Zusammenfassung
Ziel dieses Beitrages ist es, Nachrichtenproduktion und -rezeption als Prozesse der Selektion und Konstruktion sozialer Wirklichkeit zu begreifen. Analysiert werden sollen die Selektionskriterien der Produzenten und der Rezipienten von Nachrichten. Die zentralen Fragen lauten: Welche Ereignisse werden zur Nachricht? Welche der produzierten Nachrichten werden publiziert? Wie werden Nachrichten geschrieben? Welche Nachrichten werden rezipiert und verstanden? Und: Was machen verschiedene Rezipienten mit der Nachricht?
„Geburtenrückgang …äh,… tja,… das wars eigentlich.“
Mündliche Wiedergabe einer 15-minütigen ARD-Tagesschau durch einen Rezipienten.
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Referenzen
„Die Katastrophe ist die Nachricht par exellence […] Das trifft auf den Ausbruch eines Vulkans ebensogut zu wie auf den atomaren Fallout oder auf die sich ,aus heiterem Himmel’ ergebende Flugschau-Katastrophe“ (Lindner 1990: 127).
Man kann dafür bereits evolutionäre Gründe anführen: Negative Ereignisse — die Bedrohung des Lebens durch Feinde — erzeugen mehr Aufmerksamkeit als „positive“ Ereignisse, etwa Chancen zur Reproduktion.
„Themenselektion durch Aktualität etwa […] ermöglicht Entlastung von schwer durchschaubaren Relevanzstrukturen und offeriert Bewußtseinsinhalte ohne Zwang zu anschließendem Handeln. Zwischen den Fernsehkanälen kann die Aufmerksamkeit frei flottieren in einer Vielzahl von medialen Bewußtseinsströmen, in denen alles und somit nichts Zeichencharakter besitzt“ (Spangenberg 1988: 791 f.). Zu möglichen Grenzen des journalistischen Aktualitätsbegriffs siehe auch Ruhrmann 1993.
Wie genau kann ein Journalist angesichts der schleichenden Glaubwürdigkeitskrise im politischen System erkennen, wann die Kompetenz und die Vertrauenswürdigkeit einzelner Politiker wirklich aktuell wird (vgl. Bentele 1988)? Entsprechende demoskopische Daten (die wie Fakten behandelt werden) bieten die Möglichkeit, bestimmte Trends und „Werte“ zur Nachricht zu machen.
Dazu gehören u.a.: Wechselseitiges Abstreiten valider und/oder rationaler Argumentationen und Wahrnehmungen, Mißtrauen, (De-)Politisieren oder (De-)Legitimierung der jeweils anderen Position.
Vgl. jedoch die weiterführenden Ansätze und Befunde von Merten 1977b; Merten 1985a; Jensen 1986; Robinson/Levy 1986; Merten 1988a; Lutz/Wodak 1987; Ruhrmann 1989 sowie von Giegler/Ruhrmann 1990.
Bei Erinnerungs- und Wiedergabetests schließen die Forscher aus Veränderungen der Originalmeldungen durch den Rezipienten auf die nicht direkt beobachtbaren Verstehensprozesse (vgl. Lutz 1988: 10 ff., 63 ff.; siehe auch Graber 1984; van Dijk 1988; Berry 1988; Giegler/Ruhrmann 1990). Kritisch dazu: Brosius 1995: 66 ff.
Dieser Aufmacher bietet insgesamt 26 Aussagen an.
Die Aussagen der Rezipienten werden in Bezug zur gesendeten Meldung numeriert. Ein ,F’ markiert jeweils Aussagen, die in der Sendung nicht präsentiert wurden und vom Rezipienten bei Nachrichtenwiedergabe dazuerfunden wurden.
Bei den hier und nachfolgend angegebenen Merkmalen handelt es sich um signifikant vom (Skalen-)Mittelwert des Samples abweichende Clustermittelwerte. Zu weiteren (quantiativen) Einzelheiten siehe Ruhrmann 1989: 120 ff.
Einen ähnlichen Zusammenhang zwischen relevanten Meldungen und Erinnerungs- sowie Verstehensleistung finden Graber (1984: 33 ff.; 86 ff.), Findahl/Höijer 1985: 385 ff. sowie Merten 1988a: 35.
Auf den Einfluß des politischen Interesses auf Erinnerungs- und Verstehensleistung von Nachrichtenrezipieten haben Jensen (1986: 258 ff.) sowie Lutz/Wodak (1987: 139 ff.) hingewiesen.
Entsprechende Zusammenhänge zwischen Nachrichteninhalten und Rezeptionsmustern wurden bereits von Robinson/Levy (1986) vorgestellt.
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Ruhrmann, G. (1994). Ereignis, Nachricht und Rezipient. In: Merten, K., Schmidt, S.J., Weischenberg, S. (eds) Die Wirklichkeit der Medien. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09784-6_12
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-12327-1
Online ISBN: 978-3-663-09784-6
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