Zusammenfassung
Ethnizität und raumbezogene Aspekte gehören zu den zentralen Themen der empirischen Migrationsforschung. Begriffe wie Ethnizität, ethnische Identität oder ethnische Gruppe einerseits und räumliche Segregation, Kolonie- oder Ghettobildung andererseits rahmen und strukturieren verschiedenste Studien. Ebenso deutlich fällt auf, daß die langjährige Präferenz von Fragestellungen zur Problematik der Integration und Ungleichheit von Migranten die Arbeiten der Migrationsforschung auch im Falle von Ethnizität und Raum einseitig auf die Beschreibung und Analyse von sozialen Problemzusammenhängen festzulegen scheint.
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Literatur
Die Beobachtung, daß Ethnizität in der sozialwissenschaftlichen Praxis als wichtige Iden-titätskategorie behandelt wird, trifft unabhängig davon zu, ob die einzelnen Autoren eine primordial-essentialistische oder eine situational-formale Definition von Ethnizität befürworten. Die diesbezüglichen Debatten brauchen hier nicht erneut dargestellt zu werden; vgl. statt dessen zusammenfassend Heinz 1993. Wie die weitere Argumentation sofort verdeutlicht, folgt die vorliegende Arbeit einem formalen Ethnizitätsverständnis und damit letztendlich Max Weber.
Neben der Bezeichnung „ethnische Gruppe“ werden für die durch ethnische Kategorisie-rungen hergestellten Gemeinschaften — je nach Zusammenhang — auch die Begriffe „ethnische Minderheit Mehrheit”, „Nation“ oder „Volk” verwendet (vgl. Bommes 1998, 349; Heckmann 1992, 47ff.).
Trotz der theoretischen Einsicht in die Bedeutung von ethnisierenden Fremdzuschreibun-gen für die Form der Ethnizität einer Migrantengruppe wird diese Haltung in der empirischen Migrationsforschung häufig nicht angemessen umgesetzt. Insbesondere die Arbeiten der sog. qualitativen Sozialforschung verdeutlichen, daß ethnische Selbstbeschreibungen von Migranten nur selten konsequent vor dem Hintergrund der in der Aufnahmegesellschaft etablierten und valorisierten „ethnischen“ Beschreibungsformen gedeutet werden, sondern zumeist im argumentativen Rückgriff auf angenommene „Kulturunterschiede” (vgl. Bommes 1996a ). Schon im Falle der ersten Generation ist der Rekurs auf die Herkunftsgesellschaft zur Erklärung von Ethnizität problematisch, weil er die Bedeutung der Fremdzuschreibung in der Aufnahmegesellschaft eben unterschätzt; im Falle der Untersuchung nachfolgender, im Aufnahmeland geborener, Generationen ohne eigene Migrationserfahrung ist die methodologische Problematik von Interpretationen, die die gesellschaftlichen Fremdzuschreibungen nicht kontinuierlich reflektieren, offensichtlich.
Die bis hier erfolgten Ausführungen zu Ethnizität und dem dieser Arbeit zugrundeliegenden formalen Verständnis von Ethnizität sind bewußt knapp und einführend gehalten. Sie dienen dazu, im Rahmen dieses Unterkapitels aufzuzeigen, daß und wie Ethnizität üblicherweise als spezifische Identitätskategorie untersucht wird. Außerdem bereiten sie die sich hieran anschließende Diskussion der theoretischen Angebote der Migrationsforschung vor. Sie stellen jedoch noch nicht die für die eigene empirische Untersuchung erforderliche Konzeptualisierung von Ethnizität dar, wenngleich sie sie vorbereiten. Die eigentliche theoretische Rahmung der empirischen Untersuchung und das in diesem Zusammenhang noch genauer zu bestimmende Verständnis von Ethnizität erfolgen erst weiter unten (s. Kap. C. III. 1 ).
Vgl. Auernheimer 1995, 101ff.; Berger 1990; Esser Friedrichs 1990b, 13ff; Greverus 1981; Heitmeyer Müller Schröder 1997, 24ff.; Lenhardt 1990; Sachs 1993, 22; Schnell 1990, 44ff.; Schrader Nikles Griese 1976, 75ff.
