Zusammenfassung
Fromms „radikaler Humanismus“, seine Analyse und Kritik moderner Industriegesellschaften in West und Ost wie auch seine politischen Alternativentwürfe speisen sich vor allem aus drei großen Denktraditionen, die er in einer eigenständigen Synthese zusammenfasst und weiterführt:
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Die Tradition des orthodoxen Judentums und des Chassidismus, die er viele Jahre als Talmudschüler in Heidelberg gründlich studiert, von der er sich aber schon bald nach seinem Studium abwendet. Er begibt sich religionskritisch auf die Suche nach einer humanistischen Ethik und einer nicht-theistischen Religiosität und formuliert sie dann — schon früh beeinflusst vom Buddhismus und später der christlichen Mystik Meister Eckeharts — in zahlreichen Schriften. Dennoch blieb er beeindruckt von den Schriften der Propheten und seine Sprechweise hat vor allem im Spätwerk gelegentlich etwas Prophetisches. „Die Propheten des Alten Testaments sind nicht nur...geistige Führer, sondern auch politische.“ (GA V, 380)
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Die Psychoanalyse, zunächst in der Tradition Freuds, aber schon bald in kritischer Auseinandersetzung mit ihm, vor allem im Blick auf Freuds Libido-Theorie und Charakterlehre und dessen relative Ferne zur Gesellschaft. Schon in den 30er Jahren geht Fromm dann über Freud hinaus mit seiner eigenen Konzeption einer analytischen Sozialpsychologie.
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Die marxistische Analyse und Kritik der kapitalistischen Gesellschaft und die politische Orientierung an einem demokratischen Sozialismus. Fromm wendet sich gegen jede Dogmatisierung des historischen Materialismus und die autoritäre Erstarrung des Sozialismus in der Sowjetunion, aber auch gegen die Verwässerung radikal-sozialistischer Reformideen in Theorie und Praxis der Sozialdemokratie und des kapitalistischen Wohlfahrtsstaates.
„Den Vorrang hat der Mensch“
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Anmerkungen
Zur Sowjetunion hat sich Fromm vor allem in folgenden Schriften geäußert: „Wege aus einer kranken Gesellschaft“ (1955a; GA IV, bes. S.194/195); am ausführlichsten in seiner Schrift: „Es geht um den Menschen. Eine Untersuchung der Tatsachen und Illusionen in der Außenpolitik” (1961a; GA V, 66–114); noch einmal sehr pointiert im Kontext der internationalen sozialistischen Bewegung in „Probleme der Marx-Interpretation“ (1965d, GA V, 413–419).
Vgl. dazu meine Analysen zur Sowjetunion 1977, zum Postkommunismus 1993 und in diesem Band; außerdem zu Russland unter Jelzin und Putin bis Ende 2000: Meyer 2001 a, b.
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Meyer, G. (2002). Systemkritik und Alternativentwurf: Kapitalismus, Kommunismus und kommunitärer Sozialismus. In: Freiheit wovon, Freiheit wozu?. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10104-8_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-10104-8_4
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-3396-3
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