Zusammenfassung
Die Strukturrekonstruktion wurde eingeleitet durch die Frage nach der allgemeinen Problematik, die in den empirischen Ergebnissen „aufbewahrt“ sei: sowohl in der Statuspassage als advokatorisch zu füllendem Gestaltungsspielraum als auch in der Statuspassage als krisenmanagementbedachtem Berufsrisiko. In diesem Sinne war die Antwort eine Hypothese „aufs“ Typische. Sie lautete, das gemeinsam geteilte Statuspassagenproblem ist die Herstellung einer Balance von Engagement und Distanz zur Berufsrolle.
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Literatur
Eines der großen Themen in den Interviews mit dem Nachwuchs in der Sozialarbeit - nicht dagegen in der Professionalisierungsdebatte der Sozialarbeit - ist das Problem des Abstandhaltens, was heißt, daß es offensichtlich schwierig ist, ein biographisch praktikables Verhältnis zum Beruf zu sichern, ein solches, das weder die Person emphatisch in der Rolle aufgehen und ausbrennen laßt, noch die Rolle technokratisiert. Die Interviews mit Nachwuchs-Sozialarbeiterinnen zeigen den ganzen Druck, der auf den Berufseinsteigerinnen lastet, die ständigen Anstrengungen, die gemacht werden, um nicht in die Fänge dieser Strukturproblematik des Berufs zu geraten.
Zu den Paradoxien des sozialarbeiterischen Handelns vgl. den Exkurs im Anschluß an dieses Kapitel.
Der Strukturrekonstruktion wurde keine theoretische Exegese des Habitusbegriffs Bourdieus (1991) vorangestellt. Mit ihr wäre das Deduktionsproblem beschworen worden. Sie hätte zur Bestimmung quasi-normativer Elemente als Bedingungen der Habitusbildung geführt und von dort zum Abprüfen am Material. Abgesehen vom methodologischen Argument gegen die Prüfung der Empirie an der Theorie, wäre sie letztlich eingemündet in eine Schwarz-Weiß-Malerei. Der Ansatz Bourdieus wurde vielmehr für die theoretische Erörterung der Ergebnisse der Strukturrekonstruktion - als „Steinbruch” - genutzt. Damit ist die Wahl des theoretischen Begriffs selbst einer Prüfung auf Bewährung ausgesetzt.
Der hier verwendete Projektbegriff ist angelehnt an Larson ( 1977: 6), die im Hinblick auf die gesellschaftshistorische Organisation der freien Berufe vom Projekt der Professionalisierung spricht. Projekt insofern, als die in den Entscheidungen der Akteure zur Geltung kommenden Strategien und Relevanzen keineswegs in Form von Handlungskonzepten und in diesem Sinne abrufbar vorlägen - auch nicht bei den Protagonisten eines Projekts. Dennoch läßt sich Larson zufolge nachweisen, daß der Verfolgung eines Projekts der Professionalisierung ein homologes Muster zugrundeliegt, das allerdings erst nachträglich in den Einzelentscheidungen und Maßnahmen zu entdecken ist.
Für beide Personen gilt, daß sie im Suchtbereich arbeiten bzw. sich dahin orientieren. Daß gerade sie als exemplarische Fälle erscheinen, ist insofern nicht zufällig, als anzunehmen ist, daß hier das Habitusproblem besonders virulent ist. Der Professionelle ist hier in verstärktem Maße zur,offenen Auseinandersetzung’ gezwungen, um, wie es bei Schütze (1992:139) heißt,,,… den roten Faden seiner biographischen Identität vor dem Zerreißen zu bewahren.” Es ist davon auszugehen, daß fir das Arbeitsfeld der Suchthilfe beides zugleich in erhöhtem Maße gegeben ist: die Möglichkeit des Nicht-Bestehens der Zerreißprobe einerseits sowie die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit den Verstrickungsgefahren des professionellen Handelns andererseits.
Verwiesen sei hier auf die Formulierung Friedländers (1969:82), daß die Sozialarbeiter ihre berufliche Rolle erst dann „voll ausftlllen”,,,… sobald es ihnen zur Gewohnheit geworden ist, auch das eigene Selbst als Hilfe im Beruf zu benützen.”
Vgl. zum „Arbeitsbündnis” zwischen Arzt und Patient Häfner 1994.abnimmt. Dafür, daß sie ihrerseits diese Leistung erbringt, trägt die Sozialarbeiterin selbst die Verantwortung, die Verantwortung für sich selbst, dafür, daß sie die „Fehlerquellen aus der persönlichen Gleichung” überwindet und - in einer Formulierung Schützes (1992:139)
Insofern läßt sich sagen, daß die Überarbeitung der eigenen Individualität, die die Person der Sozialarbeiterin zu leisten hat, strukturhomolog zum dem Klienten zugemuteten Lernprozess ist. Als treibende Kraft kann in beiden Fällen das Prinzip der stellvertretenden Deutung des eigenen Handelns gelten (Oevermann), d.h. auch das Eröffnen einer erweiterten, durch weitere Lesarten angereicherten Perspektive, die die alten, konfliktuösen Perspektiven rekonstituiert.
In der Trennung von Person und Berufsrolle ist prinzipiell auch dasjenige Moment zu sehen, das das „Übergreifen” des professionellen Habitus auf nicht-rollenförmige, diffuse Sozialbeziehungen, z.B. Freundschafts-und Familienbeziehungen verhindert. Als zusätzliches Moment müßte vermutlich die „Antizipation” eines möglichen Übergriffs in diese Richtung veranschlagt werden (ein gesprächsweise von G.-U. Dietz geäußerter Hinweis). Die Folgen eines derartigen Übergriffs wären insofern verheerend, als er die für private Beziehungen typische Orientierung an der Person des Gegenübers durch ein universalistisches Interesse verstellte, was der Austauschbarkeit des Gegenübers gleichkäme.
Im Rekurs auf die These Offes (1984) über die abnehmende Determinationskraft des Deutungsmusters Arbeit ist der Schluß bemerkenswert, den Roethe zieht, daß im Alltag sehr wohl unterschieden wird zwischen Arbeit und Beruf, daß diese Unterscheidung weiterhin Erwerbsbiographien prägt und der Beruf aufgefaßt wird als Hülle der persönlichen Entwicklung und des Biographieentwurfs.
Die Subtilität der Darstellungen Schützes bleibt durch die Paraphrasierung auf der Strecke.
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Nagel, U. (1997). Der Habitus „engagierter Rollendistanz“ Das Professionalisierungsprojekt. In: Engagierte Rollendistanz. Biographie & Gesellschaft, vol 26. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09931-4_6
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