Zur Untersuchung des Themenfeldes Migration-Jugend-Ethnizität Identität vgl. exemplarisch: Amit-Talai Wulff 1995, Auernheimer 1988, Auernheimer 1995, Back 1996, Hamburger 1990, Karakasoglu-Aydm 1997, Radtke 1991.
Z.B.: Sprachgebrauch; Religionszugehörigkeit; ethnische Freundschaftsstruktur;,,Selbstidentifikation als Deutscher oder Ausländer“ oder „subjektive ethnische Zugehörigkeit” (auf einer mehrstufigen Skala); Geschlechtsrollenorientierung; „Kulturelle Gewohnheiten“ — Musik, Video, Zeitungen, Ernährung; usw. usf (vgl. Esser 1990a, 77; Schnell 1990, 48 ).
Da die Migrationsforschung insgesamt durch einen eher „sparsamen Bezug zu Theorieoptionen“ (Bommel 1999, 20) gekennzeichnet ist, fiel die Auswahl relevanter Ansätze nicht schwer.
Vgl. im Folgenden Hoffmann-Nowotny 1973, 4–36.
Dieser begriffliche Wandel dokumentiert exemplarisch die Etablierung von Ethnizitat als gängige Beschreibungs-und Untersuchungskategorie in der deutschsprachigen Migrationsforschung.
Vgl. z.B. Bundesministerium 2000, 115f.; Ministerium 1995, 83–108. Einer nicht publizierten Studie des Justizministeriums NRW über die Problemlagen des deutsch-türkischen Verhältnisses und der Beziehungen NRW-Türkei von 1996 zufolge sind ca. 5 bis 10 Prozent der in Nordrhein-Westfalen lebenden Türken in die verschiedenen türkischen Vereine in NRW — religiöse, politische und kulturelle — eingebunden.
Vgl. z.B. Esser 1991, 1993 o. 1999 2000.
Vgl. im Folgenden: Esser 1980, 209–235; Esser 1990a; Esser Friedrichs 19906.
Vgl. z.B.: Bürkner 1987, 27ff.; Heckmann 1992, 193ff.; Nauck 1988, 197ff.; Seifert 1995, 71 u. 256.
Vgl. dazu etwa: Esser 1980, 14; 1990c, 296ff.
Vgl. Esser 1980, 149ff. u. insb. 231; Esser 1990c; sowie Esser 1996, 68ff.
Vgl. Esser 1980, 42 u. 231; sowie Esser 1990a, 87.
Vgl. Esser 1990c, 302. Vgl. auch den Aufsatz: Esser 1990a, insb. 75f.: „Bei Vorliegen von Frage der individuellen Opportunitaten, die die ausländischen Kinder und Jugendlichen vorfinden oder über die Familie mitbringen. Gibt es diese Opportunitaten, dann verschwinden die,sichtbaren ` Differenzen zwischen den,Kulturen“` (Esser 1990d, 49 ).
Vgl. Esser 1980, 209ff.; oder Esser 1985, 445.
Vgl. Esser 1980, 41f.; Friedrichs 1990, 320.
An verschiedenen Stellen weist auch Esser — ähnlich wie Heckmann — darauf hin, daß die Entstehung und Existenz ethnischer Gemeinschaften keineswegs mit der territorialen Segregation ihrer Mitglieder zusammenfallen muß (vgl. z.B. Esser 1986, 109f.). Daß die Koexistenz — theoretisch — nur ein Spezialfall ethnischer Koloniebildung ist, liegt angesichts der immer höheren Mobilitätsmöglichkeiten und moderneren Kommunikationstechnologien nahe. Da die territoriale Segregation aber die Entstehung und Stabilisierung ethnischer Gemeinschaften begünstigt und empirisch häufig mit letzteren zusammfällt, verwendet auch Esser die beiden Begriffe ethnische Gemeinschaft (oder Kolonie) und ethnische Segregation mehr oder weniger durchgehend synonym (vgl. z.B. Esser 1980, 149–181 ).
