbunden faktisch vorkommen, verlassen aber alsdann das Gebiet des Empirischen und fragen: wie läßt sich der ‚Sinn‘ des Handelns der Beteiligten derart gedanklich konstruieren, daß ein in sich widerspruchsloses Gedankenbilde entsteht?” (ebd., S. 333f.).

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  75. Nach D. Henrich ist die Erkenntnis der Ideen „die vorzüglichste Aufgabe“ des Verstehens und der Idealtypus ist „ein Mittel” dieses Verstehens. Vgl. Dieter Henrich, Die Einheit der Wissenschaftslehre Max Webers, a.a.O., S. 97.

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  76. Ebd., S. 190. Der Status der idealtypischen Konstrukte gegenüber den Hypothesen kann man als den von „Hypothesen-Hypothesen“ kennzeichnen, denn sie genießen im Gegensatz zu den direkt empiriebezogenen konkreten Forschungshypothesen „einen quasi-transzendentalen Status”. Vgl. Johannes Weiß, Max Webers Grundlegung der Soziologie, a.a.O., S. 76.

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  77. Im folgenden wird der Versuch unternommen, Simmels Begründung der Soziologie nach der logischen Reihenfolge des Begriffsbildungsprozesses von Perspektive der Soziologie (Individuen in der Gesellschaft), über ihre Begrifflichkeit (Wechselwirkung) zu ihrem Gegenstand (Form der Wechselwirkung) zu rekonstruieren. Entnommen ist dieses Verfahren: Erhard Stölting, Akademische Soziologie in der Weimarer Republik, Berlin 1986, S. 43ff.

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  78. Vgl. Leopold von Wiese, Geschichte der Soziologie, Berlin 1971 (9. Auflage, zuerst: 1926), S. 125.

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  79. Georg Simmel, Grundfragen der Soziologie, S. 27. R. Aron kennzeichnet Simmels formale Soziologie zu unrecht als „eine Art Geometrie der sozialen Welt“. Aber auf der anderen Seite ist er zuzustimmen, wenn er sagt, daß in der Simmelschen Soziologie „eine doppelte Antinomie” zum Ausdruck kommt: „die von Atom und Ganzheit und die von Individualismus und Massenherrschaft“. Vgl. Raymond Aron, Die deutsche Soziologie der Gegenwart. Systematische Einführung in das soziologische Denken, Stuttgart 1969, S. 2 u. S. 7.

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  80. Ebd., S. 28 u. Georg Simmel, Soziologie, S. 20. Zur Bedeutung der Form für die Sinuuelsche Soziologie vgl. ausführlich Maria Steinhoff, „Die Form als soziologische Grundkategorie bei Georg Simmel“, in: Kölner Vierteljahrshefte für Soziologie 4/1924–25, S. 215–259.

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  81. Georg Simmel, Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie (2. Aufgabe), S. 40.

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  82. Ferdinand Fellmann („Georg Simmels Persönlichkeitsbegriff als Beitrag zur Theorie der Moderne“, a.a.O., S. 317ff.) hat die Bedeutung und Funktion der Persönlichkeitskonzeption für die historische Erkenntnis bei Simmel gerade am Beispiel von dessen Goethebuch dargestellt. Daran schließt sich die folgende Darstellung an.

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Kim, DY. (2002). Die methodologischen Grundlagen Simmels und Webers. In: Georg Simmel und Max Weber. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10146-8_7

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