Zusammenfassung
Modelliert man menschliche Individuen als kognitive, autopoietische Systeme, stellt sich die Frage, wie operational geschlossene, an ihr Medium1 strukturell gekoppelte Organismen mit geschlossenen Nervensystemen miteinander interagieren können. Wenn schon — so könnte man fragen -die biologisch-kognitionstheoretischen Voraussetzungen, die in der Theorie autopoietischer Systeme (vgl. Maturana 1982) formuliert sind, den Common-Sense-Annahmen über die „Natur“ des Menschen (als eines für seine Umwelt offenen, durch seine Sinne die Realität erkennenden Wesens) zum Teil erheblich widersprechen, wie groß mögen dann erst die Unterschiede zwischen einer auf der Theorie autopoietischer Systeme aufbauenden Kommunikations- und Sprachtheorie und den seit Generationen populären kommunikations- und sprachtheoretischen Überzeugungen (z.B. von der natürlichsprachlichen Informationsübertragung) sein?
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Literatur
‚Medium’ bezeichnet hier nicht den kommunikationstheoretischen Medienbegriff (Medien als Kommunikationsmittel), sondern den Begriff eines physikalischen bzw. chemo-physikalischen Mediums, in dem autopoietische Systeme — gewissermaßen wie Fische im Medium Wasser — existieren.
Umgekehrt werden Orte innerhalb des Mediums nun gerade durch bzw. als bestimmte Konfigurationen von Erlebnisqualitäten überhaupt erst bestimmt.
Von hier bis zur Annahme eines abstrakten Verhaltens- oder Sprachsystems ist es nur noch ein kleiner Schritt, wenn man die beteiligten Individuen und deren kognitive Leistungen außer Acht läßt.
Abweichend vom üblichen Sprachgebrauch in der Publizistik/Journalistik wird der Begriff des Meinens hier nicht im Sinne des Äußerns von Meinungen, Einstellungen oder Ansichten verwendet, sondern im Sinne des englischen ‘to mean’: beabsichtigen, sagen wollen, bedeuten. So wird üblicherweise mit der Äußerung einer Bitte gemeint, daß der Adressat das in der Äußerung der Bitte Bezeichnete tun oder unterlassen möge.
Tatsächlich sind solche Kriterien (in ihrer Funktion als Kriterien) aber ebenfalls sozial kontrolliert und nicht strikt „intern“. Sie treten als formale bzw. ästhetische Eigenschaften kognitiver Leistungen bzw. manifester Äußerungen solcher Leistungen (und hier vornehmlich mit Bezug auf den gedanklich-sprachlich-symbolischen Bereich) insbesondere in der selbstbezüglichen Bewertung eigener (Äußerungen von) Kognitionen in den Vordergrund. Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten können (und müssen mitunter, um mit einem Interaktionspartner zum Verstehen zu kommen) gedacht und geäußert werden. Funktional oder operational gesehen behindern oder verhindern konzeptuelle Inkohärenzen oder Dissonanzen aber die Planung und Ausführung (im Sinne von Zielerreichung) erfolgreicher Handlungen. Der Erfolg von Handlungen wird aber insbesondere durch solche Teilhandlungen be- oder verhindert, die für die Erreichung des Zieles förderliche Schritte, z.B. die Erreichung von Teilzielen, im weiteren Handlungsverlauf zunichte machen bzw. von der Erreichung des Zieles wegführen. Aus der Umgangssprache sind dafür Wendungen wie z.B. „Zwei Schritte vor, drei zurück“ bekannt. Stringenz im Handeln und Rationalität im Denken lassen hier ihre gemeinsamen Wurzeln in einer operationalen Logik erkennen.
Ein Beispiel für die konventionale Regelung spezifischer Kommunikationsbelange liefert die Empirische Theorie der Literatur mit dem Postulat der Tatsachen- und Ästhetik-Konvention (vgl. Schmidt 1980).
Dies gilt vor allem für W. Diltheys Vorschlag zur Unterscheidung und Teilung der Wissenschaften in verstehende (Geisteswissenschaften) und erklärende (Naturwissenschaften); vgl. Dilthey 1981. Zur Hermeneutik allgemein, vgl. Birus 1982, Coing 1976, Geldsetzer 1975, Japp 1981, Raible 1983, Ricklefs 1975, Rusterholz 1975.
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Rusch, G. (1994). Kommunikation und Verstehen. In: Merten, K., Schmidt, S.J., Weischenberg, S. (eds) Die Wirklichkeit der Medien. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09784-6_5
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