Ethnische Kolonien bildeten insbesondere ab einer gewissen Größe und institutionellen Ausstattung Opportunitäten zu einer ethnischen Binnenkarriere fur aufstiegsorientierte Migranten (vgl. Esser 1986, 113). Diese Voraussetzungen sind bei der türkischen Migrantengruppe in Deutschland aufgrund ihrer Größe möglich und in verschiedenen Städten gegeben. 1m Falle dieser Gruppe erkennt Esser dann auch tatsächlich die Ausbildung einer „ethno-religiösen Subnation“ (vgl. Esser 1998, zitiert nach Heitmeyer 1998, 451; sowie Esser 1999, 27). Daher deutet er die dadurch entstehenden Gelegenheiten fur ethnische Binnenkarrieren als Voraussetzung der Entstehung einer zur Abschottung neigenden und damit die ethnische Differenzierung weiter stabilisierenden ethnischen Elite.
Die Aktualität der Diskussion um die positiven oder negativen Wirkungen räumlicher Konzentrationen und sozialkultureller Eigenorganisationen von Migrantengruppen in den Städten dokumentiert der Konferenzband „Ghettos oder ethnische Kolonien?“ des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung (1998).
Vgl. z.B.: Karakasoglu 1996; Klein Kothy 1998; Nohl 1996; Sag 1996; Sen 1996; Tertilt 1996.
Vgl. Heitmeyer Müller Schröder 1997 u. Heitmeyer Dollase Backes 1998.
Zur methodischen, konzeptionellen und inhaltlichen Kritik an der in Öffentlichkeit und Wissenschaft vieldiskutierten Studie vgl. Bukow Ottersbach 1999; Karaka$oglu-Aydin 1998.
Vgl. Heitmeyer Müller Schröder 1997, 192; u. Heitmeyer 1998, 448 und 455.
Man beachte die Analogie dieses Argumentes mit der — mittlerweise unpopulären — Auffassung der Migrationsforschung, die die Migranten bis in die 1980er Jahre hinein im Prinzip als Gefangene ihrer Kultur adressierte. War der Raum-und Kulturbezug des „Fremden“ far die frühe Migrationsforschung durch das Herkunftsland gegeben, so bietet heute vor allem die Nichtintegrations-bzw. Problemvariante der ethnischen Kolonie, i.e. das Ghetto, die Möglichkeit, auch nachfolgende Migrantengenerationen mit ethnischen und räumlichen Zuschreibungen zu „verfremden”. Ob eine derartige Thematisierung von Integrationsproblemen der Kinder der Migranten — neben ihrer pauschalisierenden und stigmatisierenden Wirkung — dazu beiträgt, Verarbeitungsformen der in der Migrationsgesellschaft gemachten Erfahrungen und damit die Migrationsgesellschaft selbst differenziert zu analysieren, darf bezweifelt werden.
Vgl. stellvertretend: Bielefeld Kreiss) Münster 1982; Bommes 1990; 6; Schiffauer 1991; Tertilt 1996.
Die Integration explizit raumbezogener Aspekte gilt innerhalb der interdisziplinären Migrationsforschung natürlich insbesondere für die sozialwissenschaftlichen Sub-und Spezialdisziplinen wie Stadtsoziologie, Stadtethnologie oder -geographie, Bevölkerungsoder Sozialgeographie, aber beispielsweise auch für die Sozialpsychologie. Die vielfaltige Thematisierung von Raum in der Migrationsforschung wird eindrucksvoll von der im Auftrag der Zeitschrift „Informationen zur Raumentwicklung“ zusammengestellten umfangreichen „Auswahlbibliographie zum Thema Räumliche Probleme der Ausländerintegration” belegt: vgl. Bals 1991.
Der Terminus „raumbezogene Sozialforschung“ bzw. „raumbezogene Forschung” wurde als Oberbegriff für sozialwissenschaftliche Arbeiten und Ansätze gewählt, die einen expliziten Raumbezug aufweisen. Wie zu zeigen sein wird, teilen Arbeiten der „raumbezogenen Sozialforschung“, gleichgültig, ob sie aus der Geographie, der Stadt-und Regionalsoziologie, der Stadtethnologie oder vergleichbaren Subdisziplinen stammen, wesentliche strukturelle Gemeinsamkeiten, die aus dem Rückgriff auf dieselben Raumkonzeptionen resultieren.
Vgl. Läpple 1991a u. 1991b, Low 2001.
