Zusammenfassung
„Die soziale Konstruktion von Fremdenfeindlichkeit“ bildet das Thema der vorliegenden Arbeit, deren Ziel die Beantwortung der Frage nach der Konstituierung von Fremdenfeindlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland war. Die Untersuchung der beiden ausgewählten Debatten diente dabei der Ermittlung der Konstruktionsmechanismen, die Fremdenfeindlichkeit als soziales Phänomen konstituieren.
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Literatur
Die Analyse hat weitere Diskursmuster herausgearbeitet, die aber in einer Gesamtbetrachtung nicht denselben Stellenwert einnehmen, da sie nicht die Diskurse als Ganzes charakterisieren, sondern den drei genannten Mustern unter-bzw. nebengeordnet werden können.
Der Verweis auf die Zahlen, die Forderung nach ihrer Senkung und der Hinweis auf die zu hohe Asylbewerberzahl lassen sich als „Zählwahn“, als rhetorisches Mittel der Aus- grenzung interpretieren: die reine Zahl der Asylbewerber wird als Problem für die Gesellschaft konstruiert. Durch statistische Beobachtung werden Grenzwerte der Belastbarkeit von Bevölkerung und Staat hergestellt und diese Daten als „Fakten” im Diskurs etabliert. Der Begriff des „Zählwahns“ stammt von Garland (1985: 112f), der ihn bei der Beschreibung der Entstehung der positivistischen Kriminologie entwickelt.
Die Verbindung von Kriminalität mit illegaler Einwanderung ist ein Deutungsmuster, das fast immer im Zusammenhang mit ausländischen Flüchtlingen auftaucht. Ein aktuelles Beispiel dafür bildet der Umgang mit albanischen Flüchtlingen. Bayerns Innenminister bezeichnet Albaner, die im Frühjahr 1997 über Bayern in die Bundesrepublik einreisen, als Kriminelle und erklärt, es gehe nicht an, „daß wir die illegale Zuwanderung augenzwinkernd hinnehmen“ (Beckstein (CSU), zit. n. Münstersche Zeitung, 20. 3. 97 ).
Der Aspekt der inneren Sicherheit taucht auch im Zusammenhang mit der Egalisierung von Rechts-und Linksextremismus im Diskurs auf, wo u.a. eine Kriminalisierung der Linken erfolgt. Diese Konstruktion wird in der sich anschließenden Darstellung des Diskursmusters „Antikommunismus“ diskutiert
Eine ausführliche Analyse der Entstehung des Begriffs „Sympathisant“ in der öffentlichen Auseinandersetzung um den Terrorismus und seiner symbolischen Bedeutung findet sich bei Treiber (1984: 32511). Der Begriff taucht im „Duden” 1973 zum erstenmal auf (Link 1983: 36).
Der Begriff „Zigeuner“ entstammt nicht der Zigeunersprache, sondern stellt eine Fremdbezeichnung dar (Stehr 1994: 292, Fn. 13, Rakelmann 1980: 151). Zigeuner kennen fir sich keine einheitliche Bezeichnung; ihre kulturelle Abgrenzung nehmen sie selber durch die Trennung von der Gruppe der „Nicht-Zigeuner” („Gaje” oder „Gadsche“) vor, wodurch sich die Ethnie erst konstituiert.
Hall (1982: 531) hat dies ähnlich in bezug auf die Schwarzen formuliert.
Wer nicht Staatsbürger ist, soll nur als Gast in Deutschland leben und muß unter Fremdengesetzgebung stehen“ (zit. n. Trittin 1993: 82), lautet ein Punkt des Parteiprogrammms der NSDAP von 1920. Die Nationalsozialisten haben damit ganz deutlich den Begriff des Gastes zur Entrechtung unerwünschter Bürger verwendet.
Vgl. Althoff 1997, wo ich diesen Aspekt schon ähnlich diskutiert habe.
Der Verweis auf die Entindividualisierung sozialer Probleme bei gleichzeitiger Individualisierung der Problemursachen als Merkmal des Kriminalitätsdiskurses stammt von Lehne (1994: 248ff).
Beispiele dafür liefern auch der Globke-Konflikt Ende der 50er bis Anfang der 60er Jahre (vgl. Boumann/Herz 1995), der Konflikt um die Vergangenheit Kiesingers in den 60er und auch die Auseinandersetzungen um die Bedeutung der APO Anfang der 90er Jahre (vgl. Althoff 1996). In all diesen Konflikten bildet der Antikommunismus ein zentrales Deutungsmuster.
Umgekehrt scheint dieses Diskursmuster keine Anwendung zu finden. Betrachtet man politische Konflikte innerhalb der Geschichte der Bundesrepublik, so wird in der Auseinandersetzung um Rechtsextremismus immer auf Linke als Verursacher verwiesen, während gegenüber dem Phänomen des Linksextremismus kein Zusammenhang zum Rechtsextremismus hergestellt wird (vgl. beispielhaft für die APO-Zeit Althoff 1996 ).
Der Begriff der Historisierung wird hier unabhängig von seinem spezifischen Gehalt als Diskursmuster begriffen, er bezieht sich allgemein auf im Diskurs hergestellte historische Vergleiche. Dies ist insofern wichtig, weil der Begriff der Historisierung in Deutschland vorbelastet und politisch besetzt ist, da er eng mit der Debatte um die Historisierung des Nationalsozialismus verknüpft ist. Die Forderung nach Historisierung des Nationalsozialismus steht im „Historikerstreit“ im Zusammenhang mit der Infragestellung der Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung und dem Vorwurf einer moralisierenden Geschichtsbetrachtung (vgl. Nolte 1987 ). Von Kritikern dieser Forderung wird Historisierung als Versuch interpretiert, den Nationalsozialismus zu relativieren, zu verharmlosen und historisch in eine gesamttotalitäre Entwicklung einzuordnen (vgl. Habermas 1987 ).
Als eine Variante der Rassismus-Leugnung nennt Dijk (1992: 110) auch Argumentationsmuster, die eine Handlung z.B. als legitimen Akt der Verteidigung begründen. Eine andere Variante bilden Entschuldigungen, die Verweise auf Provokationen und die Beschuldigung des Opfers implizieren. In der vorliegenden Arbeit werden diese Formen der Rassismus-Leugnung im Zusammenhang mit der Herstellung der Opfer und Täter im Diskurs diskutiert (vgl. Kap. III.2.1.1 und Kap.III.2.2.1).
In der Asylrechtsdebatte finden sich aber auch Formen von verdecktem Rassismus; hier werden vielfältige Formen der Verrechtlichung hergestellt, die es erlauben, die impliziten politischen Inhalte und Interessen unsichtbar zu machen.
Vgl. Honnegger 1977: 22. Auf die Bedeutung der Berücksichtigung der longue dureé ist vor allem in der historischen Forschung von der Gruppe der Annales hingewiesen worden, die politische und gesellschaftliche Ereignisse mit der Tiefenstruktur der Geschichte und deren langjährigen Konjunkturschwankungen erklären (vgl. Iggers 1978; Honegger 1977 ).
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Althoff, M. (1998). Abschließende Überlegungen. In: Die soziale Konstruktion von Fremdenfeindlichkeit. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 203. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09761-7_6
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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