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Man sieht nur, was man glaubt: Biologie als Ideologie

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Gender-Paradoxien

Part of the book series: Reihe Geschlecht und Gesellschaft ((GUG,volume 15))

  • 212 Accesses

Zusammenfassung

Freud meinte, Biologie sei Schicksal, Aristoteles aber war der Ansicht, das Schicksal werde durch den Platz bestimmt, den man in der sozialen Ordnung einnimmt, nicht nur als Mann oder Frau, sondern auch als freier Mann oder Sklave. Bis zum achtzehnten Jahrhundert glaubten die westlichen Philosophen und Wissenschaftler, es gebe nur ein Geschlecht, und die inneren Geschlechtsorgane der Frauen seien eine Umkehrung der äußeren Geschlechtsorgane der Männer (Dean-Jones 1991; Laqueur 1990a). Und so sahen sie denn auch einen Uterus und eine Vagina, die ein nach innen gewendeter Penis und ein ebensolches Skrotum waren: „Je mehr die Anatomen der Renaissance den weiblichen Körper sezierten, in ihn hineinschauten und ihn abbildeten, desto unbedingter und überzeugender erblickten sie in ihm eine Abart des männlichen Körpers“ (Laqueur 1990a, 70).1

Was wäre, wenn... plötzlich, wie mit Zauberschlag, die Männer statt der Frauen menstruieren könnten?... Die Antwort ist klar — die Menstruation würde zu einer beneidenswerten Männersache, mit der man sich brüsten kann.

— Gloria Steinern (1987a, 110)

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Literatur

  1. Dies ist auch der Grund, warum bei Männern, die sich einer operativen Geschlechtsumwandlung unterziehen, zum Aufbau von Scheide und Schamlippen Haut von Penis oder Skrotum genommen wird.

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  2. In der plastischen Chirurgie spricht man bei diesen Operationen von einer „Klärung“ der Genitalien. Ein Großteil dieser Operationen fände eigentlich besser erst statt, wenn das Kind älter ist, aber Eltern leiden sehr darunter, nicht zu wissen, welchem sex ihr Kind angehört (Richard C. Sadove M.D., mündliche Mitteilung; Weiss, erscheint demnächst).

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  3. Bei neugeborenen Jungen kommt es relativ häufig vor, daß die Harnröhre noch nicht ganz geschlossen ist, so daß das Urinieren durch die Scheide statt durch die Penisspitze erfolgt.

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  4. Hermaphroditen werden ohne sex-Chromosomen geboren, was in der Pubertät zu Entwicklungsanomalien führt, oder sie haben bei der Geburt uneindeutige Genitalien — eine übergroße Klitoris, die wie ein kleiner Penis aussieht, oder einen ganz kleinen Penis, der wie eine Klitoris aussieht, eine nicht ganz offene Vagina, die wie ein Skrotum aussieht, oder ein nicht ganz geschlossenes Skrotum, das wie eine Vagina aussieht, und so weiter; siehe Money und Ehrhardt 1972.

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  8. Im alten Griechenland hatten Frauen, wie auf einer Vase im Vatikan zu sehen ist, ihre eigenen Olympischen Spiele, bei denen sie Rennen liefen. Diese Spiele wurden zu Ehren von Hera und nur für weibliche Zuschauer abgehalten (Pomeroy 1975, 137).

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  10. Die erste Frauen-Basketballmannschaft in West Point hieß „Sugar Smacks“. Sie wurde vom Sportdirektor (einem Mann), dem der ursprüngliche Name nicht seriös genug erschien, in „Army Women’s Basketball” umbenannt. Die Frauen hatten sich diesen Namen während ihres ersten Studienjahres selber ausgedacht — „smacks“ ist einer der Namen für die „plebes” [die Studenten der untersten Klasse in Westpoint; A. d. U. (Barkalow 1990, 126).

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  11. Mehr dazu bei Boutilier und SanGiovanni 1983, 183–218; Theberge und Cronk 1986.

