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Wer schaukelt das Kind? Vergeschlechtlichtes Elternverhalten

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Book cover Gender-Paradoxien

Part of the book series: Reihe Geschlecht und Gesellschaft ((GUG,volume 15))

  • 209 Accesses

Zusammenfassung

Ende 1992 wurde in der Negev-Wüste in Israel eine einzigartige kleine Tonfigur gefunden, zwölf Zentimeter groß, dreitausend Jahre alt (Ronnen 1992). Sie zeigt Inneres und Äußeres eines Frauenkörpers. Ihre Arme bilden ein Oval, das sich wie ein Mutterleib um Zwillingsembryos legt, die an ihren Brüsten hängen, und ihre Hände öffnen die Vulva, um die Geburt einzuleiten. Ihr ausdrucksvolles Gesicht ist von Haaren umrahmt. Auf ihren beiden Hüften stehen je ein Steinbock neben einem Baum, in vielen Kulturen des Mittleren Ostens das Symbol von Leben, Wachstum und Fruchtbarkeit. Die Figur könnte eine kanaanitische Göttin namens Ashera darstellen, Frau des El, höchste Göttin eines ganzen Götterhimmels und Mutter von siebzig Göttersöhnen. Sie heißt auch Qudshu, Göttin der Fruchtbarkeit.1 In dieser kanaanitischen Figur, einer der vielen kleinen Figuren von sinnenfreudigen oder schwangeren Frauen, die von den vorchristlichen europäischen und kleinasiatischen Völkern angefertigt wurden, wurde der fruchtbare weibliche Körper in eine kulturelle Darstellung des Begriffs der Fruchtbarkeit verwandelt. Die sich wiederholenden Ovale, die Sicht von innen und außen zugleich und der Gebrauch der Symbole machen aus ihr ein ebensolches Kunstwerk wie die Statuen und Gemälde von Maria und dem Jesuskind in den christlichen Kulturen. Die Figuren preisen die Fruchtbarkeit der Frauen; die Madonnen schaffen das Bild der heiligen Mutterschaft.

Die Kinder, die hier auf dem Alto do Cruzeiro gestorben sind, die brauchen euch nicht leid zu tun. Um die müßt ihr keine Tränen vergießen. Habt lieber Mitleid mit uns. Beweint ihre Mütter, die zum Leben verurteilt sind.

— Nancy Scheper-Hughes (1992, 425)

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Literatur

  1. Zur sozialen Konstruktion der Mutterschaft, siehe H. Marshall 1991; Rich 1976; Rothman 1989; Trebilcot 1983; Scheper-Hughes 1992, 340–399.

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  2. Sie wird immer weniger abstrakt; Delaisi de Parseval und Hurstel (1987, 76) weisen darauf hin, daß die biologische Vaterschaft inzwischen mit 99,8 % Sicherheit nachgewiesen werden kann.

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  3. Weiss (1994) fand das gleiche Phänomen bei Eltern von zu früh geborenen Kindern, die in Brutkästen lagen. sie sollten ihre Kinder unter Schmerzen gebären, müßte aus dem Hebräischen der Bibel eigentlich mit: „im Leid sollst du deine Kinder gebären“ übersetzt werden („Soviet women talking about their experiences giving birth — labor and state,” Universität Tel Aviv. Beitrag zum Fifth International Interdisciplinary Congress on Women, Costa Rica, Februar 1993).

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  4. Frauen mit Amniocentese behaupten oft, der Fötus bewege sich nicht, bis sie wissen, daß keine Schädigungen entdeckt wurden, die für eine Abtreibung sprechen könnten (Rothman 1986). Zur Schwangerschaft als sozialer Beziehung, siehe Rothman 1989, 97–105.

