Zusammenfassung
Die pädagogische Bedeutung des Betriebs war nicht immer selbstverständlich. Sie ist — genau genommen — ein Phänomen der jüngeren Zeit. Seit Beginn der achtziger Jahre werden Betriebe im Zuge moderner Strategien der Personal- und Organisationsentwicklung in direkter Weise zu pädagogischen Handlungsfeldern wie auch zum Einsatzfeld ausgebildeter PädagogInnen (vgl. Harney/Nittel 1995; Arnold 1991). Bis zu diesem (nur unscharf bestimmbaren) Zeitpunkt waren Betriebe nicht direkt, sondern indirekt — nämlich im „Umweg“ über die Form des Berufs — Gegenstand der Pädagogik. Obgleich wir in der Alltagssprache oft von Beruf sprechen, aber Betrieb meinen (und umgekehrt), ist es wichtig, beide Bereiche zu unterscheiden: Berufe stellen eine von Betrieben abgesonderte Form der Arbeitsteilung dar, die als Ordnungsgrundlage für Ausbildungsprozesse fungiert. Inwieweit Betriebe — auch wenn sie ausbilden — die Arbeitsteilung der Berufe in ihre eigene Arbeitsteilung übersetzen, hängt von wirtschaftlichen Überlegungen, Standorttraditionen, Rationalisierungsstrategien, Produktumstellungen usf. ab, steht also permanent zur Disposition (vgl. Harney 1990). Auszubildende spüren diese Tatsache daran, daß sie in Betrieben vieles nicht lernen, was sie für die Abschlußprüfung benötigen, oder daß sie vieles von dem, was sie in der Ausbildung gelernt haben, nach der Ausbildung betriebspraktisch nicht mehr verwerten können (vgl. Köhler/Preisendörfer 1988). Berufe stellen eine eigene — öffentliche — Realität dar, während Betriebe Räume privatwirtschaftlichen Handelns abgeben. Bislang hat sich die Pädagogik über den Beruf als öffentliche Realität auf den Betrieb bezogen (vgl. Stratmann 1992). Heute ist es eher umgekehrt. In jedem Fall bleibt die Bedeutung des Betriebs für die Pädagogik ungeklärt, wenn man sie nicht in den Unterschied von privat und öffentlich, von betrieblicher und beruflicher Orientierung des Handelns einbezieht.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Abels, H.: Berufserziehung und beruflicher Bildungsweg. Braunschweig 1968.
Arnold, R. (Hrsg.): Taschenbuch der betrieblichen Bildungsarbeit. Hohengehren 1991. Baecker, D.: Die Form des Unternehmens. Frankfurt a.M. 1979.
Busch, E.-W.: Das Auge der Firma. Mayos Hawthorne — Experimente und die Harvard Business School. 1900–1960. Stuttgart 1989.
Ebers, M.: Der Aufstieg des Themas „Organisationskultur“ in problem-und disziplingeschichtlicher Perspektive. In: Dülfer, E. (Hrsg.): Organisationskultur. Phänomen — Philosophie — Technologie. Stuttgart 1991, S. 39–64.
Greinert, W.: Das „deutsche System“ der Berufsausbildung. Geschichte, Organisation, Perspektiven. Baden-Baden 1993.
Habermas, J.: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Neuwied/Berlin 51971
Harney, K.: Berufliche Weiterbildung als Medium sozialer Differenzierung und sozialen Wandels. Frankfurt a.M. 1990.
Harney, K./Storz, P.: Strukturwandel beruflicher Bildung. In: Müller, D.K. (Hrsg.): Pädagogik, Erziehungswissenschaft, Bildung: Eine Einführung in das Studium. Köln/Weimar/ Wien 1994, S. 352–382.
Harney, K.: Pädagogisierung der Personalwirtschaft — Entpädagogisierung der Berufsbildung. In: Der pädagogische Blick (1994), I, S. 16–17.
Harney, K./Tenorth, H.-E. (Hrsg.): Beruf und Berufsbildung. Weinheim/Basel 1999. Harney, K. u.a.: Lifelong Learning: One Focus — Different Systems. Frankfurt a.M. 2002.
Henkel, M./Tubert, R.: Maschinenstürmer. Ein Kapitel aus der Sozialgeschichte des techni-
schen Fortschritts. Frankfurt a.M. 1979.
Holleis, W.: Unternehmenskultur und moderne Psyche. Frankfurt a.M./New York 1987. Körzel, R.: Berufsbildung zwischen Gesellschafts-und Wirtschaftspolitik. Bochum 1994 ( Phil. Diss.).
Muth, W.: Berufsausbildung in der Weimarer Republik. Stuttgart 1985.
Naschold, F./Pröhl, M. (Hrsg.): Produktivität öffentlicher Dienstleistungen. Dokumentation eines wissenschaftlichen Diskurses zum Produktivitätsbegriff. Gütersloh 1994. Neuberger, O.: Personalentwicklung. Stuttgart 1991.
Obendiek, H.: Arbeiterjugend im Kaiserreich. Die berufspädagogische Antwort auf ein jugendpolitisches Problem. Darmstadt 1988.
Sattelberger, T. (Hrsg.): Innovative Personalentwicklung. Wiesbaden 1989.
Schneider, D.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. München 31987.
Stratmann, K.W.: „Zeit der Gärung und Zersetzung“. Arbeiterjugend im Kaiserreich zwischen Schule und Beruf. Weinheim 1992.
Tenorth, H.-E.: Geschichte der Erziehung. Einführung in die Grundzüge ihrer neuzeitlichen Entwicklung. Weinheim/München 1988.
Rights and permissions
Copyright information
© 2004 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Harney, K. (2004). Betrieb. In: Einführung in Grundbegriffe und Grundfragen der Erziehungswissenschaft. Einführungskurs Erziehungswissenschaft, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09887-4_16
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-09887-4_16
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-4239-2
Online ISBN: 978-3-663-09887-4
eBook Packages: Springer Book Archive