Zusammenfassung
Seit rund dreißig Jahren scheinen die meisten französischen Sozialisationsinstitutionen einem radikalen Wandel, ja einer wahren Revolution zu unterliegen. Die republikanische Schule, einst einer der Grundpfeiler der Nation und der Demokratie, hat sich zur demokratischen Massenschule gewandelt. Das Krankenhaus, das im Geiste von Wissenschaft und Barmherzigkeit geführt wurde, entwickelte sich zu einem Unternehmen für medizinische Behandlung. Die Sozialarbeit, lange Zeit bevorzugtes Einsatzgebiet für gesellschaftlich engagierte Akteure, ist heute eine Service-Organisation. Auch die Veränderungen in der Armee und bei der Justiz könnte man hier anführen. In allen Bereichen ist zu beobachten, dass eine Form von öffentlicher Intervention und Sozialisationsarbeit gegenüber dem einzelnen — Schülern, Kranken, Armen — ihren traditionellen Anstrich der heiligen Legitimität verloren hat. Und alle, die in diesen Institutionen tätig sind, äußern ihr Unbehagen, ihre Schwierigkeiten und das Gefühl, dass Staat und Gesellschaft sie im Stich gelassen haben. Überall entstehen soziale Bewegungen, die gegen mangelnde Anerkennung protestieren; dabei waren diese Apparate vermutlich noch nie so stark und nahmen so viel Einfluss auf das Leben des einzelnen.
Aus dem Französischen übersetzt von Erika Mursa
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Die Bekanntesten unter ihnen sind wohl Régis Debray, Alain Finkielkraut und all jene, die in letzter Zeit die Kandidatur von Jean-Pierre Chevènement unterstützten. Viele von ihnen gehören zur Gruppe um Le Monde diplomatique und sind Anhänger der Thesen von Pierre Bourdieu.
François Dubet, Le déclin de l’institution, Paris. Editions du Seuil, 2002.
Vgl. Pierre Rosanvallon, Le sacre du citoyen, Paris, Gallimard, 2001.
Alain Touraine, Critique de la modernité, Paris, Fayard, 1992.
Ich schreibe diesen Text zum Zeitpunkt, da die Kampagne zu den französischen Präsidentschaftswahlen vom Thema „Sicherheit“ beherrscht wird.
L. Kholberg, Essays on Moral Development,New York, Harper and Row, 1981.
Pierre Rosanvallon, L’Etat en France de 1789 à nos jours, Paris, Editions de Minuit, 1990.
Robert Castel, La gestion des risques,Editions de Minuit, 1981.
P. Hazard, La crise de la conscience européenne, 1680–1715, Paris, Fayard, 1989.
Auf diese Weise versteht Habermas die Rationalisierung der Welt, wie sie Weber beschreibt; vgl. Théorie de l’agir communicationnel (Theorie des kommunikativen Handelns), Paris, Fayard, 1987.
R. Sennett, Les Tyrannies de l’intimité, Paris, Editions du Seuil, 1979.
J.-L. Derouet, Ecole et justice. De l’égalité des chances aux compromis locaux, Paris, Métaillé; P. Pichon, S. Franguiadakis, C. Laval (Hg. B. Rayon), Le travail de l’engagement, Mire, Fondation de France, 2000.
Wir wissen auch, dass die Polizeikommissariate und die verschiedenen Justizeinrichtungen weder die gleiche Leistungsfähigkeit, noch die gleichen Praktiken oder Normen haben; die „Chancen“ angeklagt zu werden und die Art des Urteils sind nicht überall im Land dieselben. Vgl. J. Commaille, Territoires de justice: une sociologie politique de la carte judiciaire, Paris, PUF, 2000.
F. Dubet, M. Duru-Bellat, L’hypocrisie scolaire, Paris, PUF, 2000.
Über die Einstellung der unteren Klassen gegenüber der Schule vgl. F.Dubet et alii, Ecole, familles, le malentendu, Paris, Textuel, 1997; J.-P. Pourtois, G. Delhaye, L’Ecole: connotations et appartenances sociales, in: Revue Française de Pédagogie, 54, 1981.
F. Dubet, Les inégalités multipliés, La tour d’Aigues, Editions de l’Aube, 2000.
C. Perrow, Complex organizations. A critical Essay, New York, Mac Graw Hill, 1986.
Daniel Bell, Les contradictions culturelles du capitalisme, Paris, PUF, 1979.
In der politischen Szene sind Christine Boutin, Charles Millon und Philippe de Villiers die Erben dieser Tradition, die aber wegen der Erinnerung an die Nationale Revolution von Vichy als suspekt erscheint.
Was nicht heißen soll, dass diese Forderungen nicht legitim seien, allerdings erscheint deren Gleichsetzung mit dem allgemeinen Interesse zuweilen als erzwungen.
P. Savidan, „Le libertarisme de Hayek et de Nozick“, in: A. Renaut (Hg.), Histoire de la philosophie politique. Les philosophies contemporaines,Paris, Calmann-Lévy, 1999, Band 5.
Häufig steht ein ganzer Bereich der Soziologie in dieser Entwicklungslinie, ohne sich dessen bewusst zu sein, wenn beispielsweise geradezu besessene Mikro-Beobachtungen und persönliche Interaktionen das soziale Leben auf den Austausch von Identitäten und die Abfolge von Vereinbarungen reduzierten. Unter dem Vorwand des Konstruktivismus werden Interaktionen und der Prozess sozialer Integration völlig voneinander getrennt, und das soziale Leben läuft Gefahr, auf die Situation eines Marktes unter vielen reduziert zu werden, eines Marktes, dem von keiner Kultur und keinem System sozialer Beziehungen eine Bedeutungsstruktur verliehen wird. Unter diesem Gesichtspunkt kann die Welle des Interaktionismus und des Konstruktivismus als die andere, die menschlichere und sozialere Seite des theoretischen Liberalismus gelten.
M. Walzer, La critique communautarienne du libéralisme, in: A. Berten, P. Da Silveira, A. Pourtois, Libéraux et communautaires, Paris, PUF, 1997.
W. Kymlicka, Multicultural Citizenship. A Liberal Theory of Minority Rights, Oxford, Clarendon Press, 1997
Niklas Luhmann, La légitimité par les procédures,Presses universitaires de Laval, Cerf, 2001.
R. Ballion: Les aide-éducateurs: le lien social au détriment de la citoyenneté? les emplois-jeunes: la sécurité au prix de l’insertion, in: Les Cahiers de la Sécurité Intérieure, 40, 2, 2000.
Vgl. François Dubet, Les lycéens, Paris, Ed du Seuil, 1991; P. Merle: Les droits des élèves. Droits formels et quotidien scolaire des élèves dans l’institution éducative, in: Revue Française de Sociologie, 42, 1, 2001; A. Paicheler, Droit et justice dans un collège de banlieue, GIP, Mission de recherche Droit et Justice, 2001; P. Rayou, La cité des lycéens, Paris, l’Harmattan, 1998.
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2003 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Dubet, F. (2003). Die Schwäche der Institutionen: eine Folge der Globalisierung oder der Moderne?. In: Albertin, L., et al. Frankreich-Jahrbuch 2002. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10092-8_6
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-10092-8_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-3612-4
Online ISBN: 978-3-663-10092-8
eBook Packages: Springer Book Archive