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  24. Im Großen und im Kleinen beruft man sich auf sex-Unterschiede, um zu rechtfertigen, was vergeschlechtlichte Unterschiede des sozialen Status sind (C. F. Epstein 1988). Die angeblich größere Kraft der Männer dient selbst dann noch der Rationalisierung der vergeschlechtlichten Arbeitsteilung, wenn die eigentliche körperliche Arbeit von Maschinen erledigt wird: „Zwei Eigenschaften kommen bei der Arbeit von Männern zusammen ...: physische Leistungsfähigkeit und technische Kompetenz. Die Männer verbinden sie weist auch darauf hin, daß während des Ersten Weltkriegs die Tatsache, daß Frauen autofahren konnten, einer körperlichen, geistigen und selbst sinnlichen Befreiung gleichkam: Für Krankenschwestern und Fahrerinnen von Ambulanzen, für Ärztinnen und Meldefahrerinnen war die Erfahrung der modernen Schlacht eine durchaus andere als für die Soldaten im Schützengraben. Diese postviktorianischen Mädchen, die endlich einmal die Chance bekamen, das Steuer in die Hand zu nehmen, rasten mit den Autos über fremde Straßen wie Abenteurer, die neue Länder erkunden, während sich ihre Brüder immer tiefer in Frankreichs Schlamm hineinwühlten.... Wenn sie Verwundete und Tote aus lebensgefährlichen Stellungen herausholten, durften diese einst wohlbehüteten Töchter endlich ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen, und so brausten sie mit der Liebesenergie Wagnerscher Walküren über das wüste Land des Krieges und brachten allein durch ihre Mobilität zahllose außer Gefecht gesetzte Helden in den sicheren Hafen. (1983, 438–439)

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  25. Kritik hieran siehe bei E. Martin 1987; O’Brien 1981; Rich 1976.

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  29. In Ländern mit sehr strengen Gesetzen gegen Alkohol am Steuer jedoch ist der Mann derjenige, der in der Regel trinkt und trotzdem fährt, während die Frau, wenn sie fährt, eher bei Mineralwasser oder alkoholfreiem Bier bleibt.

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  31. Mit diversen Vorrichtungen und Vorkehrungen ließen sich diese Schwierigkeiten ganz aus der Welt schaffen. Wheelwright beschreibt mindestens eine als Mann auftretende Frau, die ein Rohr zum Urinieren benutzte (1989, 25). Weibliche und männliche Astronauten benutzen Katheder. Pissoirs könnten in einem besonderen Raum untergebracht werden, und Toiletten mit Kabinen und Türen könnten unisex sein. praktisch jede Eigenschaft, die Männer von Frauen unterscheidet, wird in dieser Gesellschaft bereits affirmativ kompensiert. Die Physiologie der Männer bestimmt die meisten Sportarten, ihre Bedürfnisse bestimmen die Tarife von Auto-und Krankenversicherungen, ihre sozial definierten Biographien definieren Arbeitsplatzerwartungen und erfolgreiche Karrieremuster, ihre Sichtweisen und Interessen definieren wissenschaftliche Qualität, ihre Erwartungen und Obsessionen definieren Verdienst, ihre Objektivierungen des Lebens definieren die Kunst, ihre Wehrpflicht definiert die Staatsbürgerschaft, ihre Anwesenheit definiert die Familie, ihre Unfähigkeit, miteinander auszukommen — ihre Kriege und Beziehungen — definieren die Geschichte, ihr Bild definiert Gott und ihre Genitalien definieren das Geschlecht. Für jeden dieser Unterschiede zu den Frauen ist so etwas wie ein Antidiskriminierungsgesetz in Kraft, auch unter dem Namen Struktur und Werte der amerikanischen Gesellschaft bekannt. (1987, 36)

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  32. Alle Spermien gelten als „männlich“, obwohl die Hälfte Träger von X-Chromosomen sind und weibliche Föten produzieren. Wissenschaftliche wie populärwissenschaftliche Darstellungen der Befruchtung anthropomorphisieren Samenfäden und Eizelle: „Das Epos vom heldenhaften Kampf des Spermium gegen den feindlichen Uterus ist die Darstellung, die einem in zeitgenössischen Texten zur Einführung in die Biologie zum Thema Befruchtung gewöhnlich aufgetischt wird” (Biology and Gender Study Group 1988, 64). Nachdem sich nur herausgestellt hat, daß das Ei eine sehr aktive Rolle spielt, indem es den Samenfaden anzieht und sich mit ihm verbindet, läßt eine revisionistische Methapher das Ei sich wie eine Venusfliegenfalle benehmen, die ein sich nur noch schwach windendes Spermium verschlingt (E. Martin 1991). In Wirklichkeit erfolgt die Befruchtung in einer Reihe von Schritten, bei denen beide, Spermium und Ei, biochemisch aktiv und passiv interagieren.

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Lorber, J. (1999). Man sieht nur, was man glaubt: Biologie als Ideologie. In: Gender-Paradoxien. Reihe Geschlecht und Gesellschaft, vol 15. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10135-2_3

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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