Vgl. Bartels 1974; Bartels Hard 1975; Blotevogel 1995; Eisel 1980; Hard 1970 u. 1993; Klüter 1994; Pohl 1993a; Weichhart 1993; Werlen 1993; sowie die Beiträge in dem Sammelband von Meusburger 1999.
Vgl. im Folgenden insbesondere: Hard 1986, 1987, 1993, 1996, 1998, 1999 u. 2000.
Vgl. im Folgenden insbesondere: Klüter 1986, 1994 u. 1999.
Vgl. im Folgenden insbesondere: Werlen 1987, 1993, 1995a, 19956, 1997.
Vgl. dazu: Bartels Hard 1975; Blotevogel 1995; Hard 1993, 70; Pohl 1993a, 259f.; Weichhart 1999.
Descartes und die Kartesianer sehen in der Ausdehnung die wesentliche Eigenschaft der Körper. Von der Ausdehnung der Körper wird dann auf die Körperlichkeit des Raumes geschlossen (vgl. auch Werten 1995a, 182ff.).
Vgl. hierzu neben Werlen 1993, 244ff., auch Werlen 1995a, 206–229.
Mit Raum und räumlichen Aspekten sind hier und in der folgenden Beschreibung der bisherigen sozialgeographischen Forschung, ganz im alltagssprachlichen Sinne, Ausschnitte der physisch-materiellen Erdoberfläche und erdoberflächliche Bezüge materieller und sozialer von räumlichen Differenzen in der Gesellschaft aus soziologisch-systemtheoretischer Perspektive mißverständlich und sogar falsch erscheinen muß. Denn in der systemtheoretischen Fassung der Gesellschaft kann Raum, solange er in der Gesellschaft vorkommt, nur Kommunikation bzw. kommunikativ erzeugt und nicht etwas Physisch-Materielles sein; in letzterem Fall würde Raum zur Umwelt der Gesellschaft gerechnet werden (vgl. Stichweh 1998, 347f.). Nichtsdestotrotz soll für die Darstellung der alltagssprachlichen und immerhin in weiten Teilen der Wissenschaft vorherrschenden Rede vom Raum zunächst an dem „gängigen“ Verständnis festgehalten werden. Auf die aus soziologischer Perspektive beachtlichen Schwierigkeiten und Unscharfen, die sich aus der etablierten Thematisierungsform von Raum ergeben, wird im Anschluß an die hier aufzuzeigenden historischen Hintergründe näher eingegangen.
Das gleiche Legitimationsargument trifft natürlich auch auf die verschiedenen, explizit raumbezogenen sozialwissenschaftlichen Sub-Disziplinen wie Stadtethnologie, Stadt-oder Regionalsoziologie zu.
Das gilt erst recht für Kants erkenntnistheoretische Radikalisierung der relativistischen Position, daß Raum kein physisch-materieller Gegenstand, sondern nur Voraussetzung und Form der Gegenstandswahrnehmung sein könne.
Vgl. Werlen 1993, 242–244; 1995a u. 1997.
Die geodeterministische Traditionslinie spannt einen historischen Bogen von Hegels Annahme eines „Naturzusammenhang(s) des Volksgeistes“ (Hegel 1961, 137.; zitiert nach Werlen 1995a, 199), „gemäß der die erdräumlich unterschiedlich ausgeprägten Naturbedingungen als Bedingungsfaktor für die,Volkskultur` gesehen wird” (ebd.), über die „Völkerindividuen“ Herders, der in den materiellen Grundlagen, u.a. dem Boden, die primäre „Prägungsinstanz” der „Seele des Volkes“ erkennt (vgl. Werlen 1995a, 200), über das „völkische Denken” und die Logik der „Blut-und-Boden-Ideologien“ im Nationalsozialismus bis hin zur Vorstellung eines räumlich begrenzten Regionalbewußtseins bei dem „hermeneutischen Geographen” Pohl (1986 u. 19936).
Vgl. Schultz 1998; Werlen 1993, 244; Werlen 1995a, 199.
Vgl. für die klassische Geographie exemplarisch Hettners Definition der „Geographie als chorologische(r) Wissenschaft von der Erdoberfläche“, mit der er die Geographie als nomothetische Wissenschaft an der Universität zu etablieren versuchte (vgl. Hettner 1927, 121; zitiert nach Werlen 1993, 246). Hettner stilisierte dabei den (Natur)-Raum zum Kausalfaktor der „verschiedenen Erscheinungen” an der Erdoberfläche.