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  5. Wenn auf dem Alto do Cruzeiro Kinder sterben, ist der „unbeweinte Tod“ die kulturell gebilligte Reaktion (Scheper-Hughes 1992, 416–423). Zu den ausgefeilten Praktiken, mit denen im neunzehnten Jahrhundert tote Kinder betrauert und den Müttem geholfen wurde, über den Verlust hinwegzukommen, siehe Simonds 1988. Dazu, wie in frauendominierten Religionen den Müttern geholfen wird, sich mit dem Tod von Kindern auszusöhnen, siehe Sered 1994.

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  6. Dem Staat waren Name, Beschäftigung und Adresse der Mutter oft bekannt, vor allem wenn die Geburt in einem öffentlichen Entbindungshospital stattgefunden hatte, aber die Mütter gaben häufig an, sie wollten das Kind nur vorübergehend weggeben (Fuchs 1984, 32). Es gab Geschichten von Müttern, die sich als Ammen anboten, um sich für die Versorgung ihrer eigenen Kinder bezahlen zu lassen. Solche Winkelzüge erweckten auf offizieller Seite nicht gerade Sympathie für die Frauen oder ein Interesse an ihrem Wohlergehen (41).

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  7. Siehe auch Badinter 1981, 68–78; Scheper-Hughes 1992, 355–356, 364.

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  8. In Italien wurden im sechzehnten Jahrhundert Kinder auf dem Markt verkauft (Boswell 1988, 201). In Europa wurden in der frühen Moderne Babies als Ersatz für gestorbene Kinder verkauft oder vermietet (279–282). Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts bezahlten Mütter Geld für die Beseitigung eines ungewollten Kindes; eine Generation später gab es einen Schwarzmarkt für Adoptivkinder. Aus den Zahlungen an die Agenturen wurden in der Folge Gebühren, und aus den Zahlungen an Pflegeeltern Unterhaltszahlungen für das Kind (Zelizer 1985, 169–207).

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  9. Zum bewußten Kindermord, siehe auch Dickemann 1984; Johansson 1984; Scrimshaw 1984.

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  10. Um die Auswirkungen des zahlenmäßigen Geschlechterverhältnisses auf die Geburtenrate zu verstehen, muß man sich vor Augen halten, daß in einer Gruppe, die aus einer fruchtbaren Frau und neun Männern besteht, die Frau etwa ein Kind pro Jahr bekommen kann. Besteht eine Gruppe aus neun fruchtbaren Frauen und einem Mann, können die Frauen neun Kinder pro Jahr bekommen. Einen Überblick zu Fragen der Geschlechtsselektion durch Spermientrennung bei In-vitro-Fertilisation und künstlicher Befruchtung, zeitlicher Planung des Koitus in Abhängigkeit vom Eisprung und selektiver Abtreibung nach Amniocentese, siehe Bennett 1983. Zu den möglichen Auswirkungen von zahlenmäßig unausgewogenen gender-Verhältnissen, siehe Guttentag und Secord 1983.

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  11. Siehe auch M. K. Walker 1992.

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  12. Zur sozialen Kontrolle der Fruchtbarkeit, siehe Amir und Biniamin 1992; Anker 1985; Croll, Davin und Kane 1985; Engelstein 1991; Ferree 1993; Gittins 1982; Goldman 1991; L. Gordon 1990a; Greer 1985; Heitlinger 1987; Laslett 1977; McLaren 1978; Mc Laren 1984; Mohr 1978; J. Reed 1978. In der Sklaverei ist die direkte Kontrolle über die Fruchtbarkeit der Frauen total (siehe Jennings 1990).

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  13. Die Gesamtfruchtbarkeitsrate ist die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Frau hätte, wenn sie im gebärfähigen Alter (15–49) mit der in einem bestimmten Jahr festgestellten altersspezifischen Geburtenrate Kinder bekäme.

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  14. Greil 1991; Lasker und Borg 1987; Miall 1986; Pfeffer 1987; Sandelowski 1993.

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  15. Callan u.a. 1988; Crowe 1985; I. Koch 1990; L. S. Williams 1988.

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  16. Eine weitere Entscheidung, bei der es keine Alternative gibt und die aus der erfolgreichen Unfruchtbarkeitsbehandlung folgt, ist die Frage, ob einige der Föten bei Mehrfachschwangerschaften abgetrieben werden sollen, um das Überleben der anderen zu sichern (siehe Evans u.a. 1988; Fredericksen, Keith und Sabbagha 1992).

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  17. Solche Fälle von Kinder austragenden „Großmüttern“ machen immer noch Schlagzeilen (New York Times 1991e). Strathern weist darauf hin, daß „die unter Beihilfe zustande-kommende Reproduktion die biologischen Eltern als eigene Kategorie schafft” (1992, 20). Wo die Spender(innen) von Samen, Eizellen oder befruchteten Embryos anonym sind, wird der rechtliche Status der sozialen Eltern gewöhnlich nicht angefochten und braucht nicht offiziell ausgewiesen zu werden (Novaes 1989). Zu den Rechtsauffassungen in den Vereinigten Staaten, siehe Blankenship u.a. 1993; Cohen und Taub 1989.

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  18. Siehe auch Dawson [19291 1989; N. Hall 1989; Rivière 1974.

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  19. Zum Wandel der Sorgerechtsgesetze und -praktiken und ihrer Begründung, siehe Coltrane und Hickman 1992; Grossberg 1983; J. W. Jacobs 1982; Olsen 1984; Seltzer 1991; Shan-ley 1989, 131–155; Smart und Sevenhuijsen 1989; Walters und Chapman 1991.

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  20. „Ungeeignet“ heißt bei einer Mutter „sexuelles Fehlverhalten”, selbst wenn dies für ihre Eignung als Elternteil irrelevant ist, wohingegen Väter, die die Mutter und die Kinder geschlagen haben, durchaus das Sorgerecht bekommen können (Sack 1992).

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  21. Zu den wechselnden Definitionen von Kindesmißhandlung, siehe L. Gordon 1989; Strauss 1991. Siehe auch die abweichenden Betrachtungsweisen von Demie Kurz, Donileen R. Loeske und Joan McCord in derselben Ausgabe (Social Problems, May 1991).

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  22. Siehe auch Ruddick 1983. Für sie besteht das Wesen des „mütterlichen Denkens“ aus Aufmerksamkeit und Liebe (223–224).

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  23. Laut Nelson werden in der Vereinigten Staaten ungefähr 40 Prozent der Kinder unter einem Jahr, 38 Prozent der ein-oder zweijährigen Kinder und 15 Prozent der Kinder zwischen drei und fünf Jahren, das sind 5.1 Million Kinder, von Tagesmüttern versorgt, meist auf informeller Basis (1990, 4).

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  24. Zur Kritik an Rossis Aufsatz von 1977, siehe Gross u.a. 1979. Rossis biosozialer Ansatz stellte eine verblüffende Kehrtwendung im Vergleich zu ihrer Position im Jahre 1964 dar, als sie einen viel zitierten Aufsatz schrieb, in dem sie strukturelle soziale Veränderungen empfahl, damit Frauen voll am Berufsleben partizipieren und Männer zu gleichen Teilen Elternfunktionen wahrnehmen können.

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  25. Greif führte eine Umfrage mit 1.136 meist weißen, katholischen oder protestantischen Vätern durch, die nach der Scheidung offiziell oder inoffiziell das Sorgerecht zugesprochen bekommen hatten, ergänzt durch über 100 Interviews.

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  26. Siehe auch T. F. Cohen 1987.

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  27. Zur Kritik an Chodorow, siehe Gottlieb 1984; R. M. Jackson 1989; Lorber u.a. 1981. Zu schwulen und lesbischen Eltern, siehe Bozett 1987.

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  28. Zu historischen Veränderungen des Gebärens, siehe Rothman 1982; Wertz und Wertz 1989.