Vgl. hierzu: Werlen 1995a, 196 u. 224ff.; 1997, 50ff. und 72ff.
Vgl. Esser 1988; Löw 1997 u. 2001; Werlen 1997, 181–193 u. 206–213.
Eisel beschreibt die durchgängige Verbindung von Raum und Sozialem in der Geschichte der Geographie als „die anachronistische Verlängerung eines organizistischen Weltbildes“. In der Geschichte und „Philosophie” der Geographie tauche die Leib-oder Körper-Metapher immer wieder auf; die „Erde“ erscheine in der Form „eines,Leibes`, in dem Kultur, Geschichte oder Gesellschaft,wohnen` wie der,Geist` im,Körper”` (vgl. Eisel 1980, 547f).
Vgl. in diesem Sinne z.B.: Dangschat 1994a, 337f.; Lapple 1991b, 167ff.; Low 2001, 133f.; oder Treibel 1990, 17. Dangschat z.B. skizziert in angeblicher Abgrenzung zur Geographie in Anlehnung an Läpples Vorschlag eines Konzeptes „gesellschaftlicher Räume“ (Läpple 1991a u. 1991b) eine als neu apostrophierte Perspektive, die die Geographie tatsächlich bereits seit ihrem universitären Bestehen vertritt und die daher ein wortwortliches Zitat geographischer Selbstbeschreibungen darstellen könnte: Zu erforschen seien,,gesellschaftliche Raume”, unter denen „der räumliche Ausdruck sozialer Beziehungen (Interaktionen) zwischen sozialen Einheiten und Dingen, mithin die räumliche Manifestation sozialer Verhältnisse“ zu verstehen seien. Die „materielle Struktur des Raumes” sei „als materielles Substrat Ökonomisch-sozialer Funktionszusammenhänge und somit als materielle Komponente eines gesellschaftlichen Verhältnisses, das sich als,Mensch-Ding-Verhältnis` artikuliert“, zu interpretieren (vgl. Dangschat 1994a, 338f. und 348ff., sowie Dangschat 1994b ).
Vgl. z.B.: Heinritz Helbrecht 1998; Pohl 1993a, 261; Scholz 1998; Weichhart 1990 u. 1993.
Z.B. wird das soziale Phänomen des Pendelns üblicherweise auf die pendelnden Personen projiziert; Bildungsinstitutionen werden anhand von Schulen, Universitäten etc. lokalisiert; oder es wird eine „Kartierung“ von Gewalt über den Ort des Verbrechens durchgeführt.
Z.B.: „Innerstädtisches soziales Problemviertel“, „sozialer Brennpunkt” oder „Regionen mit Wissensvorsprung“ (Meusburger 1998, 189), „kreative Milieus”, „lernende Regionen“ usw.
So z.B. bei den einleitend skizzierten gängigen Erwartungen der Migrationsforschung, daß das Aufwachsen der Kinder der Arbeitsmigranten in den segregierten, innerstädtischen „Problemvierteln“ ihre Integrations-und Bildungsaufstiegswahrscheinlichkeit verringert (vgl. Bundesministerium 2000, 171).
Vgl. zu den (deterministischen) Gravitationsmodellen: Kuls 1993, 171ff., u. Schweitzer Müller 1979; zur sozialwissenschaftlichen Anwendung und Berechnung von Segregationsindizes: Duncan Duncan 1975a u. 1975b; zur „Kontakthypothese“ der Sozialökologie: Alpheis 1990; vgl. zur Thematik „Sozialphysik” aber auch Piepers Untersuchung zur Mechanik der Solidarität (Pieper 1989 ).
Vgl. z.B.: Vaskovics 1982; oder: zum Felde Alisch 1992; siehe aber auch Kapitel B.III.3.1.
Vgl. z.B.: Greverus 1972 u. 1987; oder: Pieper 1987; siehe aber auch Kapitel B.111.3.2.