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  29. Sie merkt auch an, daß der jetzige Prince of Wales bei der Geburt seiner beiden Söhne dabei war; als er selber geboren wurde, spielte sein Vater Squash (1987, 37). Zu deutschen Vätern, siehe Nickel und Köcher 1987, 101.

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  30. Siehe auch Hochschild 1989a, 228–238; Jump und Haas 1987; Pleck 1987; L. Segal 1990, 26–89; Vannoy-Hiller und Philliber 1989, 104–109.

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  31. S. Jackson 1987; Nugent 1987; G. Russell 1987; Sagi, Koren und Weinberg 1987. Eine großangelegte Werbekampagne von einer israelischen Frauenorganisation warb mit dem Spruch: „Sei ein Mann, leg Hand mit an.“

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  32. Eine unveröffentlichte Studie aus Norwegen legt den Schluß nahe, daß das richtige Elternverhalten dann von den Vätern definiert wurde (Berit Brandth und Elin Kvande, „Changing masculinities; The reconstruction of fathering.“ Universität Trondheim. Vorgelegt auf der Konferenz „Family sociology — Developing the Field”, Voksenäsen, März 1992). Zur Männerversion der Kinderversorgung gehört, daß sie das Kind mitnehmen, wenn sie andere Leute aus beruflichen oder sozialen Gründen besuchen, nicht aber, daß sie Hausarbeit machen, während sie auf das Kind aufpassen.

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  33. Diese je nach Land unterschiedlichen Beurlaubungsregelungen sind gewöhnlich eine Mischung aus folgenden Bestandteilen: Schwangerschafts-und Mutterschaftsurlaub vor und nach der Geburt für die Mutter; etwa zwei Wochen Urlaub nach der Geburt für den Vater; Elternurlaub mit erst hoher, dann niedriger Gehaltsfortzahlung während des ersten Lebensjahres, der von beiden genommen werden kann, und Krankheitstage bei Erkrankung eines Kindes (Kaul 1991).

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  34. Verheiratete Manner mit Kindern, deren Frauen ihre Erwerbstätigkeit reduzieren, müssen länger arbeiten, um das Familieneinkommen auf dem gleichen Stand zu halten. Solange Frauen weniger verdienen als Männer, ist dieses Muster aus der Sicht der familialen Zeit-und Geldökonomie vollkommen sinnvoll: Sie verausgabt Zeit; er liefert Geld (vgl. Shelton 1992, 33–62).

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  35. Daten zu Müttern, die versuchen, ihre Kinder nach feministischen Prinzipien großzuziehen, siehe T. Gordon 1990. Eine gute Exploration zu den Metaregeln, die notwendig sind, um den verborgenen Annahmen eines vergeschlechtlichten Elternverhaltens entgegenzuwirken, siehe Held 1983.

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  36. Benston 1969; Bologh 1990, 240–265; Cancian 1985; Smith-Rosenberg 1975.

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  37. Siehe auch Beer 1983, 67; Mainardi 1970, 452; Rowbotham 1973, 47–80; Zaretsky 1986.

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  38. Auch arme Männer haben wenig Entscheidungsfreiheit. Boswell zitiert Basil von Caesarea, einen frühchristlichen Schriftsteller, zum Dilemma eines armen Vaters, der überlegt, ob er eines seiner Kinder verkaufen soll, um die anderen zu ernähren: „Wenn ich sie alle behalte, werde ich sie alle Hungers sterben sehen, aber wenn ich eines verkaufe, wie kann ich den anderen noch in die Augen sehen, die mir dann immer mißtrauen werden, denn ich könnte sie ja verraten?“ (1988, 165–166).

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Lorber, J. (1999). Wer schaukelt das Kind? Vergeschlechtlichtes Elternverhalten. In: Gender-Paradoxien. Reihe Geschlecht und Gesellschaft, vol 15. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10135-2_8

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