Bekanntlich konzipiert die soziologische Systemtheorie in der Fassung, die Luhmann ihr gab, die sozialen Systeme in der modernen, funktional differenzierten Gesellschaft als aus nichts anderem als Kommunikationen bestehend (vgl. Luhmann 1997 ). Daraus folgt, daß alle räumlich-materiellen Phänomene grundsätzlich zur Umwelt aller sozialen Systeme und damit auch nicht zur Gesellschaft gehören. Nur in der Form der kommunikativen Thematisierung kann Räumlich-Materielles relevant werden. Dann ist es allerdings, „ontologisch“ gesehen, ebenfalls nichts anderes als ein Element von Kommunikation.
Ein soziales System z.B. als ein Areal oder als ein Distanzrelationsgefüge (also geometrisch) zu kodieren, anders gesagt, es im chorischen Raum zu lokalisieren, ist im Prinzip nicht sinnvoller als ein Versuch, ein soziales System mittels Gewichten, Kalorien oder Temperaturen zu beschreiben“ (Hard 1987, 27).
Nattirlich ist die Betonung der Möglichkeit, verschiedenste Bedeutungen auf Räumlich-Materielles projizieren, also gewissermaßen beliebig viele Bedeutungsschichten auf einem gegenständlichen Ding „aufstapeln“ zu können, für Soziolog(inn)en nichts Neues. Gleichwohl ist die Selbstverständlichkeit, mit der in der raumbezogenen Sozialforschung suggeriert wird, man könnte die Bedeutung des Räumlichen analysieren, immer wieder verblüf-fend. Vgl. dazu exemplarisch erneut: die „Regionen und Städte mit Wissensvorsprung” bei Meusburger (1998, 189); die „Orte, die Gültigkeitsbereiche von Normen definieren” oder „Gemeinschaftsbindung“ und „personale und soziale Identitäten” konstituieren, bei Weichhart (1993, 229 u. 231f.); die „Orte der Fremdheit“ und „Räume der Benachteiligung und Marginalisierung” bei Haußermann (1998, 149f. u. 169); sowie die gesellschaftlichen „Funktionsräume“ bei Lapple (199la, 44f.) und Freund (1998).
Genau diese Überlegung liegt dem Ansatz der Wahrnehmungsgeographie zugrunde. Sie verstrickt sich allerdings in andere methodologische Probleme. Siehe dazu Kap. B.111. 3. 2.
Als Bestandteil der psychisch-mentalen Welt wird Raum in der Perzeptionsgeographie und der „raumbezogenen Identitätsforschung“ konzipiert. Siehe dazu Kap. B.1113.2.
Vgl. neben Pries 1997 auch Pries 1998 u. 1999.
Vgl. z.B.: Heimeyer Muller Schroder 1997, 81ff. u. 161ff.; Krummacher Waltz 1996, 227ff.
Vgl. etwa die sozial-und bevölkerungsgeographischen sowie die stadtsoziologischen Beiträge in den Sammelbänden von: Friedrichs 1988; Glebe O’Loughlin 1987; Heitmeyer Dollase Backes 1998; Jackson Smith 1981; Kemper Gans 1998; O’Loughlin Friedrichs 72 Vgl. zu jüngeren Tendenzen der sozialen und räumlichen Polarisierungen der Städte, von der insbesondere Migranten betroffen sind und die als Verfestigung von Schichtbildungsprozessen interpretiert werden: Bremer 2000; Dangschat I996a; Häußermann 1998; Musterd Ostendorf Breebart 1997; Odermatt 1999. Zur „ethnischen“ Strukturierung der städtischen Arbeitsmärkte vgl.: Fassmann 1997; Hillmann 1997; Rudolph Hillmann 1997.
Welche, wie zu operationalisierenden „Merkmale“ eines Behälterraums (Territoriums, Stadtviertels etc.) werden für die jeweilige Untersuchung ausgewählt?
Siehe dazu die entsprechenden Beispiele in der Einleitung und in Kap. B.11.5.
Vgl. im Folgenden: Dangschat I994a, 19946, 1995, 1996b, 1997 und 1998.
Auf der Mikroebene werden individuelle Verhaltensweisen, Bedingungen und Interaktionen der Akteure relevant; das „Wohnquartier“ oder der „städtische Raum” stellen die Mesoebene,auf der dann z.B. Segregationen beobachtet werden, dar; mit der Makroebene sind „globale, nationale und regionale“ Bezüge gemeint (vgl. z.B. Dangschat 1998, 27ff.).
Der „Matrix-Raum“ bzw. der „gesellschaftliche Raum”, den Läpple als sozialwissenschaftlich angemessene Konzeptualisierung des Raum-Gesellschafts-Verhältnisses vorschlägt, unterscheidet sich nicht von den Eigenschaften der oben im allgemeinen diskutierten Relationalraummodelle (vgl. Läpple 199la u. 199 lb): In der Form der „materiell-physischen Raumstruktur, die sich darstellen läßt durch das erdräumliche Beziehungsgefüge der Lagen und Standorte“ (Läpple 1991a, 41) der körperlichen Objekte manifestierten sich die gesellschaftlichen „Kräfte”, „Bedingungszusammenhänge“ und „Symbolsysteme”. Sie „formen“ und „gestalten” das materiell-physische Substrat der Welt und damit auch die räumlichen Ordnungsstrukturen (ebd., 41f.). Die ontologische Verschmelzung von Räumlich-Materiellem und Sozialem — Läpple würde es als das „Resultat der (…) Aneignung der Natur“ bezeichnen (ebd., 43) — wird dann „gesellschaftlicher Raum” genannt.
Auch mit dieser Raum-Konzeption handelt man sich alle Probleme der Verräumlichung von Sozialem ein: angefangen von der hypostasierenden Annahme, soziale Phänomene (und zwar alle) hätten räumlich-materielle Eigenschaften mit der bekannten Folge einer forschungspraktischen Fixierung auf diejenigen materiellen Träger, auf die Sozialität projiziert wird, über das Selektionsproblem und die Tendenz einer „Struktur-Präferierung“ bis hin zu homogenisierenden und deterministischen Aussagen hinsichtlich der sozialen Bedeutung von Räumen (s. Kap. B.111.2.2).
Vgl. auch Esser 1990d, 42ff.
Vgl. exemplarisch: Blotevogel Heinritz Popp 1987, Greverus 1987, Huber 1999, Pohl 1993b, Proshansky Fabian Kaminoff 1983, Sachs 1993, Weichhart 1990.
Für Migrantenjugendliche ist wiederholt beschrieben worden, daß die mit unterschiedlichen Raumaneignungen und „Inbesitznahmen von Territorien“ verbundenen alltäglichen Handlungsmuster wichtige Bestandteile einer jugendkulturellen Identitätsbildung im Migrationskontext darstellen. Vgl.: Back 1996; Bielefeld Kreiss) Münster 1982; Bommes 1993, 56ff.; Nohl 1996, 152ff.; Tertilt 1996; Whyte 1996 (1943).
Deutlich kommt die Relevanz von Raum für die Konstitution einer ethnischen Gruppe im Modell der „ethnischen Kolonie“ zum Ausdruck. Aber auch die wissenschaftliche Untersuchung ethnischer Bewegungen und Konflikte zeigt, daß durch Ansprüche auf bestimmte „eigene” Territorien Raum häufig zu einer der umkämpftesten Ressourcen wird (vgl. Rothschild 1981, Waldmann 1989).
Vgl. als empirische Beispiele: Pohl 1993b; Sachs 1993.
Zur geographischen „Regionalismus“-Debatte bzw. zur „Regionalbewußtseinsforschung” vgl.: Blotevogel Heinritz Popp 1986, 1987 u. 1989; Pohl 1993b; Weichhart 1990. Zu ihrer Kritik vgl.: Hard 1987 u. 1996; Klüter 1994; Werlen 1995a, 202, u. 1997, 74–76.
Vgl. Wenzel 1982.
Vgl. Baraldi Corsi Esposito 1997, 85ff. u. 186ff., sowie Luhmann 1985, 16 u. 286ff.
Vgl. als empirisches Beispiel für die genannten Problembereiche die Untersuchung der „Ortsbindung von Ausländern“ in Köln von Sachs (1993).
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Pott, A. (2002). Migration — Ethnizität — Raum: Eine Kritik der theoretischen Angebote der Migrationsforschung und ihrer Anwendungen. In: Ethnizität und Raum im Aufstiegsprozeß. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09997-